Halbwaisenrente: Das sollten Sie über Waisenrenten wissen
Wenn ein Kind ein Elternteil oder sogar beide Eltern verliert, ist das ein harter Einschnitt, der nicht nur emotional belastet. Der Tod von Mutter oder Vater kann auch für finanzielle Probleme sorgen, wenn der Lebensunterhalt des Kindes in Gefahr ist. Damit Kinder, deren Eltern verstorben sind, trotzdem abgesichert sind, gibt es vom Staat Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente. Der Bezug einer Waisenrente ist allerdings an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die Sie kennen sollten.
Waisenrente: Absicherung für verwaiste Kinder
Ein Kind, das Mutter oder Vater verloren hat, muss nicht nur ohne eine wichtige Bezugsperson auskommen. Durch den Tod eines Elternteils fehlt auch eine Person, die für den Lebensunterhalt des Kindes gesorgt hat. Um die finanziellen Härten, die mit dem Verlust eines Elternteils einhergehen können, ein Stück weit auszugleichen, gibt es vom Staat Waisenrente. Wer beide Eltern verloren hat, kann Vollwaisenrente bekommen. Ist nur ein Elternteil verstorben, zahlt der Staat Halbwaisenrente als Unterstützung.
Waisenrenten sind eine dauerhafte Zahlung, die durch die gesetzliche Sozialversicherung – in der Regel die gesetzliche Rentenversicherung – geleistet wird. Das Geld wird bei minderjährigen Halb- oder Vollwaisen an einen Erziehungsberechtigten ausgezahlt. Erst nach der Volljährigkeit bekommt die Bezugsperson es direkt überwiesen.
Voraussetzungen: Wer hat Anspruch auf Vollwaisenrente oder Halbwaisenrente?
Wer hat auf Vollwaisenrente oder Halbwaisenrente Anspruch? Nicht nur leibliche Kinder können die staatliche Unterstützung erhalten. Bezugsberechtigt können auch Adoptivkinder oder Pflegekinder sein, ebenso – in Ausnahmefällen – Enkelkinder oder Geschwister der verstorbenen Person, die im selben Haushalt gelebt haben.
Entscheidend für den Anspruch auf Vollwaisenrente oder Halbwaisenrente ist dabei insbesondere der frühere Versicherungsstatus des verstorbenen Elternteils. Halb- beziehungsweise Vollwaisenrente wird in der Regel nur bewilligt, wenn die verstorbene Person mindestens fünf Jahre lang in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war. Diese Anwartschaftszeiten müssen grundsätzlich erfüllt sein. Dazu zählen nicht nur reguläre Beitragszeiten, in denen Mutter oder Vater Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge geleistet haben. Anrechenbar sind auch Zeiten der Kindererziehung, geringfügiger Beschäftigung und Ersatzzeiten, etwa ein Kriegsdienst.
Für bestimmte Fälle gelten allerdings Ausnahmeregelungen, zum Beispiel bei einem Unfalltod der Eltern in Folge eines Arbeitsunfalls. In diesem Fall reicht es, wenn die Mutter oder der Vater einen Monat Beiträge an die Rentenversicherung geleistet hat. Eine Ausnahme ist auch gegeben, wenn die Eltern kurz nach dem Eintritt ins Berufsleben versterben. Sterben sie innerhalb von sechs Jahren nach dem Abschluss ihrer Berufsausbildung, können die Kinder trotzdem eine Voll- oder Halbwaisenrente erhalten, wenn die Eltern in den letzten zwei Jahren ihres Lebens mindestens ein Jahr lang Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben.
Waisenrente: Was ist mit Kindern von Beamten?
Auch Kinder von Beamten können eine Waisenrente bekommen. Das ist selbst dann möglich, wenn der verstorbene Elternteil nicht in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Kinder von Beamten haben Anspruch auf ein sogenanntes Waisengeld, welches bei Halbwaisen zwölf Prozent des Ruhegehalts und bei Vollwaisen 20 Prozent des Ruhegehalts ausmacht. Das Ruhegehalt ist der Betrag, den der verstorbene Beamte erhalten hätte, wenn er an seinem Todestag aufgrund von Dienstunfähigkeit in den Ruhestand gegangen wäre.
Vollwaisenrente und Halbwaisenrente: Höhe der Leistung
Die Höhe von Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente ist nicht immer gleich, sondern hängt vom Rentenanspruch der verstorbenen Mutter oder des verstorbenen Vaters ab. Entscheidend ist der Rentenanspruch zum Zeitpunkt des Todes – und damit, wie lange der Elternteil in die Rentenversicherung eingezahlt hat. Wer Vollwaise ist, bekommt 20 Prozent dieses Rentenanspruchs. Bei Halbwaisen sind es entsprechend zehn Prozent. Wichtig zu wissen: Sind beide Elternteile verstorben, errechnet sich bei Waisenrenten die Höhe nicht anhand beider Rentenansprüche. Als Berechnungsgrundlage dient vielmehr der höhere Rentenanspruch des jeweiligen Elternteils.
Wenn ein Elternteil bei einem Arbeitsunfall oder in Folge einer Berufskrankheit verstirbt, wird die Waisenrente anders berechnet. Die Unfallversicherung ist in diesem Fall für die Zahlung zuständig. Halbwaisen erhalten 20 Prozent des Bruttojahresgehalts von Mutter oder Vater, bei Vollwaisen erhöht sich der Betrag auf 30 Prozent.
