Berufskrankheiten: Welche Krankheiten sind anerkannt?
Ob durch schweres Heben, schädliche Strahlung oder Lärm: Es gibt viele Gründe, weshalb Berufskrankheiten entstehen können. Längst nicht jede Krankheit, die scheinbar offensichtlich mit dem Job in Verbindung steht, wird jedoch auch von der gesetzlichen Unfallversicherung als Berufskrankheit anerkannt. Davon hängt allerdings ab, ob Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung besteht. In diesem Artikel geht es um die Voraussetzungen, unter denen Krankheiten als Berufskrankheiten anerkannt werden, die häufigsten Berufskrankheiten und die Frage, wer bei Berufskrankheiten zahlt.
Berufskrankheiten: Eine Frage der Definition
Der Job bedeutet für viele Menschen nicht nur eine Einnahmequelle, sondern auch ein Risiko für die eigene Gesundheit. Bei der Arbeit können Unfälle passieren, außerdem können die Umstände des Jobs dazu führen, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen auftreten. Ein Beschäftigter im Lebensmittel-Einzelhandel kann etwa Rückenprobleme bekommen, weil er täglich schwer heben muss. Ein Mitarbeiter in einer Produktionshalle kann Folgeschäden durch die Lärmbelästigung am Arbeitsplatz davontragen. Und ein Arbeitnehmer mit einem Bürojob, bei dem er fast ausschließlich am Schreibtisch sitzt, stellt womöglich irgendwann fest, dass seine Bandscheiben unter dem Bewegungsmangel gelitten haben.
Landläufig spricht man in solchen Fällen von Berufskrankheiten. Tatsächlich sind die Grenzen für die Berufskrankheiten-Definition jedoch nicht willkürlich, sondern Erkrankungen werden nach Kriterien der gesetzlichen Unfallversicherung als solche eingestuft oder auch nicht. Seit dem Jahr 1925 gibt es eine Berufskrankheitenliste, auf der anerkannte Berufskrankheiten aufgeführt sind. Bei den rund 70 gegenwärtig enthaltenen Krankheiten der Berufskrankheitenliste gilt ein erhöhtes Risiko bestimmter Leiden durch bestimmte Tätigkeiten als wissenschaftlich gesichert.
Genau dieser ursächliche Zusammenhang zwischen Job und Krankheit ist essenziell, damit ein Leiden als Berufskrankheit anerkannt werden kann. Die Betroffenen müssen in ihrer jeweiligen Tätigkeit ein im Vergleich zu anderen Menschen erhöhtes Risiko haben, eine bestimmte Berufskrankheit zu erleiden. Ist der Job nur ein Risikofaktor unter vielen, handelt es sich laut Einstufung der gesetzlichen Unfallversicherung in der Regel nicht um Berufskrankheiten.
Berufskrankheitenverordnung: Beispiele für anerkannte Berufskrankheiten
Welche Berufskrankheiten gibt es also – ganz offiziell? Eine Chance auf Anerkennung eines Leidens als Berufskrankheit besteht nahezu nur dann, wenn sich die jeweilige Krankheit auf der Berufskrankheiten-Liste findet. In Einzelfällen ist es möglich, dass Krankheiten „wie Berufskrankheiten“ anerkannt werden. Das wird jedoch nicht von Fall zu Fall individuell entschieden, sondern hängt davon ab, ob sich neue gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse ergeben haben, die für eine Anerkennung wie eine Berufskrankheit sprechen.
Regelmäßig liegt die Zahl der angezeigten Berufskrankheiten deutlich höher als die tatsächlich anerkannten Fälle. Im Jahr 2019 wurden laut dem Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) rund 80.000 Verdachtsfälle in Deutschland gemeldet. Anerkannt als Berufskrankheiten wurden davon rund 35.000 Fälle. Die Diskrepanz hängt damit zusammen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Arbeitstätigkeit und Leiden oft nicht zweifelsfrei auszumachen ist. Weit verbreitete Gesundheitsprobleme wie Skelettprobleme, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder psychische Leiden werden deshalb häufig nicht als Berufskrankheiten anerkannt. Der Job ist in vielen Fällen nur ein Faktor, bei dem nicht klar bestimmt werden kann, welchen Anteil er daran hat, dass eine Krankheit aufgetreten ist.
