Work-Life-Blending: Voll im Trend

Arbeit und Privatleben waren für die meisten Arbeitnehmer lange Zeit strikt getrennt. Im Büro oder dem Betrieb war man zu festen Zeiten, danach hatte man Feierabend – und das in der Regel auch wirklich. In Zeiten von Homeoffice, mobilem Arbeiten und flexiblen Arbeitszeiten ist die Trennung zwischen Beruf und Freizeit hingegen oft weniger strikt. Man spricht dann auch vom Work-Life-Blending. Was ist das, wie kann es aussehen und welche Vor- und Nachteile hat das Modell?

Ein Mann arbeitet von Zuhause und praktiziert Work-Life-Blending

Work-Life-Blending Definition: Was ist damit gemeint?

Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Das hängt vor allem mit neuen Technologien und Kommunikationsmöglichkeiten zusammen, Stichwort Digitalisierung. Während die meisten Arbeitnehmer früher feste Arbeitszeiten hatten, liegen heute flexible Arbeitszeiten im Trend. Wer früher nach Feierabend nach Hause ging, hatte in der Regel bis zum nächsten Arbeitstag keine Berührungspunkte mehr mit dem Job. Heute checken viele Beschäftigte abends auf dem Sofa noch Mails, bereiten mehr oder weniger freiwillig eine Präsentation für den nächsten Tag vor oder gehen ans Handy, wenn der Chef anruft. Auch zusätzliche Arbeit am Wochenende – oft vor dem Hintergrund einer gestiegenen Arbeitsbelastung und eines höheren Workloads – ist heute für viele Beschäftigte keine Seltenheit.

Geht es um die neue Arbeitswelt, ist auch von New Work die Rede. In diesem Zusammenhang ist auch der Trend des Work-Life-Blendings zu verstehen. Er spiegelt wider, dass die beiden großen Bereiche des Lebens, Arbeit und Privatleben, bei vielen Arbeitnehmern zunehmend miteinander vermischt werden. Das Wort „Blending“ beschreibt diese Vermischung. Eine klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit gibt es für viele Arbeitnehmer nicht mehr; die Übergänge zwischen beidem verlaufen vielmehr fließend.

Damit ist Work-Life-Blending auch als Abgrenzung zur oft beschworenen Work-Life-Balance zu verstehen. Eine Work-Life-Balance setzt eine klare Trennung der verschiedenen Lebensbereiche voraus, kein Bereich soll zu kurz kommen. Wenn Arbeitnehmer nach einer besseren Work-Life-Balance streben, heißt das meist, dass das Privatleben nicht zu kurz kommen soll. Das ist für die meisten Beschäftigten angesichts von oft langen Arbeitszeiten und regelmäßigen Überstunden die weitaus größere Gefahr, als dass der Job zu wenig Raum einnimmt. Es geht bei der Work-Life-Balance also darum, den Job stärker zurückzudrängen. Bei Work-Life-Blending wird seine (zumindest gefühlte) Omnipräsenz hingegen akzeptiert; der private Alltag wird um die beruflichen Verpflichtungen herum geplant.

Wie Work-Life-Blending konkret aussehen kann

Wie kann man sich Work-Life-Blending praktisch vorstellen? Das kann ganz unterschiedlich sein. Es hängt davon ab, welchen Job ein Beschäftigter hat und wo und wie er arbeitet. In vielen Fällen geht Work-Life-Blending mit einer teilweisen oder sogar überwiegenden Tätigkeit im Homeoffice einher. Viele Beschäftigte haben flexible Arbeitszeiten, die sie zumindest ein Stück weit selbst festlegen können. Auch Vertrauensarbeitszeit kann mit einem Work-Life-Blending verbunden sein.

Work-Life-Blending kann dann zum Beispiel so aussehen, dass ein Arbeitnehmer morgens ausschläft, bevor er ins Homeoffice geht. Dort checkt er erstmal die Mails und schaut, ob es irgendetwas Dringendes gibt, und macht sich dann Frühstück. Das isst er vor dem PC und arbeitet für einige Stunden. Später macht er eine längere Mittagspause, in der er einige Erledigungen tätigt. Anschließend folgen wieder einige Stunden Arbeit. Am frühen Abend macht der Beschäftigte dann Feierabend, hat aber nach dem Abendessen wieder das Handy in der Hand und guckt noch einmal in sein Postfach. Wenn sich der Chef, Kollegen oder andere Kontakte per E-Mail gemeldet haben, beantwortet er deren Anfragen vom Sofa aus.

Work-Life-Blending kann auch bedeuten, dass jemand sich unter der Woche einen Nachmittag freinimmt, um sich privaten Dingen zu widmen. Diese Zeit arbeitet er dann an einem Wochenendtag nach oder teilt sie auf die übrigen regulären Arbeitstage auf. Welche Möglichkeiten es in der Ausgestaltung von Work-Life-Blending gibt, hängt davon ab, welche Absprachen es mit dem Arbeitgeber bezüglich der Aufteilung der Arbeitszeit gibt.

Work-Life-Blending als Vorteil für Arbeitnehmer?

Ist es für Arbeitnehmer ein Vorteil, wenn der Trend zu Work-Life-Blending sich künftig noch stärker durchsetzt? Manche Arbeitnehmer freuen sich über die Entwicklungen in der Arbeitswelt, zu denen Work-Life-Blending gehört. Andere sehen sie skeptisch.

Was spricht für Work-Life-Blending? Work-Life-Blending geht mit einer erhöhten Flexibilität einher. Beschäftigte können abhängig vom vereinbarten Arbeitszeitmodell Zeiten, in denen sie sonst hätten arbeiten müssen, für private Erledigungen nutzen. Man kann zum Beispiel mal einen Arzttermin am Vormittag einschieben, das Kind ohne Probleme aus der Kita abholen oder einfach zwischendurch die Waschmaschine anmachen.

Work-Life-Blending bietet Arbeitnehmern mehr Entscheidungsfreiheit darüber, wie sie mit ihrer Zeit umgehen – vorausgesetzt natürlich, der Arbeitgeber gibt seinen Mitarbeitern die entsprechenden Freiheiten in der Tagesplanung. Das heißt zum Beispiel, dass man sich bei den Arbeitszeiten und der Planung konkreter Aufgaben stärker nach den eigenen produktiven Phasen richten kann. Man ist nicht gezwungen, morgens um 7 Uhr ans Werk zu gehen, wenn man zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal ansatzweise wach und konzentrationsfähig ist.

Eine größere Flexibilität bei der Arbeit kann sich positiv auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auswirken, zum Beispiel in Bezug auf die Kinderbetreuung oder den Haushalt. Und noch etwas kann aus Sicht von Arbeitnehmern für Work-Life-Blending sprechen: Wer gerne arbeitet und sich stark mit seinem Job identifiziert, empfindet die Nachteile, die mit dem Trend einhergehen können, womöglich nicht als Nachteile – zum Beispiel ständige Erreichbarkeit. Für Menschen, die gedanklich ohnehin stark beim Job sind, auch wenn sie gerade frei haben, können damit die Vorteile von Work-Life-Blending den Nachteilen überwiegen.

Risiken und Nachteile von Work-Life-Blending

Mehr Entscheidungsfreiheit, mehr Flexibilität – das klingt erstmal gut. Ist Work-Life-Blending also für Arbeitnehmer eine Bereicherung? Nicht unbedingt. Die Vermischung von Arbeit und Privatleben, gerade in Verbindung mit Unterbrechungen der Arbeitszeit für private Dinge im Homeoffice, kann dazu führen, dass man nach Feierabend kaum noch abschalten kann. Viele Beschäftigte sind dann quasi dauerhaft im Standby-Modus – schließlich kann jederzeit noch eine wichtige E-Mail reinkommen oder man kann angerufen werden.

Unter diesen Voraussetzungen ist echte Entspannung oft kaum noch möglich. Wenn die Erholung zu kurz kommt, kann das zu mehr Stress führen. Auf Dauer können sich psychische oder körperliche Probleme bemerkbar machen, die von Burnout über Depressionen bis hin zu Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen reichen können. Nicht zu wissen, wann man beruflich gefordert wird, kann außerdem für sich genommen ein Stressfaktor sein.

Mit Work-Life-Blending geht das Risiko einher, dass man mehr arbeitet als eigentlich vertraglich vereinbart wurde. Arbeitszeiten werden oft gar nicht oder nur unzureichend erfasst. Überstunden sind nicht nur eine Belastung und gehen zulasten der Freizeit, sie werden bei mangelnder Erfassung auch nicht bezahlt. Außerdem können gesetzliche Vorgaben wie die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen dadurch unterlaufen werden.

Wenn Work-Life-Blending mit unregelmäßigen Arbeitszeiten einhergeht, kann das dazu führen, dass man das Gefühl hat, permanent erreichbar sein zu müssen. Viele Arbeitnehmer fühlen sich unter Druck gesetzt, auch abseits ihrer eigentlichen Arbeitszeiten ans Telefon zu gehen oder E-Mails zu beantworten. Wenn sie das oft genug tun, erwartet es der Arbeitgeber wahrscheinlich auch irgendwann von ihnen – ein Teufelskreis.

Work-Life-Blending wird häufig mit einer besseren Vereinbarkeit von Beruflichem und Privatem in Verbindung gebracht. Es kann aber auch den gegenteiligen Effekt haben: Wer permanent erreichbar sein muss, kann private Dinge kaum verlässlich planen. Und wenn die Zeit mit der Familie durch einen Anruf vom Chef gestört wird – oder der Sorge, dass der Chef sich melden könnte –, können Betroffene diese Zeiten womöglich weniger genießen. Damit ist Work-Life-Blending in vielen Fällen ein größerer Vorteil für Arbeitgeber als für Arbeitnehmer.

Für wen sich Work-Life-Blending eignen kann

Ob sich das Modell Work-Life-Blending im Einzelfall eignet, hängt davon ab, welche Einstellung jemand zu seiner Arbeit hat. Es kommt auch darauf an, inwieweit er sich bewusst für die Vermischung von beruflichen und privaten Dingen entscheiden kann. Angenommen, ein Beschäftigter hat große Freude an seinem Job. Er widmet sich ganz freiwillig auch in der Freizeit seinem Job – was ihn nicht stört, weil ihm die Arbeit ja Spaß macht. In solchen Fällen ist Work-Life-Blending meist kein Problem. Es ist aber vorstellbar, dass Arbeitnehmer nicht realisieren, wie wichtig Phasen der Entspannung sind. Wer nie abschaltet, kann seine Gesundheit damit auch dann aufs Spiel setzen, wenn er sich freiwillig dafür entscheidet.

Typisch ist Work-Life-Blending für viele Selbstständige, die ihre Zeit ohnehin in der Regel frei einteilen können. Für sie ist es oft ganz normal, zwischenzeitlich etwas im Haushalt zu erledigen oder mit dem Hund vor die Tür zu gehen. Im besten Fall gibt es ein Arbeitszimmer, das man nach Feierabend verlassen kann. Wenn man nicht noch vom Sofa aus auf die Arbeit schaut, ist eine klarere Trennung in Zeiten, in denen man nicht arbeitet, eher möglich.

Weniger geeignet ist Work-Life-Blending hingegen für Menschen, die sich ohnehin im Job stark unter Druck gesetzt fühlen und die mehr arbeiten als es laut Arbeitsvertrag vorgesehen ist. Wenn der Arbeitgeber von solchen Beschäftigten erwartet, dass sie auch noch abends, am Wochenende oder in ihrem Urlaub erreichbar sind, kann das zu einem hohen Stresslevel mit entsprechenden gesundheitlichen Auswirkungen führen.

Wenn Sie nicht sicher sind, ob sich Work-Life-Blending für Sie eignen könnte, probieren Sie es am besten einfach mal aus, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben. Nur, wenn Sie die verschiedenen Vor- und Nachteile, die damit verbunden sein können, selbst erlebt haben, können Sie wirklich ein Urteil darüber fällen, ob das Modell für Sie infrage kommt.

Tipps für ein sinnvolles Work-Life-Blending

Ob Work-Life-Blending für Sie eher Vorteile oder Nachteile bringt, hängt davon ab, wie Sie es ausgestalten. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen, mögliche Nachteile abzumildern und das meiste aus der Vermischung von Privatleben und Beruf herauszuziehen.

Arbeitszeiten nach produktiven Phasen ausrichten

Wenn Sie bei Ihren Arbeitszeiten flexibel sind, sollten Sie diese nach ihren leistungsfähigen und weniger leistungsfähigen Phasen ausrichten. Brauchen Sie zum Beispiel morgens länger, um in Gang zu kommen, fangen Sie einfach später an. Oder Sie erledigen zuerst Organisatorisches, auf das Sie sich nicht voll konzentrieren müssen.

Arbeitszeiten erfassen

Work-Life-Blending birgt die Gefahr, dass Sie zu viel arbeiten – und das womöglich nicht einmal bemerken. Erfassen Sie deshalb Ihre Arbeitszeiten, besonders, wenn Sie zwischendurch viele Unterbrechungen haben. Achten Sie darauf, nicht zu viel zu arbeiten. Ständige Überstunden sind eine psychische und körperliche Belastung, außerdem sind Sie weniger leistungsfähig, wenn Sie sich nicht genügend erholen können.

Freiwillige Erreichbarkeit: ein zweischneidiges Schwert

Viele Arbeitnehmer sind auch nach Feierabend oder am Wochenende beruflich erreichbar – nicht selten sogar freiwillig. Damit sollten Sie jedoch vorsichtig sein, auch wenn Ihnen Ihr Job Spaß macht. Irgendwann wird Ihr Arbeitgeber erwarten, dass Sie immer verfügbar sind. Auch an Ihre Kollegen stellt der Arbeitgeber dann wahrscheinlich höhere Erwartungen – je mehr Mitarbeiter freiwillig immer erreichbar sind, desto schwieriger wird es für den Einzelnen, in der Freizeit nicht auf Anrufe oder E-Mails des Chefs zu reagieren. Wer freiwillig mehr tut, als er müsste, macht es damit auch den Kollegen schwer.

Ein Arbeitszimmer nutzen

Wenn Sie viel im Homeoffice arbeiten, sollten Sie sich dafür nach Möglichkeit ein Büro zuhause einrichten. Abends können Sie dann die Tür hinter sich schließen – und die Arbeit im besten Fall bis zum nächsten Morgen vergessen. Wenn Sie nicht alleine wohnen, besteht ohne Arbeitszimmer außerdem die Gefahr, dass Sie durch andere gestört werden.

Freizeit ohne schlechtes Gewissen

Work-Life-Blending sieht praktisch oft so aus, dass man mehr arbeitet, aber sich nicht auf der anderen Seite auch Zeiten im Ausgleich dafür freinimmt. Scheuen Sie sich nicht, zu bestimmten Zeiten private Dinge zu tun, egal, ob es Erledigungen sind oder Sie etwas Schönes machen möchten. Ihr Job ist nicht wichtiger als Ihr Privatleben, und Sie sind kein schlechter Mitarbeiter, wenn Sie das bei Ihrer Zeitplanung im Hinterkopf behalten.

Feste Arbeitszeiten etablieren

Haben Sie das Gefühl, dass Ihnen Work-Life-Blending mehr Nachteile als Vorteile bringt – zum Beispiel, weil sich Ihr Arbeitstag scheinbar endlos hinzieht, weil er immer wieder von privaten Dingen unterbrochen wird? Dann kann es eine gute Idee sein, auf flexible Arbeitszeiten bewusst zu verzichten. Wenn Sie sich Ihre Arbeitszeit selbst einteilen können, können Sie schließlich auch entscheiden, dass Sie jeden Tag von 9 bis 17 Uhr arbeiten. Daran halten Sie sich dann auch, wenn nicht mit dem Arbeitgeber eine andere Erreichbarkeit abgesprochen wurde.

BIldnachweis: Monkey Business Images / Shutterstock.com

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