Fachkräftemangel: Gibt es ihn oder nicht?

Wie kann es sein, dass es in Deutschland mehrere Millionen Arbeitslose gibt, die Unternehmen aber gleichzeitig über Fachkräftemangel klagen? Gibt es den Mangel an qualifiziertem Personal vielleicht gar nicht? Ja und Nein, denn Fachkraft ist nicht gleich Fachkraft und nicht alle Unternehmen haben wirklich Probleme, Arbeitskräfte zu finden. Welche Unternehmen und Branchen hauptsächlich vom Fachkräftemangel betroffen sind und was man dagegen tun könnte, lesen Sie hier.

Eine Frau arbeitet in der Altenpflege, hier herrscht Fachkräftemangel

Fachkräftemangel: Was ist das überhaupt?

Man spricht von einem Fachkräftemangel, wenn es weniger qualifizierte Bewerber oder Arbeitskräfte als offene Stellen gibt. Unternehmen finden also nicht genügend Mitarbeiter, um alle Arbeitsplätze zu besetzen.

Jedoch ist nicht jeder Mangel an Arbeitskräften sofort ein Mangel an Fachkräften. Denn von einem Fachkräftemangel spricht man nur dann, wenn Mitarbeiter eine bestimmte Qualifikation oder Berufsausbildung mitbringen müssen. In der Regel ist das ein Studium oder eine mindestens zweijährige, abgeschlossene Berufsausbildung.

Fehlen dagegen nur Mitarbeiter für bestimmte Tätigkeiten, die jedoch keine besondere Berufsausbildung haben, spricht man ganz allgemein von einem Mangel an Arbeitskräften.

Gibt es in Deutschland einen Fachkräftemangel?

Aus diesem Grund kann es auch auf der einen Seite zu einem Fachkräftemangel und auf der anderen Seite zu einer hohen Zahl an Arbeitslosen kommen. So können zum Beispiel Fachkräfte in der IT-Branche gesucht werden. Wenn es gleichzeitig viele Betriebswirte gibt, die auf Jobsuche sind, zeigt sich das oben beschriebene Phänomen: Arbeitskräfte mit einer IT- oder BWL-Ausbildung sind gemäß der oben genannten Definition Fachkräfte. Trotzdem kann jemand mit einem Abschluss in BWL in der Regel nicht die Aufgaben und Tätigkeiten ausüben, für die ein IT-Techniker ausgebildet ist – und umgekehrt auch nicht.

Wir haben auf der einen Seite also Fachkräfte, die auf Arbeitssuche sind, und auf der anderen Seite einen großen Bedarf an Fachkräften – jedoch aus einer völlig anderen Branche.

Besonders betroffene Branchen

Nicht nur IT-Experten, auch Arbeitnehmer aus anderen Branchen, wie zum Beispiel dem Handwerk, gehören zu den dringend benötigten Fachkräften, bei denen es aktuell zu einem Mangel kommt. Folgende Berufe und Berufsgruppen werden zurzeit besonders stark gesucht:

BrancheBerufe (u.a.)
PflegeAltenpfleger
Krankenpfleger
Gesundheitspfleger
MINT (Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaften, Technik)
Ärzte
Ingenieure
Informatiker
Softwareentwickler
HandwerkMechatronik und Elektrik
Fahrzeugbau
Klempnerei und Installation
Rohbau

Regionale Unterschiede als Grund für Fachkräftemangel

Neben der Branche können aber auch regionale Unterschiede ein Grund für den Fachkräftemangel sein. Gerade ländliche Regionen haben es häufig deutlich schwerer, die dringend benötigten Arbeitskräfte zu finden und langfristig ans Unternehmen zu binden.

Der Grund: Die großen Städte und Metropolregionen sind viel interessanter als das Leben auf dem Land – jedenfalls für viele Arbeitnehmer. Man denke nur an die vielen kulturellen Veranstaltungen wie Konzerte oder Ausstellung und das größere Freizeitangebot. Ganz zu schweigen von den häufig besseren Möglichkeiten der Kinderbetreuung.

Arbeitgeber in ländlichen Regionen können diese Vorzüge nur schwer ausgleichen. Hinzu kommt nämlich auch, dass es sehr häufig kleinere Arbeitgeber sind, die in diesen Regionen ansässig sind. Die großen Konzerne findet man – bis auf wenige Ausnahmen – eher in den Metropolen.

Und auch das ist eine weitere Erklärung für den Fachkräftemangel in Deutschland: Es zeigt sich nämlich eine eindeutige Tendenz, dass Arbeitnehmer – und unter ihnen vor allem die gut ausgebildeten – lieber bei großen und bekannten Firmen arbeiten. Diese Arbeitgeber können aufgrund ihrer Größe die besseren Konditionen und deutlich mehr Benefits bieten. Zudem ist ein Job bei einem namhaften Unternehmen mit mehr Prestige verbunden, als eine Position bei einer Firma in einer ländlichen Region. Gerade für Berufsanfänger, die sich erst noch einen entsprechenden Lebenslauf erarbeiten müssen, kann auch das ein wichtiges Argument sein, nicht aufs Land zu ziehen – was den Fachkräftemangel in dieser Region noch weiter verschärft.

Gründe für den Fachkräftemangel

Es gibt also weder einen überregionalen Fachkräftemangel, noch sind alle Arbeitgeber und Branchen in Deutschland gleichermaßen davon betroffen.

Und obwohl es keine allgemeine oder gar pauschale Tendenz in Bezug auf den Fachkräftemangel gibt, lassen sich doch bestimmte Gründe ausfindig machen, die sich immer wieder zeigen.