Die Berufskrankheitenverordnung – eine Rechtsverordnung der Bundesregierung – enthält die Berufskrankheitenliste. Die Berufskrankheiten-Liste unterscheidet verschiedene Erkrankungen nach ihren Ursachen. Verzeichnet sind
- durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten (etwa durch Blei, Quecksilber, Arsen, Kohlenmonoxid und Benzol),
- durch physikalische Einwirkungen versursachte Krankheiten (etwa Lärm, Wirbelsäulenprobleme, Meniskusschäden oder Gonarthrose)
- durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten,
- Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells, des Bauchfells und der Eierstöcke (etwa Silikose, Lungen-, Kehlkopf- oder Eierstoffkrebs durch Asbest, allergische oder toxische Atemwegserkrankungen),
- Hautkrankheiten und Hautkrebs sowie
- Krankheiten sonstiger Ursache, insbesondere Augenzittern.
Die Berufskrankheitenliste können Sie über die Webseite des Spitzenverbands der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aufrufen.
Das sind die häufigsten Berufskrankheiten
Ganz oben auf der Liste der häufigsten (anerkannten) Berufskrankheiten finden sich nicht Bandscheibenvorfälle, Bluthochdruck oder Depressionen. Die mit Abstand häufigsten Fälle von Berufskrankheiten in den vergangenen Jahren betreffen drei Berufskrankheiten:
- Hautkrankheiten (ohne Hautkrebs),
- Lärmschäden und
- weißer Hautkrebs und seine Vorstufen (Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen).
Fast 80 Prozent der bestätigten Fälle von Berufskrankheiten entfielen zuletzt auf diese drei Krankheiten. Hautkrankheiten werden häufig durch Tätigkeiten in einer feuchten Umgebung ausgelöst, können aber ebenso durch reizende Reinigungsmittel oder andere schädliche Stoffe verursacht werden. Der Verdacht auf Berufskrankheiten wurde in dieser Kategorie im Jahr 2019 in rund 17.000 Fällen bestätigt. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung lag jedoch nur bei einem Bruchteil hiervon vor.
An Lärmschäden als Berufskrankheit litten im selben Zeitraum nachweislich fast 7.000 Beschäftigte. Infolge des Berufs entwickelten sich bei rund 3.700 Beschäftigten ein Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen. Vergleichsweise viele Fälle von anerkannten Berufskrankheiten im Jahr 2019 betrafen zudem das Lungenleiden Asbestose (rund 1.400 Betroffene). Ebenfalls durch Asbest verursacht werden kann ein Mesotheliom, ein Tumor, der in rund 800 Fällen als Berufskrankheit anerkannt wurde.
Die Statistik für das Jahr 2020 ist noch nicht veröffentlicht. Es ist aber zu erwarten, dass sich Covid-19 weit oben auf der Berufskrankheiten-Liste für dieses Jahr befinden wird. Bis Mitte September 2020 wurden knapp 19.000 Covid-19-Erkrankungen als Berufskrankheiten angezeigt. Anerkannt wurden bis zu diesem Zeitpunkt rund 8.100 Fälle.
Berufskrankheit melden: So geht es
Die Unfallversicherung zahlt für Berufskrankheiten nur, wenn sie diese im Einzelfall als Berufskrankheit anerkannt hat. Deshalb ist es wichtig, Berufskrankheiten zu melden. Dasselbe gilt für Arbeitsunfälle, die unter Umständen Bleibeschäden verursachen können. Arbeitsunfälle müssen ohnehin gemeldet werden, wenn der Arbeitnehmer dadurch mehr als drei Tage arbeitsunfähig wird. Es empfiehlt sich jedoch, auch Arbeitsunfälle zu melden, bei denen das nicht der Fall ist. Nicht immer ist im ersten Moment ersichtlich, ob es nicht doch zu dauerhaften Schäden gekommen ist. Wird ein Arbeitsunfall zu spät gemeldet, können Ansprüche verfallen.
