Überstunden: Vergütung, Anzahl, Anspruch
Fast jeder Arbeitnehmer kennt sie: Überstunden. Aber nicht bei allen sind sie beliebt. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass nicht alle Überstunden bezahlt werden. Glücklicherweise hat der Gesetzgeber klare Richtlinien geschaffen, wie lange Überstunden und Mehrarbeit geleistet werden darf. Auch wann Überstunden verfallen und wann Sie dazu verpflichtet sind, Überstunden zu leisten, können Sie hier erfahren.
Der Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden
Die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit werden häufig synonym benutzt. Das kommt vermutlich auch daher, dass es keine allgemeingültige Definition für diese beiden Begriffe gibt. Jedoch lassen sich in der Rechtsprechung deutliche Unterschiede zwischen Überstunden und Mehrarbeit ausmachen, die kurz erläutert werden sollen:
- Mehrarbeit: Als Mehrarbeit bezeichnet man vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit, die über die erlaubte Höchstarbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, also acht Stunden täglich, hinausgeht. Wenn der Begriff Mehrarbeit benutzt wird, bezieht man sich damit häufig nur auf die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes und darauf, wie die Mehrarbeit ausgeglichen werden muss. Die Bezahlung für die Zeit, in der der Arbeitnehmer länger gearbeitet hat, als es vertraglich vorgesehen ist, spielt dabei zunächst noch keine Rolle.
- Überstunden: Auch mit Überstunden meint man die Zeit, in der der Arbeitnehmer länger arbeitet, als es im Arbeits- oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. Häufig ist mit den Überstunden noch ein weiterer Aspekt verbunden: Sie werden vom Arbeitgeber angeordnet. Spricht man von Überstunden ist damit in der Regel (in juristischen Zusammenhängen) gemeint, dass diese auch bezahlt werden sollten. Wenn der Arbeitnehmer Überstunden in diesem Sinne leisten soll, muss es auch eine gültige Vereinbarung in dem Arbeits- oder Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geben.
Unter Umständen können Überstunden und Mehrarbeit also die gleiche Sache bezeichnen. Wenn Arbeitnehmer innerhalb einer 40-Stunden-Woche, die sich auf fünf Arbeitstage erstreckt, 48 Stunden arbeiten, leisten sie sowohl Mehrarbeit als auch Überstunden. Denn die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden wird überschritten und der Arbeitnehmer arbeitet länger, als im Arbeitsvertrag vorgesehen.
Umgekehrt ist es aber auch denkbar, dass sich Mehrarbeit und Überstunden nicht decken. Wenn ein Mitarbeiter, der in Teilzeit für 20 Stunden pro Woche angestellt ist, 25 Stunden arbeitet, macht er Überstunden. Mehrarbeit ist das aber nicht – vorausgesetzt er überschreitet nicht die tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden. Wenn er einfach jeden Tag fünf statt vier Stunden arbeitet, macht er Überstunden, aber keine Mehrarbeit.
Gesetzliche Regelung Überstunden: Was ist erlaubt?
Bei der Frage, wie viele Überstunden überhaupt erlaubt sind, orientiert man sich gerne an dem Arbeitszeitgesetz. Dort ist festgehalten, wie lange Arbeitnehmer arbeiten dürfen. Schließlich muss ihnen noch genug Zeit bleiben, sich in ihrer Freizeit von der Arbeit zu erholen. Und auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt für viele Arbeitnehmer eine Rolle.
Die Regelungen im Einzelnen:
- Tägliche Höchstarbeitszeit: Mehr als zehn Stunden am Tag sind nicht erlaubt. Ausnahmen gelten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Außerdem muss es eine gültige Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder einem anderen Vertrag geben.
- Wöchentliche Höchstarbeitszeit: Auf die Woche gesehen, dürfen Arbeitnehmer nicht mehr als 48 Stunden arbeiten. Wer also regelmäßig 40 Stunden pro Woche arbeitet, darf theoretisch acht Überstunden machen. Auch hier können Ausnahmen vertraglich vereinbart werden.
Die geleisteten Überstunden müssen in der Regel innerhalb von sechs Monaten ausgeglichen werden. Der Klassiker beim Freizeitausgleich ist dabei ein zusätzlicher freier Tag oder früherer Feierabend. Auch hier gilt: In Tarifverträgen können andere Regelungen vereinbart werden.
