Arbeiten mit ADHS kann bestimmte Schwierigkeiten mit sich bringen. Dabei kann mit der richtigen Herangehensweise fast jeder Job für Menschen mit ADHS geeignet sein. Gefragt ist nicht nur eine passende Strategie seitens der Beschäftigten, sondern auch ein Entgegenkommen von Arbeitgebern. Hier finden Sie Tipps, um ADHS im Job besser zu verstehen, Herausforderungen konstruktiv zu begegnen und die besonderen Stärken der Betroffenen effektiv zu nutzen.

ADHS in der Arbeitswelt: Zwischen Herausforderungen und einzigartigen Stärken
ADHS – kurz für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung – wird noch immer vielfach mit dem Bild des „Zappelphilipps“ assoziiert. Anders gesagt: mit Menschen, die nicht stillsitzen können, unruhig sind und auch bei anderen für Unruhe sorgen. Im Erwachsenenalter kann sich ADHS jedoch ganz anders manifestieren. Schätzungen zufolge sind rund zwei bis drei Prozent der Erwachsenen von der Störung betroffen – häufig, ohne es zu wissen.
Die Symptome von ADHS im Erwachsenenalter entsprechen denen von ADHS in der Kindheit. Dazu zählen Konzentrationsschwierigkeiten, Impulsivität und Unruhe. Dabei äußert sich ADHS im Arbeitsleben oft subtiler: Die Betroffenen haben dann etwa Probleme damit, Aufgaben strukturiert anzugehen, Fristen einzuhalten oder sich in Aufgaben zu vertiefen, die sie langweilen.
Wenn Menschen mit ADHS im Büro arbeiten oder in einem Betrieb tätig sind, kann das schnell für falsche Schlüsse sorgen. So kann es als respektlos aufgefasst werden, wenn sie mit ihrer Aufmerksamkeit schnell woanders sind. Spontan geäußerte Ideen hinterlassen schnell einen fahrigen, chaotischen Eindruck. Und emotionale Reaktionen wirken leicht wenig seriös. Dabei handelt es sich keinesfalls um Charakterschwächen, sondern um Symptome einer Störung.
Zugleich bringt ADHS im Job auch Vorteile mit sich. Dazu zählen etwa Flexibilität, Kreativität und eine hohe Motivation. Damit Betroffene diese Stärken einsetzen können, braucht es jedoch das richtige Arbeitsumfeld. Entscheidend ist außerdem die Entstigmatisierung von ADHS im Erwachsenenalter. ADHS sollte nicht als reiner Makel gesehen werden, sondern als individuelles Merkmal, das sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt.
Typische Herausforderungen für Menschen mit ADHS bei der Arbeit
ADHS kann im Job Probleme machen. Die neurobiologischen Besonderheiten, die mit der Störung einhergehen, können den Job zu einem Balanceakt machen. Die Betroffenen haben zum Beispiel häufig Probleme, sich zu organisieren. Es fällt ihnen schwer, Prioritäten zu setzen, To-do-Listen abzuarbeiten oder bei komplexen Projekten den Überblick zu behalten.
Oft mangelt es ihnen an einem guten Zeitmanagement, was dazu führt, dass das Einhalten von Fristen schwierig sein kann. Die Betroffenen sind dann in letzter Minute hektisch damit beschäftigt, noch rechtzeitig fertig zu werden. Eine typische Auswirkung von AHDS auf die Arbeit besteht zudem darin, dass es für die Betroffenen schwer ist, sich in ihre Aufgaben zu vertiefen. Das gilt besonders für Tätigkeiten, die als monoton, wenig fordernd oder schlicht irrelevant empfunden werden.
Wenn die Arbeit bei jeder Ablenkung unterbrochen wird
Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten damit, Umgebungsreize herauszufiltern. Das wird in modernen Open-Space-Büros zum Problem, wo es ständig wuselig und oft auch laut zugeht. E-Mails, die die Arbeit immer wieder unterbrechen, spontane Fragen von Kollegen oder eingehende Telefonate reißen die Betroffenen immer wieder aus der Arbeit heraus.
