Impulskontrolle: Wie gut können Sie sich beherrschen?
Gehören Sie zu den Menschen, die schnell auf 180 sind, wenn sie sich provoziert fühlen? Greifen Sie sofort zum Handy, wenn ein Signal eine neue Nachricht ankündigt? Oder reichen kurze Gedanken, um Ihre aktuelle Tätigkeit zu unterbrechen und sich etwas ganz anderem zu widmen? Wenn Sie sich in diesen Beschreibungen wiederfinden, ist Ihre Impulskontrolle womöglich ausbaufähig. Hier erfahren Sie, was Impulskontrolle ist, wozu eine geringe Impulskontrolle führen kann und wie Sie Impulskontrolle lernen können.
Impulskontrolle: Was ist das?
Impulskontrolle – was bedeutet das? Klären wir zunächst, was ein Impuls ist. Laut Duden handelt es sich dabei um einen Anstoß, eine Anregung, eine innere Regung oder einen Antrieb. Wer Impulsen schnell nachgibt, handelt impulsiv. Die Betroffenen reagieren bei Impulsivität spontan auf bestimmte Reize, ohne darüber nachzudenken oder Rücksicht auf mögliche Konsequenzen ihres Handelns zu nehmen.
Daraus ergibt sich die Bedeutung von Impulskontrolle: Jemand handelt bewusst nicht, obwohl ein Impuls ihn eigentlich dazu anregt – zum Beispiel, weil er gelernt hat, dass ein kopfloses Reagieren nachteilig für ihn sein oder unerwünschte Folgen haben könnte. Impulskontrolle bedeutet, seine eigenen Gefühle und Affekte unter Kontrolle zu haben, statt impulsiv zu agieren.
Eine geringe Impulskontrolle führt auf der anderen Seite dazu, dass Betroffene Impulsen schlecht widerstehen können. Die Betroffenen sind häufig nicht dazu in der Lage, bestimmte Bedürfnisse aufzuschieben, sondern sagen sofort, was sie denken, reagieren mit heftigen Gefühlen oder handeln automatisch in einer bestimmten Art und Weise. Ist die Impulskontrolle gering, steht das meist in Verbindung mit einer geringen Frustrationstoleranz.
Schlechte Impulskontrolle – oder Impulskontrollstörung?
Mangelnde Impulskontrolle kann sich in verschiedenen Situationen zeigen. Ein Klassiker ist das vibrierende Smartphone. Viele Menschen reißt ein Vibrieren oder ein Signalton sofort aus dem, was sie eigentlich gerade gemacht haben. Der Drang, aufs Handy zu schauen, ist zu groß. Ähnlich geht es vielen, wenn sie durch einen Signalton oder ein Pop-Up-Fenster auf eine eingehende E-Mail aufmerksam gemacht werden. Sie klicken dann sofort auf die E-Mail, auch wenn sie eigentlich gerade mit etwas anderem beschäftigt sind.
Wenn jemand eine gering ausgeprägte Impulskontrolle hat, kann das auch bedeuten, dass er beim Einkaufen der Schokolade nicht widerstehen kann, von der er eigentlich weniger essen wollte. Auch im zwischenmenschlichen Bereich zeigt sich mangelnde Impulskontrolle häufig. Angenommen, ein Kollege kritisiert Sie für etwas, für das Sie gar nichts können. Wenn Sie Ihre Impulse nicht kontrollieren können, reagieren Sie darauf vielleicht giftig oder werden laut.
Menschen mit geringer Impulskontrolle reagieren oft sofort auf Gedanken – auch dann, wenn das eigentlich gar nicht unmittelbar nötig oder besonders wichtig ist oder Nachteile für sie hat, weil sie sich damit selbst bei wichtigen Aufgaben stören. Viele Menschen handeln sofort, wenn ihnen ein bestimmter Gedanke in den Kopf kommt. Sie googeln dann zum Beispiel etwas, schreiben eine Nachricht oder gehen in die Küche, um sich einen Snack zu holen.
Zwanghaftes Verhalten bei Impulskontrollstörungen
Viele Menschen haben zumindest in bestimmten Situationen eine mangelnde Impulskontrolle. Das ist, abhängig vom Ausmaß der Impulskontrolle, nicht zwingend sonderlich problematisch. Abzugrenzen ist eine gering ausgeprägte Impulskontrolle aber von einer Impulskontrollstörung. Dabei handelt es sich um ein psychiatrisches Krankheitsbild, bei dem die Selbstkontrolle der Betroffenen gestört ist. Die Betroffenen reagieren impulsiv und automatisch anstatt besonnen und gelassen. Ihr Verhalten ist zwanghaft; sie können es nicht kontrollieren.