Ein Verdacht auf Berufskrankheit kann vom Arbeitgeber, einem behandelnden Arzt, der Krankenkasse oder dem Betroffenen selbst an die gesetzlichen Unfallversicherungsträger gemeldet werden. Wer einen Verdacht auf Berufskrankheit meldet, sollte sich darauf einstellen, dass sein Gesundheitszustand sowie seine Krankengeschichte genau beleuchtet werden. Das Ausfüllen von Fragebögen gehört zur Routine bei der Prüfung eines Verdachts auf Berufskrankheit ebenso dazu wie ein ärztliches Gutachten durch einen Facharzt.
Das Ergebnis der Prüfung von Verdachtsfällen auf Berufskrankheiten erhalten die betroffenen Arbeitnehmer schriftlich. Viele Fälle werden nicht anerkannt, obwohl scheinbar ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitstätigkeit besteht. In solchen Fällen können Sie einem negativen Bescheid widersprechen. Dafür haben Sie einen Monat Zeit. In nächster Instanz entscheidet dann der Widerspruchsausschuss des Unfallversicherungsträgers. Bleibt es bei einem ablehnenden Bescheid, können Betroffene vor dem Sozialgericht Klage einreichen.
Mit welchen Leistungen Betroffene von Berufskrankheiten rechnen können
Wenn Sie eine Berufskrankheit haben und diese von einem Unfallversicherungsträger als solche anerkannt wurde, stehen Ihnen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu. Sie müssen dafür allerdings gesetzlich unfallversichert sein. Das ist bei vielen Freiberuflern und anderen Selbständigen nicht der Fall. In solchen Fällen kann sich eine private Versicherung lohnen, etwa eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei der Frage, wer bei Berufskrankheiten zahlt und wie viel Geld es gibt, kommt es darüber hinaus auch auf den Zeitpunkt und die individuelle Situation an.
Berufskrankheit: Wer zahlt?
- In den ersten sechs Wochen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber den üblichen Lohn oder das übliche Gehalt weiterhin zahlen. In dieser Zeit haben Sie also keine Einbußen.
- Nach Ablauf der ersten sechs Wochen haben Sie Anspruch auf Verletztengeld von der Unfallversicherung. Es macht 80 Prozent des regulären Brutto-Verdiensts aus, darf aber nicht höher sein als das reguläre Nettoentgelt. Gleichzeitig müssen Sie hiervon noch Beiträge an die Arbeitslosen- und die Rentenversicherung entrichten.
- Wer an einer Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation teilnimmt, erhält in dieser Zeit Übergangsgeld. Dessen Höhe hängt von den persönlichen Merkmalen der Betroffenen ab: Versicherte ohne Kinder erhalten 68 Prozent des letzten Nettogehalts, Versicherte mit Kindern 75 Prozent. Selbständige Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung und freiwillig Versicherte erhalten 80 Prozent des letzten Einkommens.
- Bei anerkannten Berufskrankheiten übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung Kosten für die Behandlung der Krankheit sowie mögliche Folgekosten. Dazu können Behandlungen, Medikamente, Reha und Physiotherapie ebenso zählen wie nötige Umbauten am Arbeitsplatz, im Auto oder zuhause.
Ist die Erwerbsfähigkeit in Folge der Berufskrankheit auf Dauer gemindert, kommt unter Umständen eine Erwerbsminderungsrente in Betracht. Sie kann wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gezahlt werden, abhängig davon, in welchem Ausmaß die Betroffenen noch arbeiten können oder nicht. Zudem müssen alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sein, etwa Maßnahmen der Rehabilitation. Die Voraussetzung, damit Betroffene bei Berufskrankheit eine Rente bekommen können, ist zudem eine mindestens fünfjährige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Mindestens drei Jahre hiervon müssen Betroffene pflichtversichert gewesen sein.
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