Postkorbübung im Assessment Center: Tipps & Infos
Auf die Bewerbung folgt die Einladung zum Vorstellungsgespräch? In vielen Branchen gilt das nur noch bedingt. Wer die erste Auswahl der Suche nach einem neuen Mitarbeiter übersteht, wird inzwischen häufig zum Assessment Center eingeladen. Im sogenannten AC werden die Kandidaten über einen längeren Zeitraum mit verschiedenen Aufgaben getestet. Eine Übung, die regelmäßig angewendet wird, ist die Postkorbübung. Womit Bewerber rechnen müssen – und wie sie die Herausforderung bestehen.
Assessment Center: Kandidaten auf dem Prüfstand
Wer eine Bewerbung verschickt hat, wird immer häufiger mit einem Assessment Center konfrontiert. Im Gegensatz zu einem klassischen Bewerbungsgespräch geht es bei dem Personalauswahl-Tool darum, in unterschiedlichen Übungen einen guten Eindruck zu hinterlassen. So möchten sich die Verantwortlichen eine bessere Entscheidungsgrundlage verschaffen. Statt nur theoretisch erleben sie den Bewerber auch in praktischen Situationen. Hier zeigt sich insbesondere, welche Soft Skills der Kandidat tatsächlich hat – und mit welchen es doch nicht so weit her ist wie möglicherweise im Anschreiben behauptet.
Besonders, wer sich auf einen höherrangigen Posten oder für ein Trainee-Programm beworben hat, sollte mit einem AC rechnen. Außerdem wird es in bestimmten Branchen immer beliebter, darunter in der IT, im Marketing und bei Banken. Es findet an einem oder an mehreren Tagen statt, eine Handvoll bis zwei Dutzend Mitbewerber sind meist ebenfalls vor Ort.
Aus welchen Übungen das jeweilige Assessment Center besteht, ist variabel. Es gibt keinen festen Ablauf. Mit bestimmten Aufgaben werden Bewerber aber fast immer konfrontiert – neben der Gruppendiskussion ist das unter anderem auch die Postkorbübung.
Die Postkorbübung: ein Klassiker im AC
Die Postkorbübung gehört zu den Standardaufgaben im Assessment Center. Bewerber werden dabei mit einem bestimmten Szenario konfrontiert, in dem sie bei einer Fülle von dringlichen Angelegenheiten den Überblick behalten müssen. Es ist ihre Aufgabe, sich für eine Vorgehensweise zu entscheiden, um die Aufgaben abzuarbeiten. Das Szenario ist künstlich, könnte aber im Arbeitsalltag tatsächlich in ähnlicher Form passieren. Meist handelt es sich um eine Situation, in der viele Dinge zusammenkommen. Wichtige und dringende Aufgaben müssen erledigt werden, während die Uhr tickt. Hinzu kommen unvorhergesehene Dinge – und private To-Dos.
Die Bezeichnung Postkorbübung leitet sich von dem (gedanklichen) Postkorb ab – gemeint ist der Posteingang, der als To-Do-Liste verstanden werden kann.
Die Postkorbübung kommt besonders in bestimmten Branchen häufig zum Einsatz. Beispiele sind Jobs im Consulting, Vertrieb oder Handel. Insbesondere Tätigkeiten mit vielfältigen Aufgaben eignen sich, um diese mit einer Postkorbübung zu simulieren.
Ablauf der Postkorbübung
Bei einer Postkorbübung im Assessment Center bekommt der Bewerber ein fiktives Szenario vorgegeben. Er befindet sich in einer relativ typischen Situation im Job, bei der unterschiedliche Aufgaben auf ihn zukommen. Diese erhält er in Form von Zetteln. Meist sind es bis zu 20 unterschiedliche To-Dos, die wichtiger oder unwichtiger, dringender oder flexibler sind.
Die Herausforderung besteht für den Bewerber darin, Aufgaben zu priorisieren und einen Plan zu erstellen, mit dem diese möglichst gut erledigt werden können. Unter Routineaufgaben, die fest zum Job gehören, mischen sich besondere Vorkommnisse. Auch private Angelegenheiten gehören meist zum Spektrum dazu.
