Streik: Wie er abläuft und wer streiken darf
Die Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern decken sich oft nicht. Was für den Arbeitgeber gut ist, ist nicht selten für Arbeitnehmer ein Nachteil – und umgekehrt. Grundsätzlich befinden sich Arbeitnehmer in der schwächeren Position, denn der Arbeitgeber bestimmt weitgehend über die Arbeitsbedingungen. Eine gewichtige Möglichkeit, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen, haben Beschäftigte jedoch: sie können die Arbeit niederlegen. In diesem Beitrag geht es darum, wann ein Streik möglich ist, wer streiken darf und ob man mit der Teilnahme an einem Streik die Kündigung riskiert.
Streik als wichtiges Mittel im Arbeitskampf
Die Grundregeln eines Arbeitsverhältnisses sind simpel: Der Arbeitnehmer macht seine Arbeit und erhält im Gegenzug seinen Lohn vom Arbeitgeber. Aus Sicht von Beschäftigten stellt die Pflicht, seinen Job wie vereinbart zu erledigen, die Hauptpflicht dar. Lediglich im Urlaub und bei Krankheit oder anderweitig bedingter Arbeitsunfähigkeit ist es erlaubt, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Unerlaubte Selbstbeurlaubung kann eine Kündigung nach sich ziehen.
Auch ein Streik führt dazu, dass Beschäftigte nicht arbeiten. Ist der Streik legitim, ist die Arbeitspflicht aufgehoben. Das bedeutet, dass die Streikteilnehmer im Job fehlen dürfen, auch wenn sich wohl kein Arbeitgeber darüber freuen wird. Das Streikrecht spiegelt wider, welche wichtige Funktion ein Streik zur Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten innehat.
Ein Streik ist ein Mittel im Arbeitskampf und wird üblicherweise von einer Gewerkschaft organisiert. Wenn gestreikt wird, legen die teilnehmenden Arbeitnehmer – meist sowohl Gewerkschaftsmitglieder als auch nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte – zu vorher vereinbarten Zeiten ihre Arbeit nieder. Ein Streik wird meistens auf unbestimmte Zeit geführt und dauert dann so lange, bis die beteiligten Arbeitgeber der Gewerkschaft in ihren Forderungen entgegengekommen sind.
Warum wird gestreikt?
Bei einem Streik geht es darum, bestimmte soziale und wirtschaftliche Forderungen im Sinne der Arbeitnehmer durchzusetzen. Oft ist das Ziel, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Auch höhere Löhne sind eine typische Forderung im Arbeitskampf, der mit einem Streik Nachdruck verliehen werden kann.
Streiks finden meist nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt statt, sondern typischerweise im Rahmen von Tarifverhandlungen. Wenn eine Gewerkschaft mit Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden verhandelt, wird dies häufig von Warnstreiks oder regulären Streiks begleitet. So gibt es dann zum Beispiel Verdi-Streiks oder Streiks, zu denen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) oder die IG Metall aufgerufen hat.
Ein Streik ist auch deshalb ein probates Mittel im Arbeitskampf, weil er für Arbeitgeber so kostspielig ist. Besonders, wenn der Streik sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, wird er für betroffene Arbeitgeber häufig teuer. Fehlen viele Mitarbeiter, kann der Betrieb oft nicht wie gehabt aufrechterhalten werden. Darunter leidet dann meist die Produktivität, was sich im Umsatz bemerkbar macht. Arbeitgebern ist entsprechend daran gelegen, dass ein Streik schnell beendet wird beziehungsweise es gar nicht erst dazu kommt.
Streik: Wie ist der Ablauf?
Wie läuft ein Streik ab? Theoretisch könnte ein beliebiger Arbeitnehmer die Arbeit verweigern und behaupten, dass er streikt. Normalerweise läuft ein Streik jedoch deutlich planmäßiger und besser organisiert ab. Vor allem ist in aller Regel eine Gewerkschaft daran beteiligt.
Zu einem Streik kann es kommen, wenn sich Arbeitgeber nicht auf die Forderungen der jeweiligen Gewerkschaft einlassen wollen oder ihr nicht ausreichend entgegenkommen. Der Streik soll den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen und diese zum Einlenken bewegen. Für einen Streikbeschluss braucht es mindestens 75 Prozent der Stimmen bei der Urabstimmung in der Gewerkschaft. Diesen Beschluss genehmigt dann der Vorstand. Anschließend werden die Beschäftigten zum Streik aufgerufen.
