Überstundenausgleich: Diese Regelungen gelten für Arbeitnehmer
Wer mehr arbeitet, als im Arbeitsvertrag vereinbart, hat einen Anspruch auf Überstundenausgleich. So jedenfalls die Regel. Doch nicht jede Stunde, die Beschäftigte länger in der Firma sind, gilt als Überstunde und muss daher nicht in jedem Fall bezahlt werden. Überstundenausgleich bedeutet auch nicht zwingend, dass es einen Zuschlag für die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit gibt.
Überstundenausgleich: Was bedeutet das überhaupt?
Überstundenausgleich bedeutet, dass der Arbeitgeber zu viel geleistete Arbeit in irgendeiner Form ausgleicht. In der Regel kommt dabei eine Auszahlung der Überstunden oder der Freizeitausgleich infrage. Klingt nach einer simplen Angelegenheit – die Realität sieht jedoch ein wenig komplizierter aus. So muss der Arbeitgeber zum Beispiel nicht zwingend jede Stunde zahlen, die der Beschäftigte länger in der Firma ist. Denn damit man von einer echten Überstunde reden kann, müssen einige Voraussetzungen vorliegen:
- Der Arbeitgeber hat Kenntnis von den Überstunden: Ihr Chef muss wissen, dass Sie länger im Büro sind, weil Sie noch einen dringenden Auftrag bearbeiten müssen oder einen anderen Grund dafür haben. Einfach auf eigene Faust Überstunden sammeln, obwohl es nicht nötig wäre und der Arbeitgeber nichts davon weiß, qualifiziert nicht für einen Überstundenausgleich. Einfach ein paar Überstunden machen, weil man im nächsten Monat ein oder zwei freie Tage möchte, geht also nicht, ohne einen triftigen Grund dafür zu haben. Wenn der Chef die Überstunden anordnet, sind die Beschäftigten jedoch auf der sicheren Seite und haben häufig einen Anspruch auf Überstundenausgleich.
- Der Verdienst liegt unter der Beitragsbemessungsgrenze: Angestellte, die einen beachtlichen Verdienst haben, können in der Regel nicht auf einen Überstundenausgleich hoffen. In Westdeutschland liegt die Grenze im Jahr 2021 (sowohl die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung als auch die Grenze für den Überstundenausgleich) bei 7.100 Euro monatlich. Im Osten von Deutschland dürfen Arbeitnehmer monatlich nicht mehr als 6.700 Euro verdienen.
Überstunden und Mehrarbeit: die Unterschiede
Die vertraglichen Regelungen geben an, wann man überhaupt von Überstunden sprechen kann. Denn Überstunden fallen dann an, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird. Für Arbeitnehmer bedeutet das, dass sie zunächst im Arbeits- oder Tarifvertrag nachschauen sollten, was dort vereinbart ist. Auch in Betriebsvereinbarungen können sich entsprechende Regelungen finden.
Häufig wenden Arbeitgeber einen Trick an. Wer sich seinen Arbeitsvertrag genau anschaut, wird dort vielleicht eine Formulierung finden, die eine Hürde auf dem Weg zum Überstundenausgleich darstellt. Gemeint ist folgender Satz (oder eine Variation davon):
„Mit dem Arbeitsentgelt sind wöchentlich 5 Überstunden abgegolten.“
Beschäftigte, die den Arbeitsvertrag unterschrieben haben, haben diese Klausel mit ihrer Unterschrift akzeptiert und müssen sich damit in ihr Schicksal fügen: Für bis zu fünf zusätzliche Stunden Arbeit pro Woche gibt es kein zusätzliches Gehalt.
Glücklicherweise greift auch hier die altbekannte Weisheit, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt: Ist das Gehalt oder der Lohn des Beschäftigten schon ohne Überstunden relativ gering, darf der Chef nicht zusätzlich verlangen, dass dieser unentgeltlich mehr arbeitet. Der Mindestlohn muss grundsätzlich eingehalten werden.
Noch dazu ist es nicht möglich, dass grundsätzlich alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Im Arbeitsvertrag muss immer eine genaue und angemessene Überstundenzahl angegeben werden, die im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes liegt. Beschäftigte, die gegen derartige Regelungen vorgehen möchte, haben vor einem Arbeitsgericht häufig ganz gute Chancen.
Im Gegensatz dazu ist Mehrarbeit zusätzliche Arbeit, die über das hinausgeht, was im Arbeitszeitgesetz geregelt ist. Überstunden beziehen sich also auf die individuelle Arbeitszeit, während Mehrarbeit ein Begriff ist, der sich eher auf allgemeine Regeln bezieht. Für Mehrarbeit erhalten Beschäftigte häufig einen Zuschlag. Bei Überstunden muss das nicht zwingend der Fall sein.
Überstundenausgleich: die gesetzliche Grundlage
Der Gesetzgeber erlaubt, die tägliche Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden zu verlängern. Und das sogar an bis zu sechs Werktagen pro Woche. Arbeitet der Beschäftigte mehr als im Arbeitsvertrag vorgesehen, muss der Arbeitgeber jedoch darauf achten, dass diese Überstunden ausgeglichen werden, also ein Überstundenausgleich stattfindet. In der Regel hat er sechs Monate Zeit, die Überstunden auszugleichen, so dass der Beschäftigte auf durchschnittlich acht Stunden pro Werktag kommt.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten des Überstundenausgleichs:
- Überstundenausgleich durch Freizeit, der sogenannte Freizeitausgleich
- Überstundenausgleich durch Bezahlung
Wer darüber entscheiden darf, in welcher Form die Überstunden ausgeglichen werden, ist ebenfalls in einem Vertrag geregelt. Einige Tarifverträge gestehen zum Beispiel den Beschäftigten zu, zwischen Überstundenausgleich durch Freizeit und Überstundenausgleich durch Bezahlung zu wählen. In anderen Branchen oder Unternehmen gibt es diese Wahlmöglichkeit nicht. Hier entscheidet der Arbeitgeber darüber, wie die Überstunden ausgeglichen werden.
Die beiden Varianten des Überstundenausgleichs im Überblick:
- Freizeitausgleich: Beim Überstundenausgleich durch Freizeit können die Beschäftigten ihre Überstunden gegen Freizeit eintauschen. Wenn es beim Arbeitgeber ein Gleitzeitkonto gibt, wird diese Variante gerne angewendet. Mitarbeiter entscheiden dann häufig selbstständig, wann sie ihre Überstunden abfeiern und einen oder einen halben Tag Urlaub machen. Es schadet natürlich nicht, den geplanten freien Tag mit den Kollegen oder Vorgesetzten abzusprechen. So ist sichergestellt, dass ein anderer Mitarbeiter die Vertretung übernehmen kann. Wie der Freizeitausgleich konkret geregelt wird und wer darüber vorab informiert werden sollte, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Klären Sie das am besten ab, bevor Sie auf eigene Faust zuhause bleiben.
- Ausbezahlung: Eine andere Option ist es, sich die Überstunden auszahlen zu lassen. Arbeitnehmer, die im Monat zum Beispiel 20 Überstunden gemacht haben, können sich diese mit dem Gehalt auszahlen lassen. Dabei wird der regelmäßige Stundenlohn mit 20 multipliziert. Vorausgesetzt es gibt keine Vereinbarungen darüber, dass es für Überstunden einen Zuschlag gibt.
Lohnt es sich, Überstunden auszahlen zu lassen?
Wann es sich eher lohnt, die Überstunden auszahlen zu lassen, hängt von der jeweiligen Situation des Arbeitnehmers ab. Wenn es für Überstunden auch noch Zuschläge gibt, kann es passieren, dass Beschäftigte in eine andere Steuerklasse rutschen. Denn anders als die Zuschläge, die es für Nacht- oder Sonntagsarbeit gibt, ist der Überstundenzuschlag nicht von den Sozialversicherungsbeiträgen befreit oder gar steuerfrei. Das zu versteuernde Einkommen erhöht sich und damit auch die Grundlage für die Steuerzahlungen.
Natürlich trifft dies nicht auf jeden Arbeitnehmer zu. Denkbar ist auch, dass das Einkommen weiterhin in der gewohnten Steuerklasse versteuert wird. Im Endeffekt haben Beschäftigte damit am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto. Gerade wenn größere Anschaffungen anstehen, kann diese Variante daher äußerst verlockend sein.
Das gilt beim Überstundenausgleich nach einer Kündigung
In der Regel können Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht mehr frei entscheiden, was mit den Überstunden passieren soll. Der Gesetzgeber hat im Falle einer Kündigung vorgesehen, dass die Überstunden nicht durch einen Freizeitausgleich abgegolten werden dürfen. In diesem Fall müssen die Überstunden ausbezahlt werden. So jedenfalls die Regel. Es ist möglich, dass gewisse Vereinbarungen Ausnahmen von dieser Regel erlauben. Sollten Sie dazu konkrete Frage haben, wenden Sie sich am besten an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Überstundenausgleich und Krankheit: Freizeitausgleich ist nicht gleich Urlaub!
Noch ein wichtiger Tipp zum Abschluss für Arbeitnehmer, die einen Freizeitausgleich für ihre Überstunden vereinbart haben: Wenn Sie krank werden, während Sie Ihre Überstunden zuhause abfeiern, haben Sie keinen Anspruch auf eine Erstattung der Überstunden. Das ist ein Unterschied zum Urlaubsanspruch und hängt damit zusammen, was mit der jeweiligen Maßnahme erreicht werden soll.
Urlaub ist nämlich dazu da, dass sich die Beschäftigten erholen (daher heißt er auch Erholungsurlaub) und ihre Arbeitskraft wiederherstellen. Der Arbeitgeber zahlt daher Urlaubsentgelt, damit die Arbeitnehmer sich im Urlaub keine Sorgen um ihre Finanzen machen müssen und sich entspannen können. Werden Arbeitnehmer in ihrem Urlaub krank, können sie sich ihren Erholungsurlaub erstatten lassen. Dazu müssen sie eine gültige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei ihrem Arbeitgeber einreichen.
Der Freizeitausgleich erfüllt diese Funktion nicht. Jedenfalls rein rechtlich nicht. Beschäftigte haben also keinen Anspruch darauf, sich den Freizeitausgleich bei Krankheit erstatten zu lassen.
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