Mikromanagement: Warum es so schädlich ist und wie man es vermeidet
Viele Führungskräfte neigen zu Mikromanagement: Sie wollen bis ins kleinste Detail darüber mitbestimmen, wie Aufgaben erledigt werden. Das ist frustrierend für Beschäftigte – und kostet Vorgesetzte unnötig Ressourcen. Hier erfahren Sie, wie sich Mikromanagement durch den Chef oder die Chefin bemerkbar machen kann und welche Möglichkeiten es gibt, Mikromanagement zu vermeiden.
Was ist Mikromanagement?
Management ist die Verwaltung, Organisation und Planung von bestimmten Aufgaben. Mikromanagement, teilweise auch als Micromanagement bezeichnet, ist das Management im kleinen bis kleinsten Bereich. Dahinter verbirgt sich ein Führungsstil, bei dem eine Führungskraft stark in die Arbeit ihrer Mitarbeiter eingreift und diese übermäßig kontrolliert.
Micromanagement ist in der Psychologie ein Verhalten, bei dem der Chef oder die Chefin kleinste Details kontrolliert und sehr genaue Vorgaben macht, welche die Beschäftigten teilweise bei ihrer Arbeit in ein enges Korsett zwängen. Die Mitarbeiter haben kaum bis keine Entscheidungsbefugnisse, sie müssen sich selbst für vermeintlich unwichtige Aufgaben mit der Führungskraft absprechen. Selbstständiges Arbeiten ist unter diesen Bedingungen kaum möglich.
Ein Vorgesetzter, der Mikromanagement betreibt, möchte dann etwa bei allen E-Mails in CC gesetzt werden. Er lässt sich womöglich Berichte mehrfach zeigen, auch wenn sie noch gar nicht fertig sind. Oder er gibt über detaillierte Vorgaben vor, wie seine Mitarbeiter bestimmte Aufgaben zu erledigen haben.
Mikromanagement: Ursachen
Die Neigung zu Mikromanagement hängt einerseits mit der Person zusammen, die Mikromanagement betreibt. Andererseits kommt es auch auf die Führungs- und Unternehmenskultur in einem Unternehmen an.
Mikromanagende Chefs haben ein übermäßig starkes Bedürfnis nach Kontrolle. Sie trauen ihren Mitarbeitern nicht zu, dass diese ihren Job auch ohne ihr ständiges Zutun gut machen. Der Kontrollwahn kann damit zusammenhängen, dass jemand noch unerfahren und unsicher ist, was er delegieren kann und sollte. Eine solche Führungskraft stellt das Mikromanagement womöglich früher oder später ein, nachdem sie gemerkt hat, dass die Beschäftigten durchaus fähig sind und ihre permanente „Unterstützung“ nicht benötigen. Auch unsichere Vorgesetzte können zu Mikromanagement neigen. Dasselbe gilt für Perfektionisten, die nicht damit leben können, wenn nicht alle Ergebnisse 110-prozentig sind – oder damit, nicht zu wissen, ob das der Fall ist.
Es kommt allerdings nicht nur auf die individuelle Persönlichkeit eines Chefs oder einer Chefin an. Entscheidend ist auch, wie sich das obere Management eines Unternehmens verhält. Haben die Führungskräfte starken Druck von oben und ist das Maß an Überwachung in der Firma generell hoch, wird Mikromanagement wahrscheinlicher. Dasselbe gilt, wenn Fehler übermäßig kritisch gesehen werden. Je negativer es für eine Führungskraft ist, wenn in ihrer Abteilung Fehler passieren oder suboptimale Ergebnisse abgeliefert werden, desto stärker muss sie sich in die Arbeit der Beschäftigten einmischen.
Mikromanagement: Welche Folgen es haben kann
Mikromanagement ist keine Seltenheit und hat zum Teil schwerwiegende Folgen für Mitarbeiter, Unternehmen und die Führungskräfte selbst.
Auswirkungen auf die Mitarbeiter
Für Mitarbeiter ist es oft sehr frustrierend, wenn der Chef oder die Chefin Mikromanagement betreibt. Ein solches Führungsverhalten signalisiert, dass der Vorgesetzte seinen Mitarbeitern nicht vertraut. Er glaubt offensichtlich nicht, dass sie ihren Job auch ohne seine Unterstützung gut machen – nicht gerade ein Zeichen der Wertschätzung. Wenn ein Vorgesetzter das Gefühl hat, alles kontrollieren zu müssen, nimmt das Beschäftigten den Raum für eigene Ideen und Selbstverwirklichung. Es kann auch ihrem Selbstvertrauen schaden: Wenn die Chefin nicht an einen glaubt, warum sollte man es dann selbst tun?
Mikromanagement kann die Motivation von Beschäftigten stark verringern. Sie sind womöglich auch weniger kreativ, weil es offensichtlich unerwünscht ist. Und sie haben weniger Möglichkeiten, sich Herausforderungen zu stellen und Verantwortung zu übernehmen sowie daran beruflich und persönlich zu wachsen. All das kann dafür sorgen, dass die Beschäftigten unzufrieden und gestresst im Job sind. Sie melden sich vor diesem Hintergrund vielleicht häufiger krank – oder kündigen.
Auswirkungen auf Unternehmen
Für den Erfolg von Unternehmen kann Mikromanagement eine Gefahr sein. Wenn Führungskräfte jeden Arbeitsschritt ihrer Mitarbeiter kontrollieren, dauert alles länger. Es können sich auch mehr Arbeitsschleifen ergeben, die zusätzlich Zeit kosten. Das geht zulasten der Produktivität. Durch Mikromanagement werden außerdem Mitdenken und eigene Ideen der Beschäftigten im Keim erstickt. Das mindert die Innovationsfähigkeit des Unternehmens.
Problematisch ist Mikromanagement auch, weil es für Unzufriedenheit bei Beschäftigten sorgt. Sie haben womöglich weniger Lust auf ihre Arbeit und melden sich leichtfertiger krank. Mehr Personalausfälle bedeuten höhere Kosten und sind ebenfalls nachteilig für die Produktivität. Zudem kann die Fluktuation steigen. Weil der Ruf eines Unternehmens unter Mikromanagement leiden kann, ist der Pool an qualifizierten Bewerbern häufig geringer – noch ein Wettbewerbsnachteil.
Nicht zuletzt sorgt Mikromanagement oft für eine schlechte Stimmung im Team. Das kann zusätzlich negative Effekte auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter haben. So entsteht durch Mikromanagement schnell eine Situation, in der die Mitarbeiter keine Lust auf die Arbeit haben, schlecht gelaunt sind und sich nach einer anderen Stelle umsehen.
Auswirkungen auf Führungskräfte
Mikromanagement kann Mitarbeiter demotivieren und den Erfolg von Unternehmen mindern. Es hat aber auch Auswirkungen auf die Führungskräfte, die zu diesem Verhalten neigen. Es ist kräftezehrend, alles zu überwachen. Schon das Gefühl, jedes letzte Detail kontrollieren zu müssen und für alles verantwortlich zu sein, löst Stress aus. Das kann psychisch belastend sein und zu stressbedingten körperlichen Folgen führen. Die Betroffenen sind dann etwa anfälliger für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, leiden unter Rückenschmerzen oder Schlafstörungen.
Mikromanagement bindet Ressourcen: Führungskräfte, die sich in die Aufgaben ihrer Mitarbeiter einmischen, haben weniger Zeit für ihre eigenen Aufgaben. Das kann ihre Leistungen verringern und dadurch indirekt ihrem Ansehen auf höheren Führungsebenen schaden. Zugleich ist es für Vorgesetzte ein Problem, wenn ihre Mitarbeiter unzufrieden sind. Eine geringe Mitarbeiterzufriedenheit deutet auf mangelnde Führungsqualitäten hin. Auch das ist ein Hindernis für das berufliche Fortkommen.
Anzeichen für Mikromanagement durch den Chef oder die Chefin
Mikromanagement kann man anhand verschiedener Anzeichen erkennen. Typisch sind die folgenden Aspekte:
- Führungskräfte wollen alles kontrollieren: Der Chef oder die Chefin will von den Beschäftigten ganz genau wissen, was sie machen. Jedes Detail ist von Interesse.
- Der Chef kann nicht loslassen: Betroffene Führungskräfte haben Probleme damit, Aufgaben zu delegieren. Sie machen lieber alles selbst.
- Maximale Überwachung: Um kontrollieren zu können, wie die Beschäftigten ihre Arbeit erledigen, setzen viele Mikromanager auf Überwachung. Es kann auch sein, dass sie laufend Berichte darüber haben wollen, was die Mitarbeiter wie gemacht haben und wie der aktuelle Stand bei ihren Aufgaben ist. Auch häufige Meetings sind typisch.
- Detaillierte Vorgaben: Vorgesetzte, die Mikromanagement betreiben, überlassen nichts dem Zufall. Sie geben ihren Mitarbeitern ganz genau vor, wie sie ihre Arbeit zu erledigen haben.
- Häufiges Eingreifen: Mikromanagern mangelt es an Vertrauen in die Kompetenzen der Beschäftigten. Entsprechend schnell greifen sie ein, wenn sie einen Anlass dafür sehen.
- Kein Raum für eigene Entscheidungen: Die Beschäftigten tragen wenig Verantwortung und dürfen kaum etwas selbst entscheiden.
- Eigene Ideen sind unerwünscht: Bringen Mitarbeiter eigene Ideen ein, reagieren Führungskräfte darauf zögerlich oder ablehnend.
- Die Führungskraft löst negative Gefühle bei den Beschäftigten aus: Mikromanagement sorgt häufig für Frust, Demotivation, Resignation oder Angst bei Mitarbeitern
Wie als Mitarbeiter mit Mikromanagement umgehen?
Mikromanagement durch Vorgesetzte kann für Beschäftigte zu einer erdrückenden Situation am Arbeitsplatz führen. Ihr Input ist nicht erwünscht, sie dürfen ihre Tätigkeiten häufig nicht so ausführen, wie sie es für richtig halten. Stattdessen mischt sich der Chef ständig ein, bringt Verbesserungsvorschläge und ist schnell mit Kritik. In einer solchen Situation werden Arbeitnehmer zu ausführenden Organen, die minutiös abarbeiten sollen, was andere ihnen vorgeben. Die Folgen: Die Arbeit macht keinen Spaß, die Stimmung ist schlecht, Motivation Mangelware.
Was kann man als Arbeitnehmer tun, wenn die Chefin oder der Chef Mikromanagement betreibt? Zunächst einmal ist es sinnvoll, sich an die Anweisungen des Vorgesetzten zu halten – egal, wie unsinnig oder überflüssig man sie finden mag. Wer versucht, sein eigenes Ding zu machen, kann sich damit auf die Abschussliste bringen. Statt leichtfertig Ihren Job zu gefährden, spielen Sie lieber mit – und überlegen in Ruhe, wie Sie mit dem Mikromanagement umgehen können.
Entscheidend ist, wie Sie sich mit der Situation fühlen. Was stört Sie daran am meisten? Wie unzufrieden sind Sie? Können Sie sich vorstellen, Ihren Job unter diesen Umständen noch lange zu machen? Je stärker Sie unter dem Mikromanagement leiden, desto mehr spricht dafür, ein offenes Gespräch mit dem Vorgesetzten zu suchen. Nicht jedem mikromanagenden Chef ist bewusst, was er tut. Wenn Sie den Vorgesetzten freundlich darauf hinweisen, kann das in manchen Fällen viel bewirken.
Wenn Gespräche nichts bringen
Statt mit dem Chef zu sprechen, können Sie auch versuchen, eigene Ideen einzubringen. Auch damit kann manchmal eine Veränderung angestoßen werden. Ist Ihr Input aber offensichtlich nicht erwünscht, kann auch das ein Anlass für ein Gespräch sein. Fragen Sie nach, warum man sich für Ihre Ideen nicht interessiert. Melden Sie ruhig ehrlich zurück, wie Sie sich dabei fühlen.
Ist es sinnvoll, sich an einen höherrangigen Vorgesetzten zu wenden, weil ein Gespräch mit dem Mikromanager-Chef sowieso nichts bringen würde? Diese Möglichkeit besteht, sie ist aber riskant. Der Chef könnte darauf wütend reagieren. Wie vielversprechend ein solches Gespräch ist, hängt zudem davon ab, wie gut sich der höherrangige Vorgesetzte mit Ihrem Vorgesetzten versteht. Sind die Beziehungen eng, ist es wahrscheinlich, dass man von Ihren Sorgen nichts hören will oder Ihnen nicht glaubt.
Lässt sich durch Gespräche nichts verändern, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder machen Sie genau das, was der Arbeitgeber von Ihnen erwartet: Sie stellen keine Fragen, sondern erledigen einfach Ihre Arbeit nach Vorschrift und nehmen hin, dass Ihr Gestaltungsspielraum gering ist. Oder Sie suchen nach einem Job, der Ihre Erwartungen besser erfüllt. Falls Sie sich entscheiden, zu kündigen, kann es für die zurückbleibenden Kolleginnen und Kollegen hilfreich sein, wenn Sie ehrlich über Ihre Beweggründe reden. Wenn Mitarbeiter unzufrieden sind und das Unternehmen deshalb verlassen, kann das Arbeitgeber zum Nachdenken anregen – und in manchen Fällen eine Verhaltensänderung bewirken.
Mikromanagement vermeiden: Tipps für Führungskräfte
Mikromanagement tut niemandem gut – auch nicht der Führungskraft, die diesen Führungsstil praktiziert. Inwieweit Mikromanagement in einem Unternehmen zum Problem wird, hängt in hohem Maße vom Arbeitgeber ab. Die Unternehmenskultur hat darauf ebenso Einfluss wie die Erwartungen des Managements an Führungskräfte. Zur Prävention von Mikromanagement ist es wichtig, dass von höheren Führungsebenen kein übermäßiger Druck ausgeübt wird. Diesen Druck würden Vorgesetzte sonst womöglich an ihre Mitarbeiter weitergeben.
Stattdessen sollten Werte wie Vertrauen und Eigenverantwortung propagiert und vom Management vorgelebt werden. Auch ein konstruktiver, offener Umgang mit Fehlern ist zur Vermeidung von Mikromanagement wichtig. Fehler passieren – sie sollten aber nicht dramatisiert werden, sondern es sollte darum gehen, aus ihnen zu lernen. Je weniger Sorgen sich Vorgesetzte machen müssen, dass die Fehler ihrer Mitarbeiter ihnen Probleme bereiten könnten, desto weniger negativ reagieren sie meist darauf.
Führungskräfte sollten dazu ermuntert werden, Aufgaben an fähige Mitarbeiter abzugeben, statt alles an sich zu reißen. Was die Beschäftigten machen, sollte nicht übermäßig kontrolliert werden. Besonders Mitarbeiter, die sich bewährt haben, kann man ruhig in einem gewissen Rahmen eigenverantwortlich gewähren lassen. Schulungen und Coachings für Führungskräfte können darüber hinaus dazu beitragen, dass Mikromanagement unwahrscheinlicher wird.
Als Führungskraft sollten Sie auf Anzeichen dafür achten, dass Sie Mikromanagement betreiben. Wenn Sie Hinweise darauf feststellen oder Ihnen Mitarbeiter entsprechende Rückmeldungen geben, reagieren Sie zeitnah. Überlegen Sie, warum Sie zu diesem Verhalten neigen. Welche Ängste haben Sie? Wie kann das Problem gelöst werden? Führen Sie sich vor Augen, wie schädlich Mikromanagement sein kann. Zwingen Sie sich, wenn nötig, Ihren Mitarbeitern den nötigen Freiraum zu geben, damit sie motiviert und zufrieden sind.
Fazit: Mikromanagement – schädlich, aber verbreitet
- Viele Führungskräfte neigen zu Mikromanagement: Sie wollen bis ins kleinste Detail kontrollieren, was ihre Mitarbeiter machen. Zugleich tun sie sich schwer damit, Aufgaben zu delegieren.
- Hinter Mikromanagement steckt oft mangelndes Vertrauen in die Beschäftigten. Ein solcher Führungsstil wird zudem wahrscheinlicher, wenn die Führungskräfte selbst unter hohem Druck stehen.
- Mikromanagement kann weitreichende Folgen haben – für Beschäftigte, Unternehmen und die Führungskräfte selbst. Auf Mitarbeiter wirkt es demotivierend und die übermäßige Kontrolle durch Vorgesetzte kann für Frust und schlechte Stimmung in der Belegschaft sorgen.
- Beschäftigte, die unter dem Mikromanagement ihres Chefs leiden, haben verschiedene Optionen. Manchmal helfen offene Gespräche, in anderen Fällen kann der Betriebsrat vermitteln.
- Bei der Prävention von Mikromanagement sind in erster Linie Arbeitgeber gefragt. Die Unternehmenskultur und die Anforderungen der Geschäftsführung an Führungskräfte auf allen Ebenen machen Mikromanagement wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher.
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