Die neurobiologischen Besonderheiten der Funktionsweise des Gehirns sorgen dafür, dass es den Betroffenen schwerer fällt, Wichtiges klar von Unwichtigem zu trennen. Die Folge: Für jede Ablenkung wird die Arbeit unterbrochen, alles dauert länger und wird als anstrengender empfunden.
Auch Impulskontrolle ist für Menschen mit ADHS eine Herausforderung. Sie neigen zu unüberlegten, vorschnellen Reaktionen, ob im Meeting oder bei eingehenden E-Mails. Auch ihre Entscheidungen können übereilt ausfallen. Diese Impulsivität, die bei manchen Tätigkeiten durchaus ein Vorteil sein kann, kann dazu führen, dass betroffene Beschäftigte Probleme haben, sich in die Strukturen ihres Arbeitsplatzes einzufügen.
Stärken und Potenzial, die mit ADHS im Job einhergehen können
Obwohl ADHS im Job für Probleme sorgen kann, bringt ADHS im Arbeitsleben auch seine ganz eigenen Vorteile und Potenziale mit sich. Die Stärken, die sich daraus ergeben können, können Beschäftigte mit ADHS von anderen abheben. Ein Aspekt ist die Kreativität, die Betroffenen beim Arbeiten mit ADHS oft leichtfällt. Viele Beschäftigte denken innovativ und unkonventionell; sie erkennen Zusammenhänge und blicken über den Tellerrand hinaus. Die Fähigkeit, neue Perspektiven einzunehmen, kann Arbeitskräfte mit ADHS zu wertvollen Mitarbeitern machen, die ihr Team mit ihren Ideen bereichern.
Ein wichtiges positives Merkmal, das ADHS mit sich bringen kann, ist die Fähigkeit der Betroffenen zum Hyperfokus: In spannende Themen und Aufgaben können sich Betroffene stundenlang vertiefen. Oft so sehr, dass sie scheinbar mühelos alles andere ausblenden. Dabei sind Beschäftigte häufig sehr effizient, konzentriert und produktiv. Die Qualität der Arbeit profitiert davon. Gleichzeitig ist das Energielevel von Arbeitskräften häufig hoch, was besonders in stressigen Zeiten, bei einem hohen Arbeitspensum oder der Zusammenarbeit im Team hilfreich ist.
Darüber hinaus sind Menschen mit ADHS oft besonders empathisch und sensibel. Durch Anpassungsfähigkeit und Flexibilität fällt es ihnen häufig leicht, sich in neue Umstände einzufügen und auf veränderte Anforderungen einzustellen. Das ist wichtig für effektives Arbeiten mit ADHS, da es ihnen ermöglicht, in dynamischen Teams eine zentrale Rolle einzunehmen. Beschäftigte können konstruktiv mit Veränderungen umgehen und ihre Stärken gezielt einbringen, statt sich von Herausforderungen entmutigen zu lassen.
Erfolgreich mit ADHS im Job: Tipps & Strategien
ADHS ist im Job nicht per se ein Nachteil oder Vorteil. Entscheidend ist, die eigenen einzigartigen Merkmale so zu kombinieren, dass sie zu einer persönlichen Stärke werden. Hierbei helfen individuelle Strategien, zum Beispiel für ein gutes Selbstmanagement und zur effektiven Kommunikation mit anderen.
Kann man mit ADHS in Vollzeit arbeiten? Grundsätzlich ja – in manchen Situationen kann es aber sinnvoll sein, auf Teilzeit zu reduzieren, wenn die finanziellen Umstände das zulassen. Herausforderungen im Job werden dann oft als weniger stressig empfunden.
Strukturiert Arbeiten mit ADHS ist manchmal nicht so einfach. Umso wichtiger ist es, sich selbst gut zu organisieren und klare Strukturen zu schaffen, an denen man sich im Arbeitsalltag orientieren kann. Dazu können sich To-do-Listen ebenso anbieten wie die Visualisierung von Aufgaben und Projekten oder auch Prioritätenlisten. Solche Hilfsmittel sind praktisch, weil sie Beschäftigten dabei helfen, den Überblick zu behalten – und keine Deadlines aus dem Blick zu verlieren.