Bestimmte Impulse lösen bei einer Impulskontrollstörung unangenehme Spannungszustände aus. Den Impuls auszuleben verschafft den Betroffenen kurzzeitig Linderung, hilft ihnen aber letztlich nicht wirklich – im Gegenteil, die Affekthandlungen können negative Folgen für die Betroffenen haben. Sie sind durch ihre Impulskontrollstörung aber nicht dazu in der Lage, ihre Handlungen zu planen und die Folgen davon abzuschätzen. Meist zeigen sie ein bestimmtes impulsives Verhalten immer wieder, auch wenn sie das eigentlich nicht wollen.
Impulskontrollstörungen im klinischen Sinn können sich auf verschiedene Art und Weise äußern. Manche Menschen kauen an ihren Nägeln, reißen sich Haare aus, lügen oder verletzen sich selbst. Andere leiden an Kleptomanie, Kaufsucht, zwanghaftem Essen, Spielsucht oder begehen Brandstiftung. Wer von einer Impulskontrollstörung betroffen ist, braucht in der Regel professionelle Unterstützung.
Warum Impulskontrolle so wichtig ist
Ob jemand bei jedem kleinsten Impuls handelt oder ob er seine Impulse kontrollieren kann, macht im Alltag oft einen großen Unterschied. Wie ausgeprägt die Impulskontrolle ist, entscheidet zum Beispiel darüber mit, wie gut jemandem bestimmte Dinge gelingen. Bei vielen beruflichen und privaten Aufgaben ist es wichtig, sich nicht ablenken zu lassen. Das gilt besonders für schwierige oder langweilige aber dennoch wichtige Aufgaben. Menschen mit einer geringen Impulskontrolle fällt es oft schwer, konzentriert bei einer Sache zu bleiben. Dadurch können sie länger brauchen, bis sie fertig sind, die Ergebnisse können schlechter sein oder sie geben vorzeitig auf, weil sie durch permanente Ablenkungen das Gefühl haben, es ohnehin nicht zu schaffen.
Wer Ablenkungen hingegen dank einer guten Impulskontrolle widerstehen kann, bleibt gedanklich eher am Ball und erledigt seine Tätigkeiten schneller. Hinzu kommt: Je öfter man Impulsen nachgibt, desto eher kann sich das Ganze verselbständigen. Beim nächsten Mal ist der Impuls dann womöglich noch stärker – und es würde noch mehr Kraft erfordern, ihm nicht nachzugeben. Wer gar nicht erst in einen solchen Teufelskreis hineingerät, hat es leichter.
Warum Menschen mit guter Impulskontrolle oft erfolgreicher sind
Impulskontrolle spielt auch auf sozialer Ebene eine wichtige Rolle. Nehmen wir an, eine Servicekraft im Restaurant hat einen anstrengenden Gast, der an allem herummeckert. Die Servicekraft ist genervt; am liebsten würde sie dem Gast ihre Meinung sagen. Das aber würde den Gast noch mehr verärgern und könnte dem Restaurant schaden. Kann die Servicekraft ihre Meinung nicht für sich behalten, würde sie sich wahrscheinlich Ärger mit dem Chef einhandeln. Kann sie ihre Impulse hingegen kontrollieren, bleibt sie freundlich und kann den Gast bestenfalls besänftigen.
Wer sich gut unter Kontrolle hat, kommt mit anderen Menschen meist besser aus. Streits und hitzige Diskussionen werden unwahrscheinlicher, wenn die Beteiligten mit Bedacht an die Sache herangehen – bei geringer Impulskontrolle ist das oft nicht möglich. Das kann zu unüberlegten Aussagen und Handlungen führen, die andere verärgern oder vor den Kopf stoßen.
Menschen mit einer ausgeprägten Impulskontrolle sind im Leben oft erfolgreicher. Sie sind in der Lage, Pläne zu machen und sie auch durchzuziehen. Durch Durststrecken beißen sie sich eher durch, statt sich anderen Dingen zu widmen, weil sie wissen, wofür sie es tun. Das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit ungemein – egal, ob es um die Abgabe der Doktorarbeit geht, die Suche nach einem neuen Job oder das Fernstudium neben der Arbeit.
Mögliche Folgen von geringer Impulskontrolle
Umgekehrt kann es zu Problemen führen, wenn jemand seine Impulse kaum unter Kontrolle hat. Wer sich ständig von allem ablenken lässt, kann nicht seine besten Leistungen abrufen. Das kann zum Beispiel dazu führen, dass die Job-Performance schlechter ist als sie sein könnte. Dadurch wird es schwieriger, beruflich aufzusteigen oder eine Gehaltserhöhung auszuhandeln. Schlimmstenfalls droht irgendwann sogar die Kündigung.
