Erwerbsminderungsrente: Wem steht sie zu?
Normalerweise bekommt man die Rente erst, wenn man die Altersgrenze erreicht hat. Manche Arbeitnehmer können aber schon vorher nicht mehr arbeiten. Bei voller oder teilweiser Erwerbsminderung können diese Betroffenen eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Was das genau ist, wie viel Geld es gibt und welche Voraussetzungen für den Bezug der Erwerbsminderungsrente erfüllt sein müssen, erklären wir Ihnen hier.
Erwerbsminderungsrente: Was ist das?
Manche Arbeitnehmer haben gesundheitliche Probleme. Diese können so gravierend sein, dass eine normale Arbeitstätigkeit nicht mehr möglich ist. Die Betroffenen können dann nur noch teilweise oder gar nicht mehr arbeiten. Für solche Fälle gibt es die Erwerbsminderungsrente, die von der Deutschen Rentenversicherung ausgezahlt wird. Sie kann an Personen gezahlt werden, die die Regelaltersgrenze – also den Zeitpunkt, von dem an man Anspruch auf die Altersrente hat – noch nicht erreicht haben. Die Erwerbsminderungsrente hat die frühere Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahr 2001 ersetzt.
Die Erwerbsminderungsrente (kurz EM-Rente) kann entweder voll oder teilweise gezahlt werden. Das ist dann als volle Erwerbsminderungsrente beziehungsweise Teilerwerbsminderungsrente bekannt. Der Betrag, den die Betroffenen jeden Monat erhalten, soll die durch ihre Erwerbsunfähigkeit entgangenen Einnahmen aus einer Berufstätigkeit kompensieren, und zwar so lange, bis Anspruch auf die reguläre Altersrente besteht. In Deutschland beziehen gegenwärtig etwa 1,8 Millionen Menschen Erwerbsminderungsrente.
Wer kann Erwerbsminderungsrente bekommen?
Erwerbsminderungsrente kann für Arbeitnehmer infrage kommen, die durch eine Krankheit, einen Unfall oder Invalidität nicht mehr dazu in der Lage sind, eine Erwerbstätigkeit im üblichen Umfang auszuüben. Das kann zum Beispiel mit Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose, Krebserkrankungen, Lähmungen oder psychischen Erkrankungen zusammenhängen.
Eine reine Berufsunfähigkeit reicht dazu aber grundsätzlich nicht aus: Berufsunfähig zu sein bedeutet lediglich, den bisher ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben zu können. So könnte etwa ein Beschäftigter, der durch einen Unfall im Rollstuhl sitzt, nicht mehr als Landschaftsgärtner arbeiten. Ein Bürojob käme aber zum Beispiel alternativ infrage. Erwerbsunfähig zu sein bedeutet hingegen, dass man auch keinen anderen Job im entsprechenden Umfang ausüben könnte.
Selbst bei einer Erwerbsunfähigkeit sind die Hürden für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente hoch. Grundsätzlich prüft die Rentenversicherung bei Anträgen auf Erwerbsminderungsrente, ob es nicht eine Alternative gibt, durch die Betroffene ihren Lebensunterhalt wieder selbst finanzieren können. So könnte zum Beispiel eine Reha Betroffenen in manchen Fällen helfen, ihre Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen. Neben einer medizinischen Reha kommt auch eine berufliche Reha oder eine Kombination aus beidem in Betracht.
Bei Erwerbsminderung müssen Versicherungszeiten bei der Rentenversicherung nachgewiesen werden
Nur, wenn eine Rehabilitation keine Abhilfe schaffen kann, kommt eine Erwerbsminderungsrente in Betracht. Dafür müssen weitere Voraussetzungen gegeben sein: Die Betroffenen dürfen die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben. Sie müssen außerdem vor ihrer Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre lang Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben. Das ist als allgemeine Wartezeit bekannt. Beitragszeiten sind Zeiten, in denen die Betroffenen über ihren Arbeitgeber oder freiwillig als Selbstständiger bei der Deutschen Rentenversicherung versichert waren. Auch Zeiten der Kindererziehung, der häuslichen Pflege oder Zeiten aus einem Versorgungsausgleich bei einer Scheidung können zur Wartezeit hinzugezählt werden.