Wichtig für das produktive Arbeiten mit ADHS sind zudem ausreichend Pausen und häufige kurze Unterbrechungen: Dadurch fällt einem der Fokus leichter, außerdem wirkt es Stress entgegen. Sorgen Sie also dafür, dass Sie die Arbeit oft genug pausieren und diese Zeit möglichst sinnvoll nutzen. Zum Beispiel für Dehnübungen, Atemübungen oder einen kurzen Spaziergang.
Offen über ADHS am Arbeitsplatz sprechen – ja oder nein?
Größere Projekte können sich nach einer übermäßigen Herausforderung anfühlen. Hier hilft es, die Aufgaben in überschaubare Schritte zu unterteilen. Das macht es leichter, die entsprechenden Tätigkeiten anzugehen, und es reduziert die mentale Belastung, die damit häufig verbunden ist. Zugleich wird Prokrastination unwahrscheinlicher, wenn der erste Schritt klar und schnell erledigt ist.
Zentral ist darüber hinaus die Kommunikation, zum Beispiel mit Vorgesetzten, Kollegen und Kunden. Gerade intern kann eine gewisse Offenheit hinsichtlich der eigenen Bedürfnisse hilfreich sein. Sich mitzuteilen, kann Verständnis und Unterstützung fördern. Insofern ist es sinnvoll, bei ADHS den Arbeitgeber zu informieren.
Scheuen Sie sich nicht, um das zu bitten, was Sie brauchen. Das können etwa flexible Arbeitszeiten sein, klar strukturierte Aufgaben oder transparente Absprachen mit Vorgesetzten. Hierbei ist Fingerspitzengefühl gefragt, um weder zu offen noch zu verschlossen zu sein: Nicht jede Information kann und sollte mit anderen geteilt werden. Das richtige Maß zu finden, erleichtert die Arbeit jedoch häufig ungemein.
Sinnvolle Strategien für ein effektives Arbeiten mit ADHS können auch die Nutzung von digitalen Tools wie Erinnerungen und Timern umfassen. Auch Entspannungstechniken sind häufig sehr förderlich, um Stress zu verringern und mental klarer zu sein. Entscheidend ist, individuelle Herangehensweisen zu entwickeln, die möglichen Problemen durch ADHS vorbeugen und dafür sorgen, dass die eigenen Stärken gezielt in den Job eingebracht werden.
Was Arbeitgeber tun können, damit Beschäftigte mit ADHS ihr Potenzial entfalten
Es liegt nicht nur in der Hand von Arbeitnehmern, ob sie ihr Potenzial im Job mit ADHS entfalten können. Es kommt auch auf das Arbeitsumfeld an – und das gestaltet weitgehend der Arbeitgeber. Mit der richtigen Unterstützung stehen die Vorzeichen für produktives Arbeiten trotz ADHS gut.
Ein wichtiger Aspekt ist die Gestaltung des Arbeitsplatzes an sich. Er sollte möglichst ruhig und reizarm sein. Großraumbüros, auch moderne Open-Space-Offices, sind für Beschäftigte mit ADHS oft keine gute Lösung, weil sie zu viele Ablenkungen mit sich bringen. Wenn ein kleineres Büro nicht möglich ist, sollte es zumindest Ruhezonen geben. Auch Verhaltensregeln, etwa für Gespräche und Telefonate, können hilfreich sein – nicht nur für Mitarbeiter mit ADHS. Es ist grundsätzlich förderlich, wenn sich Beschäftigte flexibel zurückziehen können, wenn es ihnen in ihrer Umgebung zu viel wird.
Flexibilität und Offenheit
Um Menschen mit ADHS die Arbeit zu erleichtern, bieten sich auch flexible Arbeitszeiten an. Betroffene Beschäftigte haben oft bestimmte Zeiten, zu denen sie besonders leistungsfähig und konzentriert sind. Wenn Mitarbeiter in einem gewissen Rahmen selbst festlegen können, wann sie ihren Aufgaben nachgehen, sind sie häufig produktiver. Wenn Arbeitgeber den individuellen Rhythmus von Arbeitskräften respektieren, arbeiten diese häufig motivierter und effizienter.