Der Ablauf einer Postkorbübung unterscheidet sich zwischen den einzelnen ACs. Oft werden die Kandidaten mittendrin durch Anrufe oder Fragen anderer gestört, um das Stresslevel zu erhöhen.
Bewerber haben meist zwischen einer halben Stunde und einer Stunde Zeit, um sich eine Vorgehensweise zu überlegen. Diese müssen sie dokumentieren und anschließend den Assessoren präsentieren. Diese befragen den Bewerber zu seiner Strategie. Meist beobachtet ein Assessor die einzelnen Kandidaten über den Verlauf der Übung genau – auch während der Vorbereitungszeit.
Beispielszenario für eine Postkorbübung
Für Bewerber ist es wichtig, sich vorher damit auseinanderzusetzen, mit welchen Aufgaben sie in einem AC konfrontiert werden können. Wer sich mit der Postkorbübung zumindest gedanklich schon beschäftigt hat, bleibt meist gelassener, wenn es soweit ist. Deshalb folgt ein Beispielszenario für eine Postkorbübung:
Der Mitarbeiter, den der Bewerber mimt, hat in einer halben Stunde einen wichtigen Gesprächstermin. Dazu muss er noch einmal seine Notizen durchgehen und sich gedanklich vorbereiten. Außerdem erhält er einen Anruf von einem wichtigen Kunden, der einen dringenden Änderungswunsch hat. Hinzu kommt der Abschied einer Kollegin – der Mitarbeiter hat versprochen, noch ein Geschenk zu besorgen, um am Nachmittag den Ausstand zu feiern. Mit einem Kollegen muss abgesprochen werden, wer die Präsentation für einen anderen wichtigen Kunden in der kommenden Woche übernimmt. Zwischendrin ruft die Frau an – der Sohn muss vom Klavierunterricht abgeholt werden, und sie selbst schafft es wider Erwarten nicht. Und zu allem Überfluss fällt plötzlich auch noch das Internet aus – weshalb eine wichtige Mail nicht beantwortet werden kann.
Wie geht der Bewerber vor, um die Situation bestmöglich zu lösen?
Darauf kommt es bei der Postkorbübung an
Die meisten Bewerber arbeiten sich akribisch in kürzester Zeit in das Szenario der Postkorbübung ein. Sie denken inhaltlich und verhalten sich dabei, als handele es sich um eine real zu bewältigende Situation. Dabei vergessen viele, dass diese Aufgabe in Wahrheit dazu dient, bestimmte Soft Skills und Fähigkeiten auf den Prüfstand zu stellen. Der inhaltliche Ausgang der Postkorbübung ist so gesehen fast schon zweitrangig – sofern das prinzipielle Vorgehen des Kandidaten die Assessoren von dessen Qualitäten überzeugt.
Eigenschaften, die mithilfe der Postkorbübung überprüft werden können, sind etwa Stressresistenz, Analysefähigkeiten, Belastbarkeit und Organisationstalent. Auch Entscheidungsfreudigkeit, die Fähigkeit zu einer sinnvollen Priorisierung und die grundsätzliche Arbeitsweise werden getestet.
Das richtige Vorgehen bei der Postkorbübung
Im Vorfeld des Assessment Centers ist es sinnvoll, wenn Bewerber sich mit grundlegenden Szenarien auseinandersetzen. So werden sie von der tatsächlichen Übung nicht mehr überrascht. Wer sich im Vorfeld mit Lösungsstrategien befasst, kann diese zielstrebig im AC anwenden.
Ist am Tag des Assessment Centers der Zeitpunkt der Postkorbübung gekommen, heißt es: ruhig bleiben und bloß nicht hektisch werden. Stattdessen ist es vielversprechend, sich in Ruhe ein geeignetes Vorgehen für die fiktive Situation zu überlegen. Als Erstes benötigen Kandidaten einen Überblick. Welche Aufgaben gibt es, was muss bis wann erledigt sein, und wie wichtig ist es? Unbedingt sollten alle erforderlichen Tätigkeiten nach ihrer Dringlichkeit und Wichtigkeit geordnet werden. Dazu bietet sich zum Beispiel das Vorgehen nach dem Eisenhower-Prinzip an.