In manchen Fällen müssen die eigentlich vorgesehenen fünf Jahre Wartezeit für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt werden. Ausnahmen bestehen zum Beispiel, wenn jemand infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit erwerbsgemindert ist. In diesem Fall reicht eine einzige Beitragszahlung aus, wobei die Betroffenen während ihres Arbeitsunfalls oder dem Beginn ihrer Berufskrankheit versicherungspflichtig gewesen sein müssen. War das nicht der Fall, kommt als alternativer Nachweis eine mindestens zwölfmonatige Pflichtversicherung in den zwei Jahren vor dem Unfall oder der Berufskrankheit in Betracht. Weitere Ausnahmen von der Regel der fünfjährigen Wartezeit können unter anderem in den ersten Jahren nach einer Berufsausbildung bestehen.
Eine weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente: Betroffene müssen in den letzten fünf Jahren vor dem Beginn ihrer Erwerbsminderung mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge an die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben. Das ist auch als 3/5-Regelung bekannt.
Volle Erwerbsminderungsrente und Teilerwerbsminderungsrente: Wo ist der Unterschied?
Prinzipiell darf ein Betroffener pro Tag maximal sechs Stunden arbeitsfähig sein, damit die Erwerbsminderungsrente für ihn infrage kommt. Wird der Antrag bewilligt, wird die Erwerbsminderungsrente in der Regel nur für einen bestimmten Zeitraum gezahlt, meist wenige Jahre. Besteht die Erwerbsminderung weiterhin, muss rechtzeitig ein Folgeantrag bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt werden – am besten rund sechs Monate vor dem Ende des ursprünglichen Bewilligungszeitraums. Wenn sich der gesundheitliche Zustand eines Rentenbeziehers bessert, kann die Zahlung der Erwerbsminderungsrente vorzeitig eingestellt werden.
Ob jemand die volle Erwerbsminderungsrente oder nur eine Teilerwerbsminderungsrente erhält, hängt davon ab, in welchem Umfang er noch arbeiten kann. Damit ist die Höhe der Erwerbsminderungsrente vom Level der Erwerbsfähigkeit abhängig.
Eine volle Erwerbsminderung ist nach den Kriterien der Rentenversicherung gegeben, wenn jemand durch seine Krankheit oder Behinderung weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann. Dabei darf es keine Rolle spielen, um welchen Beruf beziehungsweise Job es geht. Eine teilweise Erwerbsunfähigkeit ist dann gegeben, wenn ein Betroffener zwar mehr als drei Stunden, aber weniger als sechs Stunden am Tag arbeiten kann.
Wie hoch ist die Rente bei Erwerbsminderung?
Für Betroffene stellt sich eine ganz praktische Frage: Wie viel Geld gibt es beim Bezug der Erwerbsminderungsrente? Einerseits hängt das natürlich davon ab, ob Sie voll oder nur teilweise erwerbsgemindert sind: Wer nur eine teilweise Erwerbsminderungsrente bezieht, erhält nur 50 Prozent des vollen Satzes. Andererseits kommt es auf Ihren individuellen Rentenanspruch an, den Sie bis zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Je länger Sie in die Rentenkasse eingezahlt haben, desto höher ist folglich Ihr Anspruch bei der Erwerbsminderungsrente.
Die Höhe der Erwerbsminderungsrente hängt von den gesammelten Entgeltpunkten, dem aktuellen Rentenwert und dem Rentenartfaktor ab. Die gute Nachricht für Bezieher von Erwerbsminderungsrenten: Wenn der Rentenanspruch allgemein steigt, steigt auch die Erwerbsminderungsrente. Von Rentenanpassungen profitieren also auch Menschen mit Erwerbsminderung.
Wie viel Geld Sie durch eine Erwerbsminderungsrente bekämen, können Sie der Renteninformation entnehmen, die die Deutsche Rentenversicherung einmal im Jahr an Versicherte schickt. Mit allzu viel Geld sollten Sie aber nicht rechnen: Im Schnitt bekamen Menschen mit Erwerbsminderung zuletzt eine Nettorente von weniger als 870 Euro im Monat, und zwar vor Steuern. Bei jüngeren Betroffenen zwischen 30 und 54 Jahren war die Erwerbsminderungsrente meist deutlich geringer.
