Rufbereitschaft: Wie ist sie geregelt?

Muss man arbeiten oder nicht? Das weiß man nicht so genau, wenn man in Rufbereitschaft ist. Ob ein Arbeitseinsatz folgt, ist ungewiss. Doch was bedeutet Rufbereitschaft eigentlich? Wo liegt der Unterschied zum Bereitschaftsdienst? Was darf man während der Rufbereitschaft tun – und was ist mit der Vergütung? Die wichtigsten Regelungen zur Rufbereitschaft im Überblick.

Eine Frau kocht sich in der eigenen Küche essen, muss aber aufgrund Rufbereitschaft per Smartphone erreichbar sein

Rufbereitschaft: Was bedeutet das?

Wenn ein Arbeitnehmer in Rufbereitschaft ist, ist er dazu verpflichtet, auf Abruf die Arbeit aufzunehmen. Es handelt sich dabei um Zeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit, die also zu dieser hinzukommen. Wer in Rufbereitschaft ist, kann sich zuhause oder an einem anderen Ort seiner Wahl aufhalten. Dort ist er per Handy oder über ein anderes Gerät für den Arbeitgeber erreichbar, der sich nur meldet, wenn ein Arbeitseinsatz ansteht. Dann muss der Beschäftigte bereit sein, kurzfristig zur Arbeit aufzubrechen.

Trotz der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer in Rufbereitschaft ständig erreichbar sein muss, hat er zunächst einmal Freizeit. Ob überhaupt ein Arbeitseinsatz folgt, ist ungewiss. Häufig wird Rufbereitschaft sogar vor allem dann genutzt, wenn es eher unwahrscheinlich ist, dass der Arbeitnehmer gebraucht wird. Das kann etwa Notdienste technischer Art betreffen, wo es eher die Ausnahme als die Regel ist, dass diese beansprucht werden.

In welchen Bereichen wird Rufbereitschaft genutzt?

Vergleichsweise häufig setzt man in Gesundheitsberufen auf Rufbereitschaft. Das betrifft insbesondere Ärzte, Krankenpfleger und Angestellte in medizinisch-technischen Berufen. Weitere Beispiele für Bereiche, in denen Rufbereitschaft relativ oft eingesetzt wird, sind unter anderem:

  • Verkehr und Logistik
  • Sicherheit, etwa Polizei
  • Garten- und Landschaftsbau
  • Forstwirtschaft
  • Bau- und Ausbauberufe
  • Bergbau, Energie und Wasser
  • IT-Dienstleister
  • Lebensmittel und Gastgewerbe

Laut einer Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) waren im Jahr 2016 sechs Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Tätigkeiten mit Rufbereitschaft beschäftigt. Das entspricht rund 2,4 Millionen Arbeitnehmern. Weitere 5,5 Prozent – oder rund 2,2 Millionen – Beschäftigte haben im selben Zeitraum einen Job ausgeübt, für den Bereitschaftsdienst typisch war. Andere Erhebungen sehen den Anteil der Beschäftigten in Jobs mit Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eher bei sieben bis acht Prozent.

Laut IAB sind von Rufbereitschaft häufiger Arbeitnehmer mit Vollzeitjobs betroffen als Teilzeitkräfte oder Minijobber. Letztere hatten dafür häufiger Jobs, in denen sie auf Abruf tätig waren.

Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst: Wo ist der Unterschied?

Die beiden Modelle Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst klingen ähnlich und werden oft miteinander verwechselt. Dabei gibt es entscheidende Unterschiede zwischen ihnen. Wer Bereitschaftsdienst hat, befindet sich in der Regel schon am Arbeitsplatz. Auch hier ist jedoch unklar, ob und wann ein Arbeitseinsatz ansteht. Falls das jedoch der Fall ist, müssen Arbeitnehmer schnellstmöglich einsatzbereit sein. Ein typisches Beispiel sind Ärzte in einer Klinik. Auch Feuerwehrleute, die ihre Arbeit hauptberuflich ausüben, befinden sich in der Regel im Bereitschaftsdienst. Sie warten dann auf der Feuerwache auf einen Einsatz.

Im Gegensatz dazu können sich Arbeitnehmer in Rufbereitschaft an einem Ort ihrer Wahl aufhalten. Ihre Arbeitsbereitschaft muss zwar auch vorhanden sein, allerdings nicht ganz so kurzfristig wie bei Beschäftigten im Bereitschaftsdienst. Anders als Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst haben sie Freizeit, wenn es nicht zu einem Einsatz kommt.

Außerdem gibt es die Arbeit auf Abruf. Dabei ist zwar das Arbeitspensum klar. An welchen Tagen der Beschäftigte benötigt wird, ist aber nicht von vornherein festgelegt. Der Arbeitgeber muss einen Arbeitseinsatz mindestens vier Tage vorher ankündigen. Kommt die Bitte des Arbeitgebers zu kurzfristig, müssen Arbeitnehmer ihr nicht nachkommen. Typisch ist die Arbeit auf Abruf in Hotels oder der Gastronomie; für die Betroffenen ist der Alltag häufig nur schwer planbar.