  1. Werbung: Gerade kleinere Unternehmen, die vielleicht auch noch vom Inhaber geführt werden und das über mehrere Generationen, vernachlässigen die Werbung. Und das kann schwere Folgen haben. Denn was man heutzutage zum Beispiel unter dem Begriff Employer Branding kennt, gehört für größere Unternehmen und Konzerne ganz selbstverständlich mit dazu: Man muss sich als Unternehmen verkaufen, um die begehrten Fachkräfte anzuwerben. Dazu gehört eben auch, dass man sich als Arbeitgeber als Marke präsentiert. Diese Marketingstrategie fehlt kleinen Unternehmen häufig. Mit dem Ergebnis, dass sich qualifizierte Bewerber für diese Firmen kaum oder gar nicht interessieren.
  2. Stellenanzeige: Kleinere Arbeitgeber und ihre Führungskräfte kommen häufig noch aus einer Zeit, in der man eine Stellenanzeige schaltete und dann darauf wartete, von einer Vielzahl von Bewerbungen überhäuft zu werden. Personaler kennen dieses Vorgehen als „Post and Pray“, also die Stellenanzeige schalten und beten, dass sich der richtige Bewerber schon finden wird. Bei gesuchten Fachkräften funktioniert diese Strategie natürlich nicht. Sie haben es häufig nämlich gar nicht nötig, sich zu bewerben, sondern werden gar nicht selten von einem Headhunter oder Personaldienstleister abgeworben.
  3. Bewerbungsprozess: Sollte sich dann doch einmal eine gesuchte Fachkraft auf eine Stellenanzeige bewerben, machen Unternehmen, die unter dem Fachkräftemangel leiden, häufig noch einen weiteren Fehler. Statt dem Bewerber zeitnah eine wirklich individuelle Rückmeldung auf seine Bewerbung zu geben, lassen sie sich Zeit und schicken nach ein paar Wochen eine Standard-Mail an den Bewerber. Doch qualifizierte Fachkräfte haben es nicht nötig, auf Unternehmen zu warten. Wer als Arbeitgeber nicht schnell handelt und Bewerber nicht wertschätzt, wird daher noch länger mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben.

Lösungsmöglichkeiten: dem Fachkräftemangel entgegenwirken

Die Gründe, die dazu führen, dass Unternehmen über Fachkräftemangel klagen, geben häufig schon Hinweise darauf, wie dem Mangel begegnet werden kann. Dazu müssen einige Unternehmen und Arbeitgeber in Deutschland jedoch umdenken.

  • Wertschätzung zeigen: Statt Bewerber als selbstverständlich zu begreifen, sollten Arbeitgeber ihnen deutlich Wertschätzung zeigen. Das fängt schon damit an, dass die Personalabteilung mit einer individuellen Antwort auf das Bewerbungsschreiben reagiert. Natürlich sollte man als Arbeitgeber auch den übrigen Beschäftigten gegenüber Wertschätzung zeigen. Denn um den Fachkräftemangel nachhaltig zu beheben, reicht es eben nicht aus, wenn man Fachkräfte einstellt. Man muss sie vielmehr auch langfristig an das Unternehmen binden. Und ein respektvoller Umgang auf Augenhöhe ist ein Mittel dazu.
  • Ältere Arbeitnehmer weiter beschäftigen: Gerade ältere Arbeitnehmer mit einer gesuchten Fachausbildung können gleich mehrere Jahre Berufserfahrung vorweisen. Arbeitgeber sind also gut beraten, wenn sie gerade diese Fachkräfte lange an ihr Unternehmen binden. Das kann zum Beispiel gelingen, indem besonders viel in den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer investiert wird. Eine andere Möglichkeit sind sogenannte Mentorenprogramme, bei denen die älteren Fachkräfte ihre jungen Kollegen anleiten. So können weniger qualifizierte Arbeitskräfte direkt am Arbeitsplatz ausgebildet werden und Unternehmen auf eigene Faust gegen den Fachkräftemangel angehen.
  • Frauen verstärkt integrieren: In Deutschland machen mehr Mädchen als Jungs Abitur – beste Voraussetzungen, um später eine gesuchte Fachkraft zu werden. Und tatsächlich sind Frauen häufig besser oder mindestens genauso gut ausgebildet wie Männer. Leider wird dieses Potenzial aber nur wenige Jahre genutzt. Aktuell ist es immer noch so, dass sich die Mütter zum großen Teil um die Kinderbetreuung kümmern und auch die Pflege kranker Angehöriger bleibt häufig an den Frauen hängen. Was dazu führt, dass diese Fachkräfte dem Arbeitsmarkt nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen. Der Fachkräftemangel könnte zumindest teilweise dadurch behoben werden, dass die Berufstätigkeit von Frauen stärker gefördert wird. Bessere Betreuungsangebote für Kinder könnten ein erster Schritt dahin sein, dass Frauen nicht mehr nur in Teilzeit arbeiten, sondern ihr Know-how umfassend dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen. Hier ist in erster Linie die Politik gefragt. Aber auch Arbeitgeber können eigenständig Betreuungsangebote schaffen. In größeren Unternehmen gibt es immer häufiger Betriebskindertagesstätten, in denen der Nachwuchs der Mitarbeiter direkt vor Ort betreut werden kann. Das wiederum ist auch für Arbeitgeber positiv, denn mit diesem Angebot können sie die gefragten Fachkräfte zu sich locken.

Bildnachweis: Africa Studio / Shutterstock.com

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