Überlastungsanzeige: Wenn nichts mehr geht
Viele Arbeitnehmer haben im Job so viel Stress, dass sie nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf steht. In solchen Situationen kann eine Überlastungsanzeige gestellt werden. Was genau das ist, welche Konsequenzen es hat und wie man eine Überlastungsanzeige schreibt, erklären wir Ihnen in diesem Artikel.
Was ist eine Überlastungsanzeige?
Viele Arbeitnehmer kennen die Situation nur zu gut: Sie haben einen Berg an Aufgaben, die To-do-Liste wird scheinbar immer länger statt kürzer, und um das alles auch nur ansatzweise schaffen zu können, müssen sie laufend Überstunden machen. Der Druck auf viele Beschäftigte ist hoch. Wenn die Arbeit zu viel wird, liegt das meist nicht daran, dass die Betroffenen zu langsam wären oder es ihnen an Kompetenz mangeln würde. Stattdessen ergeben sich die Probleme häufig aus einem zu hohen Arbeitspensum, das mit Mängeln bei der Arbeitsorganisation und den Arbeitsbedingungen zusammenhängt.
Überlastung im Job kann gravierende Folgen haben. Die Betroffenen selbst empfinden womöglich Dauerstress, der krank machen kann. Es kann zum Beispiel sein, dass sie Ängste entwickeln, sich ausgebrannt fühlen oder eine Depression entsteht. Ebenso können Betroffene von Schlafstörungen betroffen sein, Magen-Darm-Beschwerden bekommen oder ihre Herz-Kreislauf-Gesundheit kann leiden.
Überlastung kann auch zum Sicherheitsrisiko für sich selbst und für andere werden. Unter hohem Stress passieren eher Fehler, durch die in bestimmten Jobs Unfälle wahrscheinlicher werden. Es kann auch sein, dass durch Fehler die Betriebsabläufe gestört werden, dass Betriebseigentum beschädigt wird oder Kunden sich beschweren, weil sie mit der Qualität von Produkten oder Dienstleistungen unzufrieden sind.
Welchen Inhalt hat eine Überlastungsanzeige?
In solchen Situationen können Arbeitnehmer eine Überlastungsanzeige, auch Gefährdungsanzeige genannt, stellen. Dabei handelt es sich um einen in der Regel schriftlichen Hinweis an den Arbeitgeber in Form des Vorgesetzten, in dem die Betroffenen mitteilen, dass sie überlastet sind und die Erfüllung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung gefährdet ist. Zugleich beschreiben sie in der Überlastungsanzeige, durch welche Umstände die Überlastung zustande gekommen ist, und dass sie Fehler oder Schäden vor diesem Hintergrund nicht ausschließen können.
Die Überlastungsanzeige von Arbeitnehmern ist nicht explizit in Gesetzen oder Tarifverträgen geregelt, sie leitet sich aber aus verschiedenen juristischen Grundlagen ab. Dazu zählen Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), insbesondere §§ 15 und 16 ArbSchG, ebenso wie der Arbeitsvertrag mit seinen Nebenpflichten. Arbeitnehmer sind dazu verpflichtet, ihre Arbeitgeber auf drohende Schäden hinzuweisen. Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält maßgebliche Regelungen, etwa § 618 BGB: Daraus geht hervor, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter aufgrund ihrer Fürsorgepflicht vor Gefahren für ihr Leben und ihre Gesundheit soweit wie möglich schützen müssen.
Welche Funktion erfüllt eine Überlastungsanzeige?
Die Überlastungsanzeige ist ein Instrument des Gesundheitsschutzes in Behörden und Unternehmen. Sie dient dazu, den Arbeitgeber auf bestehende Probleme und drohende Gefahren aufmerksam zu machen. Die Gefährdung kann sich auf die betroffenen Arbeitnehmer selbst, aber auch auf andere beziehen, zum Beispiel Kollegen, Kunden oder andere externe Personen. Ebenso kann die Gefahr drohen, dass Sachgegenstände beschädigt werden. Indem die Betroffenen ihren Vorgesetzten über die Situation informieren, kann er geeignete Maßnahmen ergreifen, um Abhilfe zu schaffen.