Die Streikenden legen ihre Arbeit so lange nieder, bis der Streik beendet ist. Ein betroffener Arbeitgeber kann mit einer sogenannten Aussperrung auf einen Streik reagieren. Dann verweigert er die Annahme der Arbeitsleistung seiner streikenden Mitarbeiter, die nun keinen Anspruch mehr auf ihren Lohn haben. Auch für Mitarbeiter im Urlaub gibt es keine Entgeltfortzahlung mehr.
Für Streikende können sich somit finanzielle Lücken ergeben. Das wird mit dem Streikgeld kompensiert, das die Gewerkschaft ihren Mitgliedern für die Dauer des Streiks zahlt. Problematisch wird es allerdings für streikende Nicht-Gewerkschaftsmitglieder, da sie kein Streikgeld erhalten können.
Um einen Streik zu beenden, braucht es wiederum einen Beschluss von mindestens drei Vierteln der Gewerkschaftsmitglieder.
Streik ist nicht gleich Streik: Verschiedene Varianten im Überblick
Das Grundprinzip eines Streiks ist zwar immer dasselbe, dennoch gibt es unterschiedliche Arten von Streiks. Da wären etwa Warnstreiks, die Arbeitgebern einen Vorgeschmack auf einen längeren Streik geben und als eine Art letzte Warnung zu verstehen sind. Warnstreiks sind typischerweise kurz.
Sind an einem Streik Beschäftigte aus verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen beteiligt, spricht man von einem Vollstreik. An Teilstreiks nehmen hingegen nur Beschäftigte aus bestimmten Abteilungen eines Unternehmens teil. Betroffen sind meist Mitarbeiter, deren Arbeit entscheidend für einen reibungslosen Betriebsablauf ist.
Bei einem Bummelstreik verrichten die Beschäftigten ihre Arbeit zwar noch, weshalb es sich eigentlich nicht um einen Streik handelt. Sie sind dabei aber überaus genau und lassen sich sehr viel Zeit. Damit halten sie den Betriebsablauf auf und können dem Arbeitgeber auf diese Weise schaden.
Die potenziell größten Auswirkungen hat ein Generalstreik, der allerdings praktisch in Deutschland keine Rolle spielt. Das liegt daran, dass er hierzulande illegal ist – es sei denn, es geht darum, Demokratie und Freiheit zu verteidigen.
Bei einem Generalstreik streiken Beschäftigte in sämtlichen Wirtschaftszweigen, was dazu führen kann, dass das öffentliche Leben stark eingeschränkt wird. So kann man es zum Beispiel in Frankreich regelmäßig beobachten, wo Generalstreiks regelmäßig ein massives Aufgebot an Streikenden auf die Straßen locken und den Verkehr oft nahezu komplett zum Erliegen bringen – und das über mehrere Tage, teilweise sogar mehrere Wochen.
Wann ist ein Streik rechtmäßig?
Streik ist grundsätzlich ein legitimes Mittel im Arbeitskampf – allerdings nur, wenn dabei bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Ist das nicht der Fall, handelt es sich um einen sogenannten „wilden Streik“, der nicht rechtmäßig ist.
Die folgenden Kriterien entscheiden über die Rechtmäßigkeit eines Streiks:
- Wer hat zum Streik aufgerufen? Legitim ist ein Streik nur, wenn er von einer Gewerkschaft angeführt wird. Ein Streik kann allerdings „wild“ begonnen worden sein und dann von einer Gewerkschaft fortgesetzt werden. In diesem Fall kann er rechtmäßig sein.
- Wofür wird gekämpft? Ein Streik ist erlaubt, wenn es darum geht, die Arbeitsbedingungen und wirtschaftlichen Bedingungen für Beschäftigte zu verbessern. Ein Streik, bei dem es um Missstände geht, ist hingegen nicht zulässig.
- Streiks sind außerdem nur dort erlaubt, wo es um Angelegenheiten geht, die nicht bereits tarifvertraglich geregelt sind. Während der Gültigkeit eines Tarifvertrags besteht eine Friedenspflicht, gegen die nicht verstoßen werden darf. Erst, wenn der Tarifvertrag ausgelaufen ist und noch kein neuer geschlossen wurde, ist ein Streik ein legitimes Mittel.
