Sozialversicherung: Wie funktioniert sie und was gehört dazu?
Deutschland ist ein Sozialstaat. Ein elementarer Bestandteil der sozialen Absicherung der Bürger ist die Sozialversicherung. Wer in Not gerät – etwa durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit – ist durch die Sozialversicherungsträger geschützt. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über die Bestandteile und den Zweck der Sozialversicherung, außerdem geht es darum, wer Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss und wie hoch die Kosten dafür sind.
Sozialversicherung: Was ist das?
Soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit gehören zu den verfassungsgemäßen Zielen der Bundesrepublik Deutschland, die sich als Sozialstaat versteht. Damit ist der Anspruch verbunden, dass es in Deutschland möglichst gerecht zugehen soll und die Ungleichheit zwischen den Menschen nicht zu groß werden sollte. Ein essenzielles Instrument hierfür ist die gesetzliche Sozialversicherung.
Die gesetzliche Sozialversicherung, die aus mehreren Zweigen besteht, dient der sozialen Absicherung der Bürger gegen bestimmte Risiken. Sie bietet Menschen, die durch ihre persönlichen Umstände vulnerabel sind, Schutz und soll verhindern, dass Bürger abgehängt werden.
Eingeführt wurde die Sozialversicherung Ende des 19. Jahrhunderts vom früheren Reichskanzler Otto von Bismarck. Er sorgte sich, dass unzufriedene Fabrikarbeiter eine Revolution anzetteln könnten. Um das zu verhindern, brachte er ein System der sozialen Absicherung auf den Weg. Nach einem Unfall oder einer Krankheit sollten die Arbeiter eine Entschädigung erhalten, damit sie und ihre Familien unter ihrer Situation weniger leiden mussten. Das Deutsche Kaiserreich führte im Jahr 1883 als erstes Land der Welt eine gesetzliche Krankenversicherung ein. Ein Jahr später, 1884, folgte die gesetzliche Unfallversicherung.
Später kamen weitere Zweige der Sozialversicherung hinzu: die Arbeitslosenversicherung und die Rentenversicherung. Die Pflegeversicherung wurde erst deutlich später in den 1990er Jahren eingeführt. Die Leistungen zur sozialen Absicherung im Rahmen der Sozialversicherung erbringen die Sozialversicherungsträger. Dazu zählen unter anderem die Krankenkassen, die gesetzliche Rentenversicherung und die Berufsgenossenschaften als Träger der Unfallversicherung.
Wann zahlt die Sozialversicherung?
Die Sozialversicherung sichert die Bürger in Deutschland in Situationen erhöhter Vulnerabilität ab. Wer in eine entsprechende Lage gerät, erhält Leistungen des jeweiligen Sozialversicherungsträgers. Es hängt vom Zweig der Sozialversicherung ab, unter welchen Umständen Betroffene Unterstützung erhalten:
- Die Krankenversicherung zahlt bei Krankheit. Wer krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, erhält zunächst eine Lohnfortzahlung vom Arbeitgeber, anschließend Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung. Außerdem werden reguläre Arztbesuche und erforderliche Behandlungen sowie Vorsorgeleistungen von der Krankenkasse übernommen.
- Die Pflegeversicherung leistet Unterstützung, wenn jemand pflegebedürftig geworden ist.
- Die gesetzliche Rentenversicherung zahlt nicht nur die reguläre Altersrente, sondern auch andere Renten. Dazu gehören etwa Erwerbsminderungsrenten und Hinterbliebenenrenten.
- Die Arbeitslosenversicherung springt bei Arbeitslosigkeit ein. Betroffene können abhängig von ihren persönlichen Umständen Arbeitslosengeld I oder II erhalten.
- Für Folgekosten von Unfällen und Berufskrankheiten kommt die gesetzliche Unfallversicherung auf.
Durch die Sozialversicherung sind die meisten Deutschen vergleichsweise gut abgesichert. Gäbe es etwa die gesetzliche Krankenversicherung nicht, müssten Menschen, die sich nicht privat versichert haben, jegliche Behandlungen selbst zahlen. Eine kostspielige Operation könnte die Betroffenen dann schnell in den finanziellen Ruin treiben.
Sozialversicherungsbeiträge: Wer muss sie zahlen?
Die Grundlage des deutschen Sozialstaats ist das sogenannte Solidaritätsprinzip, welches auch als Solidarprinzip bekannt ist. Es drückt aus, dass sich die Mitglieder einer Gemeinschaft gegenseitig helfen. Wer in Not gerät, erhält Hilfe von der Allgemeinheit. Das ist das Grundprinzip der Sozialversicherung in Deutschland.
Wer in die Sozialversicherung einzahlen muss, hängt davon ab, um welchen Zweig es sich handelt. Die meisten abhängig beschäftigten Arbeitnehmer sowie Auszubildende sind in allen Zweigen der Sozialversicherung pflichtversichert. Auch Empfänger von Arbeitslosengeld, Übergangsgeld oder anderen Sozialleistungen sind gesetzlich sozialversichert.