Darf man Rufbereitschaft ablehnen?

Vielen Arbeitnehmern ist Rufbereitschaft ein Dorn im Auge. Ist man nur selten in Rufbereitschaft und ist ein Arbeitseinsatz die Ausnahme, empfinden viele Betroffene die Situation als weniger schlimm. Wer jedoch oft Rufbereitschaft hat und vergleichsweise häufig tatsächlich arbeiten muss, sieht das oft anders: Durch die Rufbereitschaft kann man seine Freizeit schließlich nicht wirklich frei planen, weil man grundsätzlich erreichbar und arbeitsfähig sein muss. Das führt häufig zur Frage, ob man Rufbereitschaft überhaupt machen muss.

Die Rufbereitschaft muss eine Rechtsgrundlage haben, damit der Arbeitgeber sie anordnen kann. Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers reicht dafür nicht aus. Üblicherweise ist die Rufbereitschaft deshalb im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Gibt es keine rechtliche Grundlage für Rufbereitschaft, muss der Arbeitnehmer auch keine leisten. Einer entsprechenden Anweisung des Arbeitgebers kann er sich dann verweigern, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Das gilt übrigens auch für den Wunsch vieler Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeiter das Firmenhandy auch am Wochenende anhaben oder nach Feierabend noch Mails checken.

Was darf man tun, wenn man in Rufbereitschaft ist?

Rufbereitschaft ist zwar formell Freizeit, aber so richtig frei hat man als Arbeitnehmer eben auch nicht. Die kurzfristige Arbeitsbereitschaft ist schließlich die Voraussetzung dafür, dass das Modell Rufbereitschaft funktioniert. Viele Beschäftigte fragen sich deshalb, was sie tun dürfen, wenn sie in Rufbereitschaft sind – und was nicht.

Grundsätzlich können Arbeitnehmer alles machen, was einer kurzfristigen Arbeitsbereitschaft nicht im Weg steht. Sie können etwa Essen kochen, Wäsche waschen, einen Film gucken, duschen, einkaufen oder schlafen. Man darf auch telefonieren oder spazieren gehen, saugen oder den Hund ausführen.

Arbeitnehmer in Rufbereitschaft sollten hingegen nichts tun, wodurch ihre Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt wäre. Das betrifft einerseits den Konsum von Alkohol oder Drogen. Andererseits dürfen sich Beschäftigte nicht zu weit von ihrem Arbeitsort entfernen. Ein Ausflug in eine (weiter entfernte) Stadt wäre also nicht empfehlenswert.

Welche Aktivitäten trotz Rufbereitschaft möglich sind, hängt nicht zuletzt von den Erwartungen des Arbeitgebers ab. Besonders die Frage, in welcher Zeitspanne Beschäftigte vor Ort sein müssen, ist dabei entscheidend. Das ist meist im Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit?

Ist Rufbereitschaft Arbeitszeit? Diese Frage treibt viele Beschäftigte um, die Rufbereitschaft leisten sollen. Das ist jedoch nicht der Fall – zumindest, wenn Arbeitnehmer nicht tatsächlich arbeiten müssen. Ein Arbeitseinsatz ist immer Arbeitszeit. Ansonsten handelt es sich bei Rufbereitschaft im Arbeitsrecht gemäß §§ 2 und 5 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) um Ruhezeit.

Arbeitnehmer in Rufbereitschaft haben damit offiziell Freizeit, die sie aber nicht in letzter Konsequenz selbstbestimmt nutzen können. Durch die Rufbereitschaft sind sie in ihrer Freizeitgestaltung eingeschränkt. Wie groß diese Einschränkung ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie kurzfristig die Arbeitsbereitschaft sein muss. Erwartet der Arbeitgeber, dass seine Mitarbeiter in Rufbereitschaft in kürzester Zeit vor Ort sind, kann es jedoch sein, dass es sich eigentlich gar nicht um Rufbereitschaft, sondern um Bereitschaftsdienst handelt – der als Arbeitszeit anzusehen ist.

Wenn Rufbereitschaft in Wahrheit Bereitschaftsdienst ist

Ein richtungsweisendes Urteil zur Abgrenzung von Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Februar 2018 gefällt (Az. C-518/15). Es ging dabei um einen belgischen Feuerwehrmann, der in Zeiten der Rufbereitschaft innerhalb von acht Minuten am Einsatzort sein sollte. Das, so das Gericht, führe de facto dazu, dass der Feuerwehrmann eigentlich schon in Einsatzmontur zuhause warten müsse. Das EuGH urteilte, dass die Wartezeit in diesem Fall als Arbeitszeit zu werten sei.