Wichtig zu wissen: Eine Erwerbsminderungsrente wirkt sich auf den späteren Rentenanspruch bei der Altersrente aus. Pro Monat, den Sie eine Erwerbsminderungsrente bezogen haben, vermindert sich die Rentenhöhe um 0,3 Prozentpunkte. Diese Minderungen können sich auf bis zu 10,8 Prozent summieren und bleiben lebenslang bestehen.
Wo und wie kann man Erwerbsminderungsrente beantragen?
Eine Erwerbsminderungsrente können Sie bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen. Vor Ihrem Antrag sollten Sie sich jedoch gut über das Verfahren informieren, denn viele Anträge werden abgelehnt. Im Jahr 2020 waren es 42 Prozent. Das liegt zum Teil daran, dass die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt sind. Mitunter erkennt die Rentenversicherung bestimmte Krankheitsbilder nicht an.
Immer wieder unterlaufen zudem Antragstellern vermeidbare Fehler – zum Beispiel, dass sie ihre Krankheitsgeschichte nicht ausreichend schildern. Hierbei sollten Sie so detailliert wie möglich vorgehen, weil es die Chance erhöht, dass die Rentenversicherung Ihre Erwerbsminderung anerkennt. Möglichst ausführliche ärztliche Atteste sind ebenfalls sehr wichtig. Daraus sollte hervorgehen, wie lange Sie schon weswegen in Behandlung sind, wie sich Ihre Krankheit oder Behinderung auf Ihren Alltag auswirkt, welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden und wie die Zukunftsaussichten sind.
Sie können sich bei der Antragstellung von Versicherungsberatern der Rentenversicherung unterstützen lassen. Auch Sozialverbände sind ein möglicher Ansprechpartner, bei dem Sie sich beraten lassen können.
Erwerbsminderungsrente zu beantragen kann ein langwieriger Prozess sein. Es kann mehrere Jahre dauern, bis die Bewilligung eintrifft. Zwischenzeitlich kann der zuständige Rentenversicherungsträger zum Beispiel Reha-Maßnahmen anordnen, um zu schauen, ob die Erwerbsfähigkeit verbessert werden kann. In der Regel ordnet die Rentenversicherung auch einen Termin bei einem Gutachter an, der die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers bewertet.
Wenn die Rentenversicherung Ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente ablehnt, sollten Sie das nicht einfach hinnehmen. Prüfen Sie den Bescheid des Rentenversicherungsträgers, am besten mit professioneller Unterstützung. Sie haben nach dem Erhalt des Bescheids einen Monat Zeit, um Widerspruch dagegen einzulegen. Falls die Rentenversicherung Ihren Widerspruch ablehnt, bleibt Ihnen noch die Möglichkeit, zu klagen.
Erwerbsminderungsrente: Darf man etwas hinzuverdienen?
Die Erwerbsminderungsrente reicht für viele Betroffene nicht aus, um ihren Lebensunterhalt davon zu bestreiten. Dann kommt häufig die Frage auf, ob man nebenher arbeiten darf, ohne den Rentenanspruch zu gefährden. Das ist grundsätzlich in einem gewissen Rahmen möglich.
Bei einer vollen Erwerbsminderung liegt die Hinzuverdienstgrenze bei 6.300 Euro im Jahr. Wer mehr verdient, muss mit entsprechenden Kürzungen der Erwerbsminderungsrente rechnen. Es kann auch sein, dass sie gar nicht mehr gezahlt wird – das gilt besonders dann, wenn jemand mehr als drei Stunden am Tag arbeitet, obwohl er als voll erwerbsgemindert gilt.
Die Hinzuverdienstgrenze bei einer teilweisen Erwerbsminderung ist variabel und hängt von den Gegebenheiten im Einzelfall ab. Wenden Sie sich an den zuständigen Rentenversicherungsträger, um zu erfragen, wie viel Sie jährlich hinzuverdienen dürfen, ohne Ihren Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zu gefährden. Bei einer Teilerwerbsminderung dürfen Sie außerdem maximal sechs Stunden pro Tag arbeiten, da sonst nicht mehr von einer Erwerbsminderung ausgegangen werden kann.
Gut zu wissen: Relevant bei einem Hinzuverdienst sind nicht nur die Einnahmen aus einem Job, sondern auch von ehrenamtlichen Tätigkeiten.
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