- Gegen wen richtet sich der Streik? Ein legitimer Streik richtet sich gegen den Tarifpartner. Ein Streik, bei dem es darum geht, politische Entscheidungen zu erzwingen oder gegen diese zu protestieren, ist hingegen nicht erlaubt.
- Wichtig ist auch, ob der Streik ein geeignetes Mittel ist, um die jeweiligen Ziele zu verfolgen. Ist das nicht der Fall, ist er auch nicht legitim. Zudem muss ein Streik fair geführt werden; insbesondere Gewalt oder die Androhung davon sind verboten.
- Mit Ausnahme von Warnstreiks kann ein Streik nur legitim sein, wenn er das letzte Mittel ist. Nur, wenn zuvor versucht wurde, das Ziel auf anderem Weg zu erreichen, und diese Bemühungen gescheitert sind, darf gestreikt werden.
Darf jeder Arbeitnehmer streiken?
Grundsätzlich darf jeder Arbeitnehmer streiken. Das Streikrecht ergibt sich indirekt aus dem Grundgesetz. In Artikel 9 wird das Recht zum Arbeitskampf verfassungsrechtlich verankert. Die Rechtsprechung hat sich daran immer wieder orientiert. So gibt es zwar kein offizielles Recht auf Streik, aber de facto darf beinahe jeder Arbeitnehmer streiken – prinzipiell.
Praktisch kommt es auf den Streik an sich an. Nur zur Teilnahme an einem legitimen Streik darf ein Beschäftigter die Arbeit niederlegen. Handelt es sich hingegen um einen „wilden Streit“, ist die Teilnahme nicht erlaubt und kann arbeitsrechtliche Folgen haben.
Um streiken zu dürfen, müssen Arbeitnehmer kein Mitglied einer Gewerkschaft sein. Sofern die Gewerkschaft zu einem Streik aufgerufen hat, der einen Beschäftigten betrifft, darf er auch daran teilnehmen.
Anders als andere Beschäftigte haben Beamte kein Recht zu streiken. Das wird mit ihrer Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn begründet. Es gibt zwar kein offizielles Streikverbot für sie, implizit wird es aber als Grundsatz des Berufsbeamtentums verstanden.
Die heutige Regelung geht auf Geschehnisse im Jahr 1922 zurück. Damals untersagte die Regierung Beamten der Reichsbahn per Notverordnung, ihre Arbeit niederzulegen. Mit einem Urteil vom Juni 2018 hat das Bundesverfassungsgericht die Gültigkeit dieser Regelung bestätigt. Das Streikverbot für Beamte führt nicht zwangsläufig dazu, dass es keine Streiks im öffentlichen Dienst geben kann – für Angestellte gilt es schließlich nicht.
Drohen streikenden Arbeitnehmern arbeitsrechtliche Folgen?
Viele Arbeitnehmer sind verunsichert: Sie würden gerne streiken, fürchten aber Konsequenzen des Arbeitgebers. Droht wegen einer Teilnahme an einem Streik eine Abmahnung oder gar eine Kündigung?
Es kommt darauf an. Handelt es sich um einen rechtmäßigen Streik, der von einer Gewerkschaft ausgerufen wurde, dürfen daran sowohl Gewerkschaftsmitglieder als auch Beschäftigte in betroffenen Betrieben beziehungsweise Bereichen teilnehmen. Der Arbeitgeber darf seine Mitarbeiter in diesem Fall nicht maßregeln, wenn sie streiken. Das bedeutet, dass eine Abmahnung oder Kündigung ausgeschlossen ist. Streikt hingegen ein Beamter, obwohl es verboten ist, drohen ihm disziplinarische Maßnahmen.
Anders sieht es aus, wenn der Streik nicht legitim ist – zum Beispiel, weil dazu nicht eine Gewerkschaft, sondern der Betriebsrat aufgerufen hat. Dann darf der Arbeitgeber streikende Mitarbeiter abmahnen und ihnen gegebenenfalls sogar kündigen. Selbst eine fristlose Kündigung kann die Folge einer Streikteilnahme sein. Das ist denkbar, wenn der betreffende Arbeitnehmer bewusst schuldhaft gehandelt hat und somit wusste, dass er nicht streiken darf.
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