Ablenkungen schlecht widerstehen zu können macht Aufgaben außerdem oft unnötig anstrengend. Wer auf jede eintreffende Mail reagiert und anschließend zehn Minuten braucht, bis er gedanklich wieder bei seiner eigentlichen Aufgabe ist, wird diese Tätigkeit wahrscheinlich als überaus zäh empfinden. Dadurch können negative Gefühle wie Unruhe und Nervosität entstehen.
Bei einer geringen Impulskontrolle sind die Betroffenen anfälliger für negative Gewohnheiten, denen sie nicht widerstehen können. Das kann etwa zu einer Alkoholsucht oder Drogenabhängigkeit führen.
Auch zwischenmenschliche Probleme können die Folge einer geringen Impulskontrolle sein. Das gilt zum Beispiel für Menschen, die leicht reizbar sind und bei kleinsten Triggern cholerisch reagieren. Für Familie, Freunde, Kollegen und Vorgesetzte ist das anstrengend; womöglich wenden sich manche Personen irgendwann ab.
Wenn eine ausgeprägte Impulskontrollstörung im klinischen Sinn vorliegt, kann das besonders schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben. Welche Konsequenzen drohen, hängt davon ab, welche Impulse die Betroffenen nicht kontrollieren können. Das können zum Beispiel Geldprobleme bei einer Kaufsucht sein, Übergewicht und gesundheitliche Probleme bei zwanghaftem Essen oder Konflikte mit dem Gesetz bei Kleptomanie.
Geringe Impulskontrolle: Welche Ursachen kann sie haben?
Wenn sich ein Mensch schlecht unter Kontrolle hat, kann das verschiedene Gründe haben. Manche Menschen neigen wegen ihrer Persönlichkeit stärker zu Impulsivität als andere. Es ist aber auch eine Frage dessen, was man gelernt hat. Wenn man Impulsen standardmäßig sofort nachgibt, ist es umso schwerer, es mal ausnahmsweise nicht zu tun. Die Wurzeln für ein solches Verhalten liegen oft in der Kindheit. Impulsive Kinder haben oft eine geringe Frustrationstoleranz – das klassische Beispiel ist das des quengelnden Kindes, das sich im Supermarkt schreiend auf den Boden wirft, weil es den Schokoriegel nicht bekommt.
Kinder sind meist noch sehr impulsiv und können es anfangs schlecht aushalten, wenn sie in einer Situation länger auf eine Belohnung warten müssen. Mit der Zeit können sie jedoch lernen, Frust zu ertragen und ihre Impulse zu kontrollieren. Sie gewöhnen sich dann zum Beispiel an, erst ihre Hausaufgaben zu machen und dann zu spielen. Wohl die wenigsten Kinder machen gerne Hausaufgaben; überließe man die Entscheidung ihnen, würden wohl die meisten sofort nach der Schule spielen. Das würde aber zu Problemen in der Schule führen, die schlimmstenfalls Auswirkungen auf die spätere berufliche Laufbahn haben können.
Neben der Persönlichkeit und erlerntem Verhalten kann eine verminderte Impulskontrolle auch mit einer psychischen Erkrankung oder Persönlichkeitsstörung wie Borderline oder Narzissmus zusammenhängen. Typisch ist eine geringe Impulskontrolle auch für Krankheiten wie ADHS und Parkinson. Häufig ist das serotonerge System der Betroffenen gestört.
Impulskontrolle lernen: Tipps, mit denen Sie Ihre Impulsivität bremsen können
Sind Sie ein impulsiver Mensch? Springen Sie schnell auf Reize an, ohne über die Konsequenzen nachzudenken, oder fühlen Sie sich in bestimmten Situationen als Opfer Ihrer Impulsivität? Dann können Ihnen die folgenden Tipps dabei helfen, mehr Impulskontrolle zu lernen. Impulskontrolle können Sie üben, und je öfter Sie üben, desto leichter wird sie Ihnen fallen. Machen Sie sich aber klar, dass es Zeit kostet, langjährige Denk- und Verhaltensweisen zu durchbrechen. Falls Sie glauben, dass Sie an einer ernsthaften Impulskontrollstörung leiden, sollten Sie sich an einen Arzt oder Psychotherapeuten wenden.