Für Arbeitnehmer hat eine Überlastungsanzeige außerdem den Zweck, sich von möglichen Haftungsansprüchen zu befreien, falls es zu Schäden kommt. Sie sind auch besser vor einer Abmahnung oder einer verhaltensbedingten Kündigung geschützt. Kündigt der Arbeitgeber ihnen nämlich, weil sie ihre Aufgaben nicht wie vorgesehen erfüllen, wird eine Überlastungsanzeige vor Gericht zugunsten der Arbeitnehmer gewertet.
Was aus einer Überlastungsanzeige für Arbeitnehmer nicht folgt, ist die Erlaubnis, es an der Arbeit ruhiger anzugehen. Betroffene Beschäftigte dürfen nicht künftig faulenzen oder gar der Arbeit fernbleiben. Sie müssen ihre Arbeit weiterhin so erledigen, wie vertraglich mit dem Arbeitgeber vereinbart – natürlich nur im Rahmen des Machbaren.
In welchen Situationen kann man eine Überlastungsanzeige stellen?
Eine Überlastungsanzeige kann prinzipiell immer gestellt werden, wenn sich Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum überlastet fühlen. Die Belastung sollte dafür über das normale Maß hinausgehen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Kollege länger erkrankt ist und man dessen Aufgaben übernehmen muss, dadurch aber die eigenen Aufgaben nicht mehr im normalerweise üblichen Ausmaß erledigen kann. Oder wenn die Personaldecke generell so dünn ist, dass die einzelnen Mitarbeiter mehr machen sollen, als sie schaffen können.
Viele Betroffene scheuen sich in stressigen Phasen davor, eine formelle Überlastungsanzeige einzureichen. Dabei können sie dazu sogar verpflichtet sein: Arbeitnehmer müssen ihren Arbeitgeber auf drohende Schäden hinweisen. Auch Beamte sind zu einer Überlastungsanzeige verpflichtet. Tun sie es nicht, können Schadensersatzforderungen die Folge sein.
Bedenken Sie auch, dass eine Überlastungsanzeige wichtig sein kann, falls der Arbeitgeber Sie später abmahnen oder Ihnen kündigen möchte. Wenn Sie zum Beispiel wegen Stress an der Arbeit erkranken und deshalb eine Kündigung im Raum steht, haben Sie mit einer vorherigen Überlastungsanzeige bessere Chancen bei einem möglichen Rechtsstreit. Scheuen Sie sich also nicht davor, eine Überlastungsanzeige zu stellen. Für Arbeitnehmer ist das in entsprechenden Situationen nahezu immer sinnvoll. Der Arbeitgeber darf sie dafür auch nicht benachteiligen oder sie unter Druck setzen – was manche Arbeitgeber allerdings nicht daran hindert, es trotzdem zu tun.
Tipps zur Formulierung einer Überlastungsanzeige an den Arbeitgeber
Eine Überlastungsanzeige sollten Sie immer schriftlich einreichen. Das ist zwar nicht vorgeschrieben – die Überlastungsanzeige ist schließlich wie erwähnt ohnehin nicht konkret gesetzlich geregelt –, ist aber aus Nachweisgründen dringend empfehlenswert. Kommt es zu einer Abmahnung oder Kündigung, kann eine Überlastungsanzeige bei einer Kündigungsschutzklage ein großer Pluspunkt sein.
Welche Angaben gehören in eine Überlastungsanzeige? Sie sollten das Schreiben unter Angabe des Orts datieren und die Kontaktdetails vom Arbeitgeber und Ihnen selbst ergänzen. Schreiben Sie dazu, in welcher Abteilung Sie arbeiten. Anschließend beschreiben Sie die Situation möglichst detailliert: Wie hoch ist das Arbeitspensum? Wie ist Ihre Abteilung gegenwärtig personell besetzt? Welche Ursachen hat die Überlastung konkret – müssen Sie zum Beispiel erkrankte Kollegen vertreten oder gibt es generell zu wenig Personal?