Ähnlich hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in den Jahren 1991 und 2002 geurteilt (vgl. Az. 6 AZR 592/89 sowie 6 AZR 214/00). Wenn der Arbeitgeber möchte, dass ein Beschäftigter innerhalb von zehn oder 20 Minuten vor Ort ist, handelt es sich demnach nicht um Rufbereitschaft, sondern um Bereitschaftsdienst und damit Arbeitszeit. Echte Rufbereitschaft ist also nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer etwas mehr Zeit hat, bis er am Arbeitsort sein muss. Hierzu hat das BAG im Januar 2004 geurteilt, dass Arbeitnehmer hinnehmen müssen, wenn sie in Rufbereitschaft innerhalb von 45 Minuten vor Ort sein müssen (Az. 6 AZR 643/02).

Was ist bei Rufbereitschaft mit der Vergütung?

Muss der Arbeitgeber bei Rufbereitschaft eine Vergütung zahlen? Nein, wenn es sich tatsächlich um Rufbereitschaft handelt, ist das nicht der Fall. Handelt es sich hingegen in Wahrheit um Bereitschaftsdienst, haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Vergütung für die entsprechenden Zeiten.

Falls es während der Rufbereitschaft zu einem Einsatz kommt, müssen Arbeitnehmer dafür regulär vergütet werden. Gegebenenfalls fallen auch Nachtzuschläge oder Sonn- und Feiertagszuschläge für die Arbeitseinsätze an. Welche Ansprüche Beschäftigte in Rufbereitschaft haben, hängt außerdem davon ab, was in Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung steht. Mitunter ist es üblich, dass Pauschalen oder Zuschläge gezahlt werden. So sieht etwa der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) Pauschalen für Rufbereitschaft vor.

Wie oft kann man zu Rufbereitschaft verpflichtet werden?

Wie oft darf der Arbeitgeber Rufbereitschaft von einem Mitarbeiter fordern? Eine gesetzliche Obergrenze gibt es dafür nicht. Ein Maximum kann sich aber aus der zugrundeliegenden Regelung – Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung – ergeben.

Wenn mehrere Mitarbeiter sich für Rufbereitschaft eignen – aufgrund ihrer fachlichen Fähigkeiten und ihrer räumlichen Nähe zum Einsatzort –, bietet sich ein rotierendes System an. Dabei sollte jeder Beschäftigte möglichst gleich oft drankommen, anstatt dass einzelne Arbeitnehmer unverhältnismäßig häufig in Rufbereitschaft sind.

Wenn der Arbeitgeber Mitarbeiter zu Rufbereitschaft auffordert, muss er das außerdem in billigem Ermessen tun. Das bedeutet, dass er die persönlichen Umstände der Mitarbeiter berücksichtigen sollte. Wer sich etwa um kranke Angehörige kümmern muss oder kleine Kinder hat, sollte seltener eingeplant werden als ein alleinstehender Mitarbeiter ohne Verpflichtungen.

Rufbereitschaft darf nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen

Wenn Arbeitnehmer in Rufbereitschaft sind, darf das nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Das betrifft insbesondere mögliche Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz.

So darf die Arbeitszeit durch Einsätze während der Rufbereitschaft das gesetzlich zulässige Maximum nicht überschreiten. Einsatzzeiten müssen zu den regulären Arbeitszeiten hinzugerechnet werden. Erlaubt sind nach § 3 ArbZG im Regelfall acht Stunden pro Tag oder 48 Stunden pro Woche. Ausnahmsweise kann die Arbeitszeit auf bis zu 60 Stunden in der Woche ausgedehnt werden, wenn die Überstunden in den darauffolgenden sechs Monaten ausgeglichen werden.

Beachtet werden muss bei Rufbereitschaft auch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit. Sie liegt im Regelfall bei elf Stunden, die zwischen zwei Arbeitseinsätzen liegen müssen. Kommt es während der Rufbereitschaft zu einem Einsatz, beginnt die Ruhezeit anschließend von vorn. Es ist jedoch umstritten, wie lange eine Unterbrechung sein muss, damit die Ruhezeit im Anschluss neu anläuft. Reichen dazu etwa schon fünf Minuten? Man geht davon aus, dass eine Unterbrechung, die mindestens 15 Minuten andauert, dazu führt, dass die Ruhezeit neu anläuft. Mögliche Fahrten zum Arbeitsort zählen dabei ebenfalls. Wer etwa 15 Minuten Anfahrt hat und zehn Minuten im Einsatz ist, hat seine Ruhezeit unterbrochen.

Nach § 5 Absatz 3 ArbZG bestehen diesbezüglich jedoch Ausnahmen für Krankenhäuser und andere Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen. Hier gilt: Wird die Ruhezeit durch Einsätze unterbrochen, können Kürzungen der Ruhezeit zu anderen Zeiten ausgeglichen werden, wenn die Arbeitnehmer höchstens die Hälfte der Ruhezeit im Einsatz waren.

Auch die gesetzliche Sonn- und Feiertagsruhe muss bei Rufbereitschaft beachtet werden. Arbeitnehmern steht ein Ausgleich für Einsätze an solchen Tagen zu, außerdem besteht ein Anspruch auf mindestens 15 freie Sonntage im Jahr.

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