Auch die Aufgabenverteilung ist ein wichtiger Aspekt. Klare Absprachen, Zielvereinbarungen und konstruktives Feedback geben Mitarbeitern die nötige Orientierung und helfen ihnen dabei, Prioritäten zu setzen. Missverständnisse werden unwahrscheinlicher – und damit auch Frust und schlechte Stimmung auf beiden Seiten.
Eine offene, wertschätzende Unternehmenskultur ist ebenso förderlich für Beschäftigte mit ADHS. Wenn Führungskräfte Verständnis für die Entwicklungsstörung zeigen, fühlen sich Betroffene eher wertgeschätzt und trauen sich, sich so zu zeigen, wie sie sind. Arbeitgeber, die auf Diversität setzen und Raum für unterschiedliche Persönlichkeiten und Arbeitsstile lassen, fördern die Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeiter und können die Innovationskraft von Teams positiv beeinflussen.
ADHS: Arbeitsrechtliche Regelungen & Anlaufstellen
Wie andere Beschäftigte sind auch Menschen mit ADHS durch das Arbeitsrecht im Job geschützt. Ein wichtiger Aspekt ist das Diskriminierungsverbot, wie es sich insbesondere aus den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergibt. Niemand darf wegen persönlicher Merkmale benachteiligt werden. Dazu zählen auch psychische und neurologische Beeinträchtigungen. Es wäre also nicht erlaubt, wenn Mitarbeiter mit ADHS systematisch schlechter gestellt wären als Kollegen ohne die neurologische Störung.
Für Menschen mit ADHS kann ein Nachteilsausgleich eine Option sein. Es gibt verschiedene Varianten des Nachteilsausgleichs, zum Beispiel Arbeitsplatzanpassungen durch den Arbeitgeber, persönliche Unterstützung durch entsprechende Programme oder ein Schwerbehindertenausweis. In Deutschland können Betroffene einen solchen Ausweis ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 beantragen. Mit einem Schwerbehindertenausweis sind Betroffene besser vor einer Kündigung geschützt, sie haben zusätzliche Urlaubstage und profitieren von steuerlichen Vergünstigungen. Auch flexible Arbeitsbedingungen sind in vielen Fällen eher möglich.
Wer seine Rechte kennt, kann davon Gebrauch machen, um die Situation im Job zu verbessern. Darüber hinaus ist es wichtig, ausreichend praktische Unterstützung zu haben. Es gibt zum Beispiel Coaches und Therapeuten, die sich auf ADHS spezialisiert haben. Sie bieten Betroffenen Hilfe bei der Selbstorganisation im Alltag, beim Zeitmanagement und dem Verhalten im Beruf. Therapeutische Angebote – ob in Form einer Gesprächstherapie oder einer medikamentösen Behandlung – können eine zusätzliche Entlastung bieten. Auch Selbsthilfegruppen sind oft wertvoll: Sie ermöglichen den Austausch mit anderen Menschen in einer ähnlichen Situation. Hier erhalten Betroffene praxiserprobte Tipps und fühlen sich weniger allein mit ihren beruflichen Herausforderungen.
Fazit: ADHS als Chance – für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
- ADHS betrifft nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene. Im Erwachsenenalter geht es oft mit Herausforderungen bei der Selbstorganisation, Impulskontrolle und Konzentrationsfähigkeit einher.
- Im Job kann ADHS Schwierigkeiten mit sich bringen, zum Beispiel in Bezug auf Fristen oder die Strukturierung der eigenen Aufgaben. Mit passenden Strategien ist es möglich, solche Probleme zu lösen.
- Neben Herausforderungen kann AHDS im Job auch mit Vorteilen verbunden sein. So sind Menschen mit ADHS oft besonders kreativ, empathisch und fähig zu einem Hyperfokus, wenn sie Dinge spannend finden.
- Erfolg im Job hängt von passenden Strukturen und Strategien ab. Auch eine offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber kann sich lohnen.
Für Arbeitgeber ist es sinnvoll, Mitarbeiter mit ADHS individuell zu unterstützen. Wer Verständnis aufbringt und auf die Bedürfnisse der betroffenen Beschäftigten eingeht, fördert damit nicht nur die betreffenden Arbeitskräfte, sondern das ganze Team – ebenso wie die Produktivität im Unternehmen.
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