Gleitzeit: Die Vor- und Nachteile des Arbeitszeitmodells
Kommen und gehen, wann man möchte – das verstehen einige Arbeitnehmer unter Gleitzeit. Doch ganz so einfach funktioniert das Modell nicht. Denn natürlich hat immer noch der Arbeitgeber ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Arbeitszeit seiner Angestellten geht. Welche Modelle es für die Gleitzeit gibt und welche Vor- und Nachteile sich für die Beschäftigten und den Chef ergeben, erfahren Sie hier.
Gleitzeit Definition: Was versteht man darunter?
Wenn der Arbeitgeber Gleitzeit erlaubt, ist das häufig ein Grund zur Freude für die Beschäftigten. Denn dann können die Mitarbeiter relativ selbstständig darüber entscheiden, wann sie am Arbeitsplatz erscheinen.
Für Arbeitnehmer bedeutet Gleitzeit also deutlich mehr Flexibilität, denn damit können sie zum Beispiel morgens früher ins Büro und dafür nachmittags früher gehen. Wer Arzttermine oder Termine bei einer Behörde hat, weiß diese Flexibilität schnell zu schätzen.
Gleitzeit ist aber natürlich kein Freifahrtschein für Nachlässigkeit oder einen bezahlten frühen Feierabend. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit muss natürlich trotzdem abgeleistet werden.
Daher findet sich im Arbeitsvertrag häufig eine entsprechende Formulierung, die zum Beispiel so lautet:
„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39,5 Stunden. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich dazu, die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit in einem Gleitzeitrahmen zu erfüllen. Dieser Gleizeitrahmen liegt zwischen 8 und 20 Uhr. Die konkrete Ausgestaltung wird dabei dem Arbeitnehmer überlassen. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Gleitzeitregelungen abzuändern, wenn betriebliche Belange dies erfordern.“
Kernarbeitszeit: Wenn alle Mitarbeiter gleichzeitig anwesend sein sollen
Gerade in kleinen Teams und bei relativ flexibler Gleitzeit ist es denkbar, dass nur sehr selten alle Mitarbeiter gleichzeitig anwesend sind. Um dafür zu sorgen, dass sich wenigstens ein paar Stunden täglich alle Mitarbeiter im Büro aufhalten, können Arbeitgeber die sogenannte Kernarbeitszeit nutzen.
Dabei legen sie einen gewissen Zeitraum fest, zu dem Anwesenheitspflicht herrscht. Häufig liegt dieser Zeitraum in der Mitte des Arbeitstags, also zum Beispiel von 11 bis 14 Uhr oder von 12 bis 15 Uhr.
Im Betrieb verständigt man sich im Rahmen der Kernarbeitszeit darauf, dass alle Mitarbeiter in diesem Zeitraum unbedingt vor Ort sein müssen. Zum Beispiel, um die Kundenbetreuungszeiten in dieses Zeitintervall zu legen oder aber Projektbesprechungen abzuhalten.
Auf der anderen Seite kann aber auch der Arbeitgeber beschließen, dass seine Mitarbeiter zu gewissen festgelegten Zeiten gemeinsam im Büro sein sollen – man weiß ja nie, wann es etwas zu klären gibt.
Für wen eignet sich Gleitzeit?
Natürlich können sich nicht alle Arbeitnehmer über Gleitzeit freuen. Lehrer zum Beispiel können nicht dann in der Schule erscheinen, wenn die Verkehrslage am günstigsten ist. Und auch Ärzte oder Feuerwehrleute sollten dann am Arbeitsplatz sein, wenn ihre Schicht beginnt.
Auf der anderen Seite gibt es Branchen und Berufe, die zeitlich nicht so stark gebunden sind. Für sie ist Gleitzeit damit zumindest eine Option. Bei vielen Jobs im Büro ist das zum Beispiel so. Gerade in Branchen ohne Kundenkontakt ist es meist nicht wichtig, ob die Arbeit um 8 oder um 11 Uhr erledigt wird, Hauptsache sie wird erledigt. Hier bietet sich Gleitzeit also an.
Gleitzeit: Diese Regelungen gibt es
Gleitzeit wird nicht in allen Unternehmen gleich umgesetzt. Denn ideal ist das Arbeitszeitmodell dann, wenn es sich nach den Bedürfnissen der Beschäftigten richtet. Und die sind je nach Branche und Betrieb eben andere.
Meist wird Gleitzeit jedoch nach einer von drei Varianten im Betrieb eingeführt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich jedoch auf andere Regelungen verständigen und diese im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung festhalten. Die bekanntesten Regelungen im Bezug auf Gleitzeit sind aber folgende:
- Gleitzeit ohne Kernarbeitszeit: Bei diesem Modell haben Arbeitnehmer die größtmögliche Freiheit. Der Arbeitgeber gibt dabei lediglich die Rahmenbedingungen vor. Wann Sie dabei jedoch am Arbeitsplatz erscheinen und wie lange Sie arbeiten, bleibt Ihnen überlassen. Solange Sie die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes dabei einhalten. Das gilt aber nicht nur für dieses, sondern für alle Gleitzeitmodelle.
- Gleitzeit mit Funktionszeit: Dieses Gleitzeitmodell ist eine Variation der Gleitzeit mit Kernarbeitszeit. Bei der Funktionszeit geht es nicht darum, dass genau Sie als Arbeitnehmer zu einer bestimmten Uhrzeit anwesend sind, sondern ein Arbeitnehmer, der ihre Arbeit machen kann. Beispiel: In der Personalsachbearbeitung können sich Mitarbeiter in der Regel gegenseitig vertreten, da sie die gleichen Aufgaben haben. In diesem Kollegenkreis ist eine Funktionszeit eine gute Lösung. Der Arbeitgeber gibt dann nicht vor, dass genau Sie von 11 bis 14 Uhr am Arbeitsplatz sein müssen, sondern lediglich wie viele Mitarbeiter aus ihrem Team arbeiten müssen. Damit die Funktionszeit reibungslos klappt, müssen sich die Kollegen untereinander gut abstimmen. Sonst kann es passieren, dass nicht genügend Mitarbeiter im Büro sind, um die Arbeit zu erledigen.
- Gleitzeit mit Jahresarbeitszeit: Statt die Arbeitszeit wöchentlich oder gar pro Monat zu definieren, einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber in diesem Modell auf eine jährliche Arbeitszeit. Um den Überblick zu behalten, wird bei diesem Gleitzeitmodell meist mit einem Arbeitszeitkonto gearbeitet. Dieses Modell ist dasjenige mit der größten Flexibilität, denn „abgerechnet“ wird dabei erst am Ende des Jahres. Das bedeutet zum Beispiel, dass Sie bei der Gleitzeit mit Jahresarbeitszeit gleich mehrere Wochen weniger arbeiten dürfen, solange Sie bis zum Ende des Jahres ihr Konto wieder ausgleichen. (Wobei unter Umständen auch Minusstunden erlaubt sein können. Das hängt aber von den Regelungen im Arbeitsvertrag oder der Betriebsvereinbarung ab.)
Gleitzeitregelung im Unternehmen: Das sind die Vorteile
Gleitzeit wissen Arbeitnehmer häufig erst dann richtig zu schätzen, wenn es sie nicht mehr gibt. Das kann nach einem Jobwechsel so sein, wenn man plötzlich in einem Unternehmen arbeitet, bei dem wieder starre Arbeitszeiten gelten.
Denn Gleitzeit hat unbestreitbar eine ganze Reihe von Vorteilen – unter anderem diese hier:
- Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Mal die Kinder früher von der Kita abholen oder mit den Eltern Einkäufe erledigen. Mit Gleitzeit ist das möglich – wenn auch nicht jeden Tag. Aber das Arbeitszeitmodell gibt Arbeitnehmern größere Flexibilität. So lässt sich Familienleben und Beruf eben leichter unter einen Hut bringen.
- Arbeitszeit nach Biorhythmus: Mittlerweile ist es wirklich kein Geheimnis mehr, dass es verschiedene Chronotypen gibt. Die Lerchen, die bei den ersten Sonnenstrahlen aus dem Bett hüpfen und die Eulen, die erst sehr spät abends zur Ruhe finden. Bei Gleitzeit können beide Chronotypen die Arbeitszeit wenigstens zum Teil an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Eulen können morgens ein paar Stunden später auf der Arbeit erscheinen und sich noch eine Mütze Schlaf gönnen, während Lerchen früh anfangen können zu arbeiten – sie sind ja ohnehin wach.
- Verkehrschaos vermeiden: Wer es sich aussuchen kann, vermeidet am frühen Morgen die Rush-Hour. Gleitzeit ist dafür ein probates Mittel. Denn statt sich mit anderen Arbeitnehmern morgens in eine überfüllte Bahn zu quetschen oder immer auf derselben Schnellstraße im Stau zu stehen, fährt man dann, wenn sich das Verkehrschaos beruhigt hat. Weiterer Vorteil dabei: Effektiv sparen Sie durch das spätere Auftauchen am Arbeitsplatz sogar noch Zeit. Denn statt diese im Stau zu verplempern, schlafen Sie länger und können sich in Ruhe auf den Arbeitsweg machen. Denn wann Sie erscheinen, ist letztlich nicht so wichtig.
- Bessere Stimmung: Ein ruhiger und halbwegs entspannter Arbeitsweg führt außerdem zu einem besseren Start in den Arbeitstag. Und das hat Auswirkungen auf die gesamte Belegschaft. Denn statt den Kollegen am Nachbarschreibtisch beim kleinsten Fehler anzumeckern, gehen Sie gelassen mit der Situation um.
Die Vorteile für Arbeitgeber
Das Schöne an der Gleitzeit: Es profitiert nicht nur eine Seite davon. Tatsächlich lohnt es sich auch für den Arbeitgeber, über dieses Arbeitszeitmodell nachzudenken. Und zwar aus diesen Gründen:
- Größere Motivation: Mitarbeiter, die sich nicht völlig übermüdet und gestresst vom Arbeitsweg Morgen für Morgen ins Büro schleppen, arbeiten motivierter. Auch das hat wiederum nicht nur Auswirkungen auf den einzelnen Beschäftigten. Denn auch die Kollegen lassen sich davon anstecken, wenn in der Abteilung andere Kollegen motiviert und produktiv arbeiten.
- Flexibles Reagieren: Zeiten mit großem Arbeitsaufkommen können besser abgefangen werden. Wenn der Arbeitgeber zum Beispiel einen großen Auftrag gewinnt, können alle Beschäftigten flexibel auf die Herausforderung reagieren. Häufig sogar, ohne allzu viele Überstunden anhäufen zu müssen. Denn die zu viel gearbeiteten Stunden können einfach in der nächsten Woche „verbummelt“ werden.
- Erweiterte Erreichbarkeit: Gerade für kleinere Unternehmen kann eine gut geregelte Gleitzeit ein echter Vorteil sein. Vorausgesetzt die Kommunikation innerhalb des Teams funktioniert, ist immer ein Mitarbeiter vor Ort. So können die Frühaufsteher schon früh morgens Kunden telefonisch beraten, während die Langschläfer am Nachmittag und frühen Abend übernehmen.
- Verbesserte Arbeitgeberattraktivität: Gute Mitarbeiter zu finden, wird immer schwieriger. Die besten Chancen bei der Suche nach Fachkräften haben natürlich diejenigen Arbeitgeber, die ihren Bewerbern und Beschäftigten etwas bieten können. Arbeitgeber, die nicht ständig an der Gehaltsschraube drehen können, können sich dank Gleitzeit bei Mitarbeitern und Bewerbern beliebter machen. Denn die Vorteile des flexiblen Arbeitszeitmodells haben mittlerweile viele Arbeitnehmer erkannt.
Gleitzeitregelung im Unternehmen: Das sind die Nachteile
Natürlich gibt es auch Nachteile in Bezug auf die Gleitzeit. Schließlich gibt es kaum Dinge, die ausschließlich positiv sind. Einigen Beschäftigten könnte jedoch die Gleitzeit zunächst so erscheinen.
Nach einiger Zeit mit diesem Arbeitszeitmodell, könnte die Realität jedoch schon wieder anders aussehen. Das sollten Sie bedenken. Vor allem dann, wenn Sie ihren Arbeitgeber danach aussuchen, ob er Gleitzeit anbietet oder nicht.
- Zusammenarbeit schwieriger: Wenn Sie nicht wissen, wann welcher Kollege im Büro erscheinen wird, macht das Ihre Arbeit schwieriger. Denn schnell mal eben einen Vorgang unbürokratisch abstimmen, ist kaum noch möglich. Die Zeiten, zu denen alle anwesend sind, können – je nach Gleitzeitmodell – recht kurz sein. Unter Umständen zu kurz, um alles zu besprechen, was besprochen werden sollte.
- Hohe Eigenverantwortung: Hinzu kommt, dass Sie bei Gleitzeit selbst dafür verantwortlich sind, Ihre Arbeitszeit einzuteilen. Dabei müssen Sie sich unter Umständen auch mit den Kollegen abstimmen, wenn Sie hin und wieder Arbeitsschritte gemeinsam angehen. Auch das ist eine Verantwortung, die vielen Arbeitnehmern (zunächst) schwer fällt. Das ist aber noch nicht alles: Wenn die Abstimmung mit den Kollegen nicht klappt, können Sie Ihre Arbeit nicht machen. Was wiederum dazu führt, dass Sie länger auf der Arbeit sind, als Sie eigentlich wollten. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Gleitzeit.
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