Das Eisenhower-Prinzip
Der frühere US-Präsident Dwight D. Eisenhower soll ein Verfahren begründet haben, das dabei hilft, Aufgaben zu kategorisieren – um so entscheiden zu können, was zuerst erledigt werden sollte. Entscheidend sind nach dem Eisenhower-Prinzip die beiden Faktoren Wichtigkeit und Dringlichkeit – zwei essenzielle und doch grundlegend unterschiedliche Punkte.
Wichtigkeit ist unabhängig vom Zeitrahmen, während ein dringliches Projekt zwar möglichst bald erledigt werden sollte, jedoch nicht zwangsläufig wichtig ist. Das Eisenhower-Prinzip teilt Aufgaben in diese vier Kategorien ein:
- wichtig und dringend
- wichtig, aber nicht dringend
- dringend, aber nicht wichtig
- weder wichtig noch dringend
Übertragen auf die Postkorbübung bietet sich eine dahingehende Einordnung der Tätigkeiten an. Die vier Kategorien verstehen sich als Rangfolge, die auch im AC beachtet werden sollte.
Weniger wichtige Aufgaben delegieren
Wenn der Bewerber eine Rangliste der Aufgaben erstellt hat, geht es im nächsten Schritt darum, zu überlegen, was er wirklich selbst erledigen muss. Welche Tätigkeiten können delegiert werden – an Kollegen, Familienmitglieder oder auch externe Dienstleister? Besonders bei dringlichen, aber nicht sonderlich wichtigen Aufgaben bietet es sich an, diese an andere abzugeben. Bei Terminen ist es in nicht dringenden Fällen meist möglich, diese zu verschieben.
Bei der Vorbereitung auf die Postkorbübung muss der Bewerber Entscheidungen treffen. Es ist wichtig, vorab zu eruieren, welche Konsequenzen damit einhergehen. Meist ist es gar nicht möglich, alle Aufgaben in der vorgegebenen Zeitspanne zu erledigen. Es geht dann darum, das beste Ergebnis innerhalb der Umstände zu erzielen.
Der richtige Umgang mit privaten Angelegenheiten
Für Bewerber ist die Frage, wie sie mit privaten Angelegenheiten in der Postkorbübung umgehen, häufig heikel. Wer Gewissensprobleme bekommt, sollte sich verdeutlichen, dass diese Aufgabe lediglich Teil eines Auswahlverfahrens ist. Die Entscheidung im AC muss nicht zwangsläufig auch derjenigen in einer möglichen realen Situation entsprechen.
Wichtige berufliche Aufgaben sollten deshalb in den meisten Fällen höher gewichtet werden als private Dinge, die zu erledigen sind. Allerdings erwarten die Assessoren nicht, dass der Mitarbeiter sein Privatleben vollkommen vernachlässigt. Wer etwa tatsächlich niemanden findet, der für ihn einspringen kann, um den Sohn aus der Kita abzuholen, sammelt wohl keine Sympathiepunkte, wenn er sich dazu entscheidet, sein Kind einfach in der Betreuungseinrichtung zu lassen. Nach Möglichkeit sollten private Termine jedoch immer verschoben werden.
Die eigene Strategie begründen
Bei der Bewertung der Leistung eines Kandidaten bei der Postkorbübung kommt es insbesondere auf seine Vorgehensweise an. Deshalb ist es so wichtig, die eigene Strategie nachvollziehbar und möglichst detailliert zu begründen.
In manchen Fällen werden die Bewerber aufgefordert, auf ein spezielles Blatt Notizen zu machen. Wird dies nicht vorausgesetzt, sind Aufzeichnungen über den eigenen Weg dennoch empfehlenswert.
Für die Assessoren ist es wichtig, nachvollziehen zu können, warum der Bewerber so und nicht anders vorgegangen ist. Welche Überlegungen hat er angestellt, welches Risiko ist er eingegangen? Welche Aspekte hat er gegeneinander abgewogen – und wieso hat er sich für diese Priorisierung entschieden?
Für diese Erklärung werden wertvolle Teilpunkte vergeben. Bei kritischen Nachfragen ist es wichtig, ruhig zu bleiben – und sachlich und überlegt zu reagieren. Auch, wie man auf Rückfragen eingeht, spielt bei der Leistungsbewertung eine Rolle.