Nicht grundsätzlich sozialversicherungspflichtig sind hingegen Freiberufler und Unternehmer, Beamte, Soldaten und geringfügig Beschäftigte mit einem Einkommen von höchstens 450 Euro im Monat. Je nach Beruf kann es allerdings sein, dass manche Selbständige in einem Zweig der Sozialversicherung pflichtversichert sind – zum Beispiel Handwerker oder Publizisten in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Sozialversicherungsbeiträge
Sich in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu versichern, ist nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe zwingend erforderlich. Übersteigt das Gehalt diese Grenze, können sich Beschäftigte auch privat versichern.
Die Sozialversicherungsbeiträge teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu gleichen Teilen, für die Beiträge zur Unfallversicherung kommt der Arbeitgeber allerdings alleine auf. Mehrere Umlagen – die Umlage U1 bei Lohnfortzahlung, die Umlage U2 bei Mutterschaft und die Umlage U3 bei Insolvenz – zahlt ebenfalls nur der Arbeitgeber.
Die Beiträge an die Sozialversicherungsträger gehen direkt vom Gehalt von Arbeitnehmern ab. Der Arbeitgeber berücksichtigt sie bei der Entgeltabrechnung und leitet die Beiträge an die Sozialversicherungsträger weiter.
Wie hoch sind die Beiträge für die Sozialversicherung?
Dass die Beiträge für die Sozialversicherung bei der Entgeltabrechnung abgezogen werden, sorgt dafür, dass sich das Brutto-Einkommen der Beschäftigten entsprechend verringert. Hinzu kommen fällige Steuern, die ebenfalls von der Vergütung abgehen. Übrig bleibt das Nettogehalt.
Wie hoch die Beiträge für die Sozialversicherung sind, hängt vom Einkommen ab. Je mehr ein Versicherter verdient, desto höher sind seine Sozialversicherungsbeiträge. Das Ausmaß, in dem Beschäftigte durch die Sozialversicherung gegen Risiken wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit abgesichert sind, bleibt aber für alle Versicherten gleich.
Bei der Einführung der Sozialversicherung Ende des 19. Jahrhunderts hatten Arbeitnehmer noch den größeren Teil der Beiträge übernehmen müssen. Auf Beschäftigte entfielen zwei Drittel der Beiträge, während Arbeitgeber nur für das verbliebene Drittel aufkommen mussten. Das hat sich seither grundlegend geändert: Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich die Beiträge zu jeweils gleichen Teilen – mit Ausnahme der Unfallversicherung, für die Beschäftigte nichts zahlen müssen.
Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge 2021
Die Sozialversicherungsbeiträge bemessen sich am Verdienst; jeder Arbeitnehmer muss einen gewissen Prozentsatz seines Brutto-Einkommens dafür aufwenden. Wie hoch die Sozialversicherungsbeiträge sind, hängt vom Zweig der Sozialversicherung ab:
- Für die gesetzliche Krankenversicherung zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 7,3 Prozent. Der ermäßigte Satz liegt bei je 7,0 Prozent. Hinzu kommt ein einkommensabhängiger Zusatzbeitrag für die Krankenversicherung, der von der jeweiligen Krankenkasse festgelegt wird. Im Schnitt beträgt der Zusatzbeitrag insgesamt 1,3 Prozent des Bruttolohns, wovon Arbeitnehmer entsprechend 0,65 Prozent zahlen müssen.
- Fast alle Arbeitnehmer zahlen an die Pflegeversicherung 1,525 Prozent ihres Einkommens, ebenso wie ihr Arbeitgeber. Lediglich in Sachsen ist das anders, hier zahlt der Arbeitnehmer etwas mehr. In Sachsen müssen Beschäftigte 2,025 Prozent, Arbeitgeber folglich 1,025 Prozent des Brutto-Einkommens an die Pflegeversicherung weiterleiten. Für Versicherte ohne Kinder, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, erhöht sich der Beitrag um 0,25 Prozent. In Sachsen macht der Pflegeversicherungsbeitrag dann insgesamt 2,275 Prozent des Einkommens aus, im übrigen Bundesgebiet 1,775 Prozent.
- Für die Arbeitslosenversicherung zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 1,2 Prozent des Bruttolohns.
- Die Höhe des Beitrags an die gesetzliche Rentenversicherung beträgt auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite jeweils 9,3 Prozent.
Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze
Damit gehen aufgrund der Sozialversicherungsbeiträge rund 20 Prozent vom Lohn ab. Arbeitnehmer mit sehr hohen Einkommen sind im Vorteil: Die Höhe des Einkommens, auf das Sozialversicherungsbeiträge anfallen, ist gedeckelt. Die Beitragsbemessungsgrenze stellt die Obergrenze dar. Wer mehr verdient, zahlt für das Einkommen, das über die Beitragsbemessungsgrenze hinausgeht, keine Beiträge an die Sozialversicherung. Dieser Teil des Einkommens wird also nicht berücksichtigt.
Gegenwärtig liegt die Beitragsbemessungsgrenze in den alten Bundesