Leidensgerechter Arbeitsplatz: Arbeiten trotz Krankheit oder Behinderung
Manche Arbeitnehmer sind gesundheitlich eingeschränkt oder leben mit einer Behinderung. In solchen Fällen kann ein leidensgerechter Arbeitsplatz sinnvoll sein. Der Arbeitsplatz wird dann an die speziellen Bedürfnisse der Beschäftigten angepasst, um sie im Job zu unterstützen. Welche Möglichkeiten es dabei gibt und ob ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz besteht, erfahren Sie hier.

Leidensgerechter Arbeitsplatz: Definition
Durch gesundheitliche Einschränkungen kann es sein, dass Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht mehr so ausüben können, wie es eigentlich mit dem Arbeitgeber vereinbart ist. Passt der Job nicht mehr zum Beschäftigten, hat das häufig längere oder wiederholte Ausfälle zur Folge. Das ist für beide Seiten – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – keine erstrebenswerte Situation.
Eine Lösung kann ein leidensgerechter Arbeitsplatz sein. Dabei handelt es sich um einen alternativen oder angepassten Arbeitsplatz, der zu den Bedürfnissen der gesundheitlich eingeschränkten Person passt. Durch entsprechende Veränderungen wird der Betroffene in die Lage versetzt, seine oder andere Aufgaben im gewünschten Umfang auszuüben. Zugleich fördert eine solche Beschäftigung die Gesundheit der Beschäftigten.
Abhängig davon, aus welchem Grund jemand seine ursprünglichen Aufgaben nicht oder nicht wie gewohnt ausüben kann, kann es sich bei einem leidensgerechten Arbeitsplatz um einen behindertengerechten Arbeitsplatz handeln. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist aber nicht rein auf Menschen mit einer Behinderung zugeschnitten, sondern so ausgestaltet, wie es im Einzelfall sinnvoll ist.
Wann ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz nötig?
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann sinnvoll oder erforderlich sein, wenn Beschäftigte durch gesundheitliche Einschränkungen auch im Job eingeschränkt sind. Je nach Art der Erkrankung oder Behinderung gibt es oft Dinge, die am Arbeitsplatz verbessert werden könnten, um die Erwerbsfähigkeit zu fördern.
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann zum Beispiel hilfreich sein, wenn jemand unter einer chronischen Erkrankung leidet. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer, die nach einer längeren Krankheit in den Job zurückkehren und noch nicht wieder voll belastbar sind. Auch nach einem Unfall können Anpassungen am Arbeitsplatz erforderlich sein, damit jemand seiner Arbeit wie vorgesehen nachgehen kann.
Bei einer Schwerbehinderung ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz ebenso förderlich. Nicht nur der Arbeitsplatz an sich kann dann angepasst werden, und zwar – wenn nötig – auch baulich. Es können auch andere Tätigkeiten zugewiesen werden. Oder die Arbeitszeiten werden so verändert, dass es zu den Bedürfnissen der Arbeitskräfte passen.
Gesetzliche Rahmenbedingungen einer leidensgerechten Beschäftigung
Den gesetzlichen Rahmen von leidensgerechten Arbeitsplätzen bilden verschiedene Gesetze und Regelungen. Dazu gehören das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Arbeitsstättenverordnung und das Behindertengleichstellungsgesetz.
Wenn Beschäftigte gesundheitlich oder körperlich eingeschränkt sind, kann ein Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz bestehen. In vielen Fällen kann ein veränderter Arbeitsplatz den Betroffenen dabei helfen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eigentlich entscheidet zwar der Arbeitgeber, was jemand konkret in seinem Job macht und wie sein Arbeitsplatz aussieht. Der Arbeitgeber hat jedoch auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Das kann im Einzelfall bedeuten, dass ein leidensgerechter Arbeitsplatz bereitgestellt werden muss oder sollte.
Einen Anspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz haben insbesondere Menschen mit Schwerbehinderung. Nach der aktuellen Rechtsprechung kann sich ein solcher Anspruch auch für Beschäftigte ergeben, die keine schwere Behinderung haben, aber gesundheitlich so beeinträchtigt sind, dass sie ihren Job nicht mehr wie vorgesehen ausüben können. Die Voraussetzung hierfür ist, dass die Tätigkeit im Arbeitsvertrag beschrieben wird.
Wozu sind Arbeitgeber verpflichtet?
Arbeitgeber sind nicht dazu verpflichtet, einen leidensgerechten Arbeitsplatz neu zu schaffen. Das heißt praktisch: Es muss ein leidensgerechter Arbeitsplatz bei einer Schwerbehinderung oder gesundheitlichen Problemen frei sein, damit ein Anspruch darauf besteht. Alternativ kann der vorhandene Arbeitsplatz entsprechend angepasst werden, wenn das ausreichend ist. Der Arbeitgeber muss keinem anderen Mitarbeiter kündigen, damit dessen Arbeitsplatz als leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Arbeitnehmer, die sich einen leidensgerechten Arbeitsplatz wünschen, sollten mit ihrem Arbeitgeber darüber sprechen. Das kann im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) geschehen. Es ist sinnvoll, wenn auch ein möglicher Betriebsarzt, die Betriebsvertretung, der Integrationsfachdienst und gegebenenfalls die Schwerbehindertenvertretung dabei sind.
Ist es rechtens, wenn ein leidensgerechter Arbeitsplatz weniger Gehalt bedeutet? Nein, solange der Beschäftigte weiterhin die vertraglich vereinbarte Tätigkeit ausübt, darf der Arbeitgeber sein Gehalt nicht kürzen – auch nicht, nachdem der Arbeitsplatz angepasst wurde. Sollte ein Betroffener aber zum Beispiel weniger arbeiten oder dauerhaft Aufgaben erledigen, die geringer vergütet werden, sind Ausnahmen denkbar. Gehaltskürzungen müssen jedoch grundsätzlich individuell geregelt werden.
Vorteile des leidensgerechten Arbeitsplatzes
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann sowohl für gesundheitlich eingeschränkte Beschäftigte als auch für Arbeitgeber Vorteile bieten. Zu den wichtigsten Aspekten gehören diese Punkte:
- Es ist für betroffene Arbeitnehmer leichter, ihrer Arbeit nachzugehen. Sie können nicht nur mehr leisten, sondern die Arbeit wird auch einfacher und steht eher im Einklang mit ihren körperlichen (und gegebenenfalls psychischen) Bedürfnissen.
- Ein leidensgerechter Arbeitsplatz kann ein Mittel sein, eine Kündigung zu umgehen.
- Arbeitgeber, die leidensgerechte Arbeitsplätze bieten, kommen damit in vielen Fällen ihren gesetzlichen Pflichten nach.
- Arbeitnehmer fühlen sich wertgeschätzt, wenn ihnen der Arbeitgeber entgegenkommt, indem er ihnen einen anderen Job anbietet oder die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit verändert. Das trägt zu ihrer Zufriedenheit bei.
- Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit ist die Grundlage für eine engagierte, produktive Mitarbeit.
- Die Bereitstellung von leidensgerechten Arbeitsplätzen kann sich auch positiv auf das Betriebsklima auswirken.
Möglichkeiten bei der Gestaltung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes
Wie ein leidensgerechter Arbeitsplatz konkret aussehen kann, hängt davon ab, wodurch jemand eingeschränkt ist. Hier finden Sie für die Möglichkeiten bei der Gestaltung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes Beispiele. Manchmal bedarf es mehrerer Anpassungen, in anderen Fällen reicht eine einzige Veränderung aus, um einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen.
Veränderte Aufgaben
Wenn jemand körperlich oder gesundheitlich eingeschränkt ist, kann er womöglich bestimmte Aufgaben nicht mehr wie vereinbart erledigen. Dann kann es hilfreich sein, wenn seine Aufgaben so verändert werden, dass er sie bewältigen kann. Das kann, muss aber nicht heißen, dass jemand leichtere Aufgaben übernimmt. Zugleich sollten Tätigkeiten vermieden werden, die die Beschwerden verschlimmern könnten.
Andere Arbeitszeiten
Es kann auch eine Hilfe sein, wenn die Arbeitszeiten angepasst oder flexibler gestaltet werden. Gleitzeitregelungen können Betroffenen entgegenkommen. In manchen Fällen ist es sinnvoll, die Arbeitszeit vorübergehend oder dauerhaft zu reduzieren.
Veränderungen des Arbeitsplatzes
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz stellt Anforderungen an die ergonomische Gestaltung. Andere Büromöbel können Beschwerden verringern und die Erwerbsfähigkeit verbessern. Vielleicht hilft ein höhenverstellbarer Schreibtisch oder ein besserer Bürostuhl. Vielleicht braucht es auch einen anderen Bildschirm oder eine spezielle Tastatur. Auch Beleuchtung und Akustik können eine Rolle spielen.
Bauliche Veränderungen
Manchmal reicht es nicht, den Arbeitsplatz durch geringfügige Maßnahmen wie andere Möbel oder eine bessere Beleuchtung zu verändern. Mitunter sind größere bauliche Maßnahmen nötig oder sinnvoll. Für Menschen im Rollstuhl sind zum Beispiel Rampen oder automatische Türen hilfreich. Auch Pausenräume und Sanitärbereiche müssen gegebenenfalls angepasst werden.
Technische Hilfsmittel
Auch technische Hilfsmittel können gesundheitlich eingeschränkten Menschen die Arbeit erleichtern. Je nach Art der Einschränkung kann sich zum Beispiel eine Sprachsteuerung anbieten, Braille-Tastaturen oder Lupen für den Bildschirm.
Mögliche Herausforderungen bei leidensgerechten Arbeitsplätzen
Rund um eine leidensgerechte Beschäftigung können sich verschiedene Herausforderungen ergeben – sowohl für den Arbeitgeber, der die nötigen Veränderungen auf den Weg bringen möchte, als auch für betroffene Arbeitnehmer.
Durch die Bereitstellung von leidensgerechten Arbeitsplätzen entstehen Unternehmen Kosten. Das ist oft nicht zu vermeiden. Um die Kosten so gering wie möglich zu halten, ist es wichtig, dass die Anpassung wirklich zielführend ist. Eine enge Absprache mit dem betroffenen Mitarbeiter ist dafür essenziell – seine Bedürfnisse müssen schließlich erfüllt werden.
Die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes kann auch einen gewissen organisatorischen Aufwand mit sich bringen. Die nötigen Anpassungen müssen geplant und umgesetzt werden. Es können Schulungen erforderlich sein, vielleicht müssen Dienstpläne verändert werden, möglicherweise ist eine umfangreiche Dokumentation nötig. Zugleich ist es wichtig, dass der betroffene Mitarbeiter kontinuierlich begleitet wird. Es muss immer wieder geschaut werden, ob weitere Anpassungen erforderlich sind.
Kein leidensgerechter Arbeitsplatz: Abfindung für Beschäftigte denkbar
Es kann sein, dass andere Mitarbeiter kein Verständnis für die nötigen Maßnahmen haben. Sie können das Gefühl haben, dass der Arbeitgeber die Betroffenen bevorzugt. Andere Mitarbeiter können bestimmte Anpassungen auch als ungerecht empfinden. Zum Beispiel, dass eine Kollegin ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten darf als sie. Oder dass die Aufgaben eines Kollegen leichter sind als ihre, obwohl er dasselbe Gehalt bekommt. Besonders, wenn Kollegen zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen, kann das zu Spannungen im Team sowie zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten führen.
Manchmal ist es für Arbeitgeber schwer oder nicht möglich, einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen. In solchen Fällen kann es zu einer personenbedingten Kündigung kommen. Das birgt das Risiko, dass der gekündigte Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhebt. Im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung könnte er eine Abfindung aushandeln.
Leidensgerechter Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst: Besonderheiten
Im öffentlichen Dienst gelten dieselben Regelungen wie in der freien Wirtschaft für leidensgerechte Arbeitsplätze. Zugleich kommen weitere Vorgaben hinzu – durch Tarifverträge und Gesetze.