Einen Schritt zurücktreten
Es ist nützlich, zu lernen, bewusst einen Schritt zurückzutreten, um Ihren Impulsen nicht nachzugeben. Dafür müssen Sie erkennen, wenn Sie in einer entsprechenden Situation stecken. Dabei hilft zum Beispiel Meditation. Sie lernen durch Meditieren, Gedanken, Gefühle und Impulse ohne Wertung wahrzunehmen und bewusst zu entscheiden, wie Sie damit umgehen. Sie können sich dann zum Beispiel dafür entscheiden, tief durchzuatmen statt direkt in den Angriffsmodus zu gehen, wenn der Chef Sie kritisiert oder Ihr Partner mit etwas unzufrieden ist.
Konzentration trainieren
Ablenkungen haben es schwerer, wenn man sich gut konzentrieren kann. Wenn Sie gelernt haben, längere Zeit bei einer Sache zu bleiben, lassen Sie sich wahrscheinlich weniger bereitwillig ablenken. Bei Konzentrationsübungen gilt: Fangen Sie klein an und steigern Sie den Schwierigkeitsgrad langsam. Dadurch haben Sie Erfolgserlebnisse, die Ihnen Selbstvertrauen geben.
Spannungen abbauen
Um Impulskontrolle zu üben kann es hilfreich sein, Spannungen abzubauen. Vielleicht haben Sie an der Arbeit oder im Privatleben viel Stress und haben deshalb nicht die nötige Selbstkontrolle, um Impulsen zu widerstehen. Schaffen Sie einen Ausgleich, indem Sie sich bewusst entspannen, Sport machen, genug Schlafen und sich gesund ernähren.
Ablenkungen minimieren
Ablenkungen können Sie am besten widerstehen, wenn sie sich gar nicht erst ergeben. Minimieren Sie deshalb mögliche Ablenkungen im Vorfeld, wenn Sie eine wichtige Aufgabe erledigen müssen. Das kann etwa bedeuten, das E-Mail-Programm nicht ständig im Hintergrund offen zu haben, die Bürotür zu schließen oder das Handy lautlos zu stellen.
Dringende Gedanken für später aufschreiben
Haben Sie oft wichtige Gedanken, die Sie zu sofortigem Handeln bewegen – zum Beispiel, indem Sie etwas nachlesen oder erledigen? Wenn Sie gerade beschäftigt sind, machen Sie es sich zur Angewohnheit, solche Gedanken aufzuschreiben. Sie können sich dann später damit befassen, wenn Sie Zeit dafür haben – falls es dann überhaupt noch wichtig ist.
Einen Plan B haben
Vielleicht gibt es in Ihrem Leben Situationen, in denen Sie sich immer wieder zu unüberlegten Handlungen hinreißen lassen. Wenn bestimmte Muster zu erkennen sind, kann es helfen, einen Plan B zu haben. Überlegen Sie sich im Vorfeld, wie Sie in entsprechenden Situationen alternativ reagieren können. Wenn Ihr Kollege Sie beim nächsten Mal nervt, weil er alles besser weiß, atmen Sie tief durch, statt einen blöden Kommentar zu bringen. Und wenn Sie im Stress immer zum Schokoriegel greifen, sorgen Sie dafür, dass eine gesunde Alternative wie ein Apfel oder eine Banane in Reichweite ist.
Nicht zu viel von sich erwarten
Zu guter Letzt: Selbstkontrolle ist endlich. Sie haben nicht unendlich viel Impulskontrolle zur Verfügung, egal, wie sehr Sie sich bemühen. Bei manchen reichen ein, zwei stressige Situationen, und sie können sich bei der nächsten Gelegenheit nicht kontrollieren. Bei anderen tritt Impulsivität erst später auf. Wer zum Beispiel einen stressigen, langen Arbeitstag hatte, bei dem er seine Impulse immer wieder kontrollieren musste, kann womöglich der Tüte Chips beim Einkauf auf dem Nachhauseweg nicht mehr widerstehen.
Früher oder später ist der imaginäre Vorrat an Impulskontrolle bei jedem Menschen ausgeschöpft. Seien Sie deshalb nachsichtig mit sich, wenn Sie in besonders schwierigen Umständen impulsiv reagieren. Um Ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Impulsen zu erhöhen, gibt es noch einen Tipp: Essen Sie einfache Kohlenhydrate, die Ihren Körper mit Glukose versorgen, zum Beispiel Trockenfrüchte oder einen Müsliriegel. Forscher haben herausgefunden, dass die Fähigkeit zur Selbstkontrolle mit dem Glukosespiegel im Blut zusammenhängt. Glukose ist der Treibstoff des Körpers, und Impulskontrolle verbraucht Glukose. Wer also vielen Dingen widersteht, hat bei der nächsten Gelegenheit womöglich nicht mehr genug Glukose übrig und reagiert impulsiv.
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