Stirbt ein Elternteil, dürfen die Hinterbliebenenrenten, die an Angehörige gezahlt werden, zusammengerechnet maximal 80 Prozent des jährlichen Einkommens der verstorbenen Person ausmachen. Dadurch kann sich der Rentenanspruch für die Leistungsempfänger mindern.
Wird ein eigenes Einkommen auf eine Waisenrente angerechnet?
Wie sieht es aus, wenn das Kind einen Nebenjob ausübt oder im Rahmen einer Ausbildung eine Vergütung erhält? Solches Einkommen wird auf die Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente nicht angerechnet. Bei volljährigen Leistungsempfängern durfte laut einer Regelung, die Ende Juni 2015 ausgelaufen ist, ein monatlicher Freibetrag nicht überschritten werden, ansonsten wurden die Einkünfte anteilig auf die Waisenrente angerechnet. Durch eine Gesetzesänderung gilt das nicht mehr; das Einkommen spielt also für den Anspruch auf Waisenrente keine Rolle. Umgekehrt kann eine Waisenrente jedoch Einfluss auf die Höhe von staatlichen Leistungen wie Bafög oder Wohngeld haben.
Wie lange zahlt der Staat eine Waisenrente?
Der Anspruch auf Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente beginnt ab dem Zeitpunkt des Todes von Mutter oder Vater. Wenn die verstorbene Person bereits eine Rente erhalten hat, wird die Waisenrente vom folgenden Monat an gezahlt. Dabei erhalten Kinder die Unterstützung grundsätzlich bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Unter Umständen kann sich die Bezugsdauer verlängern, und zwar bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs. Das gilt, wenn der Halb- oder Vollwaise eine Ausbildung oder ein Studium macht. Nebenjobs sind kein Problem, wenn die Berufsausbildung mehr als 20 Stunden in der Woche umfasst. Auch Freiwilligendienste können die Bezugsdauer einer Waisenrente verlängern.
Gibt es zwischenzeitlich Überbrückungszeiten, wird die Waisenrente weitergezahlt, wenn die Pausen maximal vier Monate betragen. Sie könnten also theoretisch ein Studium abbrechen und drei Monate später eine Ausbildung beginnen, ohne Ihren Anspruch auf Voll- oder Halbwaisenrente zu gefährden. Ist die Pause länger, wird die Leistung eingestellt, kann aber bei Aufnahme eines neuen Studiums oder einer Ausbildung neu beantragt werden. Menschen mit Behinderung, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst sichern können, erhalten eine Vollwaisenrente oder Halbwaisenrente grundsätzlich bis zum 27. Geburtstag.
Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente wird auch dann gezahlt, wenn die Bezugsperson adoptiert wird oder heiratet.
Wie und wo kann man eine Voll- und Halbwaisenrente beantragen?
Wenn ein Elternteil verstirbt, erhalten Kinder nicht automatisch eine Waisenrente. Sie muss vielmehr beantragt werden. In der Regel ist die gesetzliche Rentenversicherung der richtige Ansprechpartner, da sie die Unterstützungsleistung in den meisten Fällen auszahlt. In anderen Fällen wenden Sie sich für den Antrag auf Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente an die zuständige Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse des Bundes. Die Unfallversicherung zahlt dann, wenn ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit zum Tod von Mutter oder Vater geführt hat. Die nötigen Formulare für den Antrag auf Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente erhalten Sie beim jeweiligen Ansprechpartner.
Um eine Waisenrente beantragen zu können, brauchen Sie bestimmte Unterlagen. Das betrifft insbesondere diese Dokumente:
- Sterbeurkunde von Mutter oder Vater
- Ausweis der verstorbenen Person
- Geburtsurkunde des Kindes
- Nachweis über eine Ausbildung oder ein Studium bei volljährigen Kindern, sofern zutreffend
- Nachweis über einen Freiwilligendienst bei volljährigen Kindern, sofern zutreffend
- Nachweis über eine körperliche oder geistige Behinderung bei volljährigen Kindern, sofern zutreffend
Halbwaisenrente und Vollwaisenrente in der Steuererklärung angeben: Das sollten Sie beachten
Waisenrenten müssen grundsätzlich versteuert werden. Das heißt für Sie als Empfänger dieser Leistung, dass Sie Ihre Bezüge aus der Vollwaisenrente oder Halbwaisenrente in der Steuererklärung angeben müssen, und zwar genauer in der Anlage R. Falls Sie aber mit Ihren Einkünften unter dem Grundfreibetrag bleiben, ist das nicht nötig. Im Jahr 2022 liegt der Grundfreibetrag bei 10.347 Euro. Auf Einkommen, die diese Grenze nicht überschreiten, fallen keine Steuern an. Eine Waisenrente liegt meist unter dem Steuerfreibetrag.
Steuerfrei ist außerdem ein gewisser Prozentbetrag der Rente, im Jahr 2022 sind es 18 Prozent. Wer also beispielsweise 4.000 Euro Waisenrente im Jahr erhält, braucht 720 Euro davon generell nicht zu versteuern. Dadurch erhöht sich der Freibetrag insgesamt.
Waisenrente: Wo kann man sich beraten lassen?
Rund um eine Halbwaisenrente oder Vollwaisenrente können viele Fragen aufkommen. Wenn Sie Fragen haben, auf die Sie online keine oder keine eindeutige Antwort finden, können Sie sich direkt beim zuständigen Sozialversicherungsträger beraten lassen. Meist ist das die gesetzliche Rentenversicherung, bei der Sie sich nach den gewünschten Informationen erkundigen können. Hatte der verstorbene Elternteil einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit, ist hingegen der jeweilige Unfallversicherungsträger zuständig und kann Ihre Fragen beantworten.
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