Relevant sind insbesondere der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und der Tarifvertrag der Länder (TV-L). Durch sie sind Arbeitgeber im öffentlichen Dienst dazu verpflichtet, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Mitarbeiter mit einer Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen einzugliedern und zu unterstützen. Wenn ein Arbeitsplatz angepasst wird, ändert sich in der Regel nichts an der Entgeltgruppe und Stufe von Beschäftigten. Der leidensgerechte Arbeitsplatz hat keine Herabgruppierung zur Folge.
Für öffentliche Arbeitgeber gelten besondere Regelungen bei der Beschäftigung von Menschen mit einer Schwerbehinderung. Sie sind nach dem Behindertengleichstellungsgesetz etwa in besonderem Maße dazu verpflichtet, für Barrierefreiheit zu sorgen. Außerdem müssen mindestens fünf Prozent der Beschäftigten schwerbehindert sein.
Um die nötigen Anpassungen von Arbeitsplätzen für eine leidensgerechte Beschäftigung umzusetzen, können Behörden Mittel von Integrationsämtern oder Reha-Trägern beantragen.
Prävention: Was Arbeitgeber tun können, damit leidensgerechte Arbeitsplätze nicht erforderlich werden
Ein leidensgerechter Arbeitsplatz ist für Menschen mit gesundheitlichen oder körperlichen Einschränkungen wichtig, aber er ist auch teuer und bringt einigen organisatorischen Aufwand mit sich. Es lohnt sich daher, auf Prävention zu setzen: Wenn Arbeitgeber die Gesundheit ihrer Mitarbeiter fördern und ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten, sind Veränderungen im Job und beim Arbeitsplatz oft nicht nötig.
In körperlicher Hinsicht lohnen sich ergonomische Möbel. Das kann den Bürostuhl und den Schreibtisch betreffen, aber auch Bildschirme, Tastaturen und Mäuse. Werkzeuge und Maschinen sollten möglichst schonend zu bedienen sein. Es ist außerdem hilfreich, wenn sich die Mitarbeiter im Arbeitsalltag häufig bewegen. Hierbei helfen etwa höhenverstellbare Schreibtische, aber auch die Ermunterung durch Vorgesetzte zu häufigen Pausen.
Bei der Prävention von leidensgerechten Beschäftigungen spielt das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) eine wichtige Rolle. Es kann Schulungen der Mitarbeiter umfassen, aber auch Kurse, Programme und andere Angebote zur Gesundheitsförderung.
Zufriedene Mitarbeiter werden seltener krank
In vielen Jobs können sich durch monotone Tätigkeiten und Haltungen nicht nur körperliche Probleme ergeben. Auch die psychische Belastung ist oft hoch, wenn Beschäftigte zum Beispiel ständig im Stress sind. Dafür sind nicht nur Angebote zur Entspannung und Stressbewältigung nützlich. Es ist auch wichtig, dass die Arbeitsbelastung nicht zu hoch ist. Das können Arbeitgeber durch die Zuteilung von Aufgaben und ihre Erwartungen beeinflussen. Auch das Arbeitsklima wirkt sich aus. Ist die Stimmung schlecht oder das Miteinander von geringem Respekt geprägt, kann das den Stress der Beschäftigten erhöhen.
Je zufriedener die Beschäftigten im Job sind, desto weniger anfällig sind sie für viele Erkrankungen. In diesem Sinne kann es auch helfen, wenn die Möglichkeit besteht, im Homeoffice zu arbeiten. Oder wenn es flexible Arbeitszeiten gibt, die der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zugutekommen.
Nicht zuletzt sind Führungskräfte gefragt, das Wohlergehen der Mitarbeiter im Blick zu behalten. So können Probleme frühzeitig erkannt werden. Das wiederum ermöglicht es Arbeitgebern, einzugreifen und Beschäftigten ihre Unterstützung anzubieten, noch bevor eine ernsthafte Erkrankung entstanden ist. Auch regelmäßige Check-ups sind hierzu ein hilfreiches Mittel.
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