Beschreiben Sie, welche Folgen Ihre Überlastung hat oder haben könnte – für den Arbeitgeber und seinen Betrieb, für Sie selbst, für Kollegen, Kunden oder andere Dritte. Vielleicht dauern manche Aufgaben länger als vorgesehen, es besteht ein großer Rückstau bei Ihren Aufgaben oder es drohen Beschwerden von Kunden oder anderen Personen. Vielleicht liegen solche Beschwerden auch schon vor. Gehen Sie auch darauf ein, wie sich Ihre Überlastung auf Ihre psychische und physische Gesundheit auswirkt. Vielleicht fühlen Sie sich erschöpft, leiden an psychischen Erkrankungen oder haben psychosomatische Leiden entwickelt. Zuletzt sollten Sie den Arbeitgeber dazu auffordern, die Missstände zu beheben. Zum Schluss unterschreiben Sie das Schreiben noch persönlich, bevor Sie es Ihrem Chef übergeben.
Was, wenn der Chef auf die Überlastungsanzeige nicht reagiert?
Wenn ein Arbeitnehmer eine Überlastungsanzeige stellt, ist der Ablauf normalerweise so: Die Überlastungsanzeige wird beim Vorgesetzten eingereicht, der sie daraufhin prüft. Anschließend besteht die Aufgabe des Chefs darin, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Missstände zu beseitigen und die Lage für den Mitarbeiter zu verbessern. Im besten Fall gehört die Überlastung für den Beschäftigten anschließend der Vergangenheit an.
Leider läuft es nicht immer so ab. Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber nicht oder nicht im nötigen Ausmaß auf eine Überlastungsanzeige reagieren. Bei manchen Unternehmen wird eine Überlastung der Mitarbeiter in Kauf genommen, weil man sich aus wirtschaftlichen Gründen ganz bewusst für eine möglichst knappe Personaldecke entschieden hat. Solche Arbeitgeber werden wahrscheinlich nicht ernsthaft daran interessiert sein, die Ursachen für die Überlastung zu beseitigen. Womöglich drohen sie dem Mitarbeiter sogar mit einer Kündigung.
Was kann man in so einer Situation als Arbeitnehmer tun? Falls es einen Betriebsrat im Unternehmen gibt, sollten Sie sich dorthin wenden. Haben Sie eine Überlastungsanzeige im öffentlichen Dienst gestellt, ist Ihr Ansprechpartner entsprechend der Personalrat. Sie können sich auch an den Betriebsarzt wenden.
Wenn der Arbeitgeber nach einer Überlastungsanzeige untätig bleibt und die Überlastung deshalb nach wie vor besteht, sollten Sie sich nicht scheuen, sich krankzumelden. Mittelfristig kann es jedoch die beste Option sein, sich nach einem neuen Job umzusehen. Gut zu wissen: Kommt es zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber, weil Sie aus seiner Sicht nicht genügend schaffen, stehen Sie mit einer Überlastungsanzeige besser da. Falls Sie gegen die Kündigung klagen, hat der Arbeitgeber es nach einer Überlastungsanzeige schwerer, sich vor Gericht gegen Sie durchzusetzen. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Chancen in solchen Fällen oft gut stehen, in einem Rechtsstreit eine Abfindung auszuhandeln.
Statt Überlastungsanzeige: Betriebsrat einschalten
Manche Arbeitnehmer zögern, eine Überlastungsanzeige zu stellen. Es ist zwar aus verschiedenen Gründen oft eine gute Idee, die eigene Überlastung auf diesem Weg formell beim Arbeitgeber anzuzeigen. Nichtsdestotrotz haben Sie auch andere Möglichkeiten, wenn der Stress im Job zu viel wird.
Sie können sich alternativ auch an den Betriebsrat wenden. Nach § 85 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) können Arbeitnehmer sich beim Betriebsrat beschweren. Der Betriebsrat muss die Beschwerde prüfen und beim Arbeitgeber darauf hinwirken, dass dieser für eine Verbesserung der Situation sorgt. Das gilt zumindest dann, wenn der Betriebsrat die Beschwerde für berechtigt erachtet.
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