Für leitende Angestellte gilt diese Regelung allerdings nicht. Denn sie sind von dem Arbeitszeitgesetz ausgenommen. Der Chef darf von seinen Führungskräften also erwarten, dass sie auch über die Höchstarbeitszeit hinaus Einsatz für die Firma leisten – wenn nötig.
Vergütung: Wie werden Überstunden bezahlt?
Wer mehr arbeitet, als im Arbeitsvertrag vorgesehen, möchte die Überstunden natürlich auch bezahlt haben. Das muss allerdings nicht zwingend in allen Fällen passieren. Denn eine gesetzliche Regelung darüber, wie Überstunden bezahlt werden, gibt es nicht. Daher müssen sich Arbeitnehmer an die Regelungen halten, die im Arbeitsvertrag (oder einem anderen Vertragswerk) vereinbart sind. Das führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn nichts Entsprechendes im Arbeitsvertrag vereinbart ist.
Eine weitere Voraussetzung dafür, dass Überstunden bezahlt werden, ist die Kenntnis darüber. Der Arbeitgeber muss wissen, dass sein Mitarbeiter Überstunden macht oder hat diese selbst angeordnet.
Wenn beide Voraussetzungen, also gültige Regelung und Wissen des Arbeitgebers, erfüllt sind, gibt es zwei Optionen, Überstunden zu vergüten:
- Auszahlung: Wenn die Überstunden ausgezahlt werden, erhält der Mitarbeiter den üblichen Stundenlohn für die Mehrarbeit. Weniger zahlen darf der Arbeitgeber nicht. In einigen Fällen ist es aber durchaus üblich, dass der Mitarbeiter für Überstunden sogar besser bezahlt wird, der Arbeitgeber also einen Überstundenzuschlag zahlt.
- Freizeitausgleich: Eine andere Möglichkeit ist Freizeit. Statt den Mitarbeiter für Überstunden zu bezahlen, darf er in gleichem Umfang zuhause bleiben und so seine Überstunden abbauen. Wie das konkret geschieht, hängt von den Absprachen im Unternehmen ab. Einige führen Arbeitszeitkonten, andere verlassen sich darauf, dass die Mitarbeiter nur so viel Freizeitausgleich nehmen, wie ihnen zusteht.
Was bedeutet Pauschalabgeltung?
Hin und wieder trifft man in Arbeitsverträgen die Aussage an, dass Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Diese Aussage bezeichnet man als Pauschalabgeltung. Was Arbeitnehmer wissen sollten: So eine Klausel ist nicht gültig. Der Arbeitnehmer kann also nicht einfach beschließen, Überstunden nicht zu bezahlen.
Etwas anderes ist es dagegen, wenn der Arbeitgeber die Anzahl der Überstunden einschränkt. Möglich wäre zum Beispiel, dass im Vertrag steht, dass zehn Überstunden im Monat mit dem Gehalt abgegolten sind. Unter Umständen ist eine derartige Formulierung in Ordnung. Es kommt jedoch auch darauf an, wie viele unbezahlte Überstunden der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter zumutet und wie hoch das Gehalt des Mitarbeiters ist. Denn unter den Mindestlohn darf das Gehalt auch mit Überstunden nicht fallen.
FAQs: Häufige Fragen zum Thema Überstunden
Wann gibt es einen Zuschlag für Überstunden?
Mitarbeiter haben nicht grundsätzlich einen Anspruch darauf, Zuschläge für Überstunden zu bekommen. Manchmal ist der Überstundenzuschlag aber im Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt.
Darf ich auch in Kurzarbeit Überstunden machen?
Wenn Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden, dürfen sie keine Überstunden ableisten. Genau das würde der Idee hinter der Kurzarbeit zuwiderlaufen. Denn die Kurzarbeit wird ja gerade deshalb angeordnet, weil der Arbeitgeber zu wenig Arbeit für seine Mitarbeiter hat.
Trotzdem sind Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber auch in Kurzarbeit Überstunden anordnen darf. Wenn der Betrieb nicht komplett stillsteht, sondern in geringem Umfang produziert wird und eine wichtige Maschine reparaturbedürftig wird. Dann könnte der Chef den dafür zuständigen Mitarbeiter bitten, die Maschine so schnell wie möglich zu reparieren – auch wenn er dazu länger arbeiten muss.
Wie kann ich Überstunden beweisen?
Wenn es zu einem Streit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber wegen Überstunden kommt, ist der Mitarbeiter in der Beweispflicht. Er muss beweisen, dass er Überstunden geleistet hat. Gibt es kein Zeiterfassungssystem im Unternehmen, kann das schwierig werden.
Aber nicht nur das. Der Mitarbeiter muss nicht nur beweisen, dass er Überstunden gemacht hat, er muss auch zeigen, dass diese notwendig waren. Also, dass er die geforderten Aufgaben nicht in der regulären Arbeitszeit schaffen konnte. Wie Sie das im konkreten Fall am besten tun können, sollten Sie mit einem Anwalt für Arbeitsrecht besprechen. Das gilt auch für andere Rechtsfragen.
Wann können Überstunden verfallen?
Grundsätzlich können Überstunden nach drei Jahren verfallen. Juristen sprechen davon, dass der Anspruch auf die Bezahlung verjährt. Schauen Sie aber lieber noch einmal in dem betreffenden Paragrafen im Vertrag nach. Denn im Arbeits- oder Tarifvertrag können auch kürzere Fristen für die Verjährung genannt werden.
Kann der Chef Überstunden anordnen?
Wenn es keine Regelung zu Überstunden gibt, wird es für den Arbeitgeber schwer, diese anzuordnen. Ausnahme: existenzbedrohliche Krisen, die niemand vorhersehen konnte. Ein Brand wäre beispielsweise eine solche Situation, in der der Arbeitgeber Überstunden für seine Mitarbeiter anordnen kann, wenn er unbedingt ihre Hilfe benötigt.
Auch besonderer betrieblicher Bedarf kann ein Grund sein, dass Ihr Chef auch ohne vorherige Absprache oder Regelung in einem Vertrag Überstunden anordnen kann.
Sie sehen also: Es müssen ganz besondere, extreme Situationen vorliegen, damit der Arbeitgeber Überstunden anordnen kann, wenn sie beide sich vorher nicht auf Überstunden geeinigt haben.
Darf ich Überstunden verweigern?
Ihr Chef darf – abgesehen von Extremsituationen – Überstunden nur dann anordnen, wenn sie vertraglich geregelt sind. Das bedeutet aber auch, dass Sie als Arbeitnehmer Überstunden verweigern dürfen, wenn eine derartige Regelung fehlt. Sie sollten allerdings bedenken, dass Sie sich unter Umständen ein gutes Verhältnis zu Ihrem Chef verbauen. Denn Arbeitgeber schätzen es, wenn sich Mitarbeiter loyal verhalten und anpacken, wenn Hilfe gebraucht wird.
Auf der anderen Seite dürfen und sollten Sie Überstunden ablehnen, wenn Sie damit ihre Gesundheit gefährden könnten. Zur Sicherheit sollten Sie sich in diesem Fall ein ärztliches Attest besorgen, in dem noch einmal bestätigt wird, dass Sie keine Überstunden machen dürfen.
Daneben gibt es bestimmte Gruppen von Beschäftigten, für die Sonderregelungen in Bezug auf Überstunden gelten:
- Schwangere: Im Mutterschutzgesetz ist geregelt, dass schwangere Arbeitnehmerinnen keine Überstunden machen dürfen.
- Mitarbeiter in Teilzeit: In der Regel müssen Mitarbeiter in Teilzeit keine Überstunden machen. Allerdings kann auch hier im Tarifvertrag etwas anderes vereinbart werden.
- Azubis: Minderjährige Arbeitnehmer und Azubis dürfen keine Überstunden machen. Jedoch gibt es auch hier bestimmte Fälle, in denen auch sie Überstunden leisten dürfen. Allerdings müssen diese innerhalb von drei Wochen wieder ausgeglichen werden.
- Mitarbeiter mit einer Behinderung: Mitarbeiter mit einer Schwerbehinderung, können einen Antrag stellen, um von Überstunden freigestellt zu werden.
Was passiert bei einer Kündigung mit meinen Überstunden?
Bei einer ordentlichen Kündigung – egal von welcher Seite – darf der Arbeitgeber entscheiden, was mit den Überstunden passiert. Also ob er sie auszahlen oder dem Mitarbeiter Freizeitausgleich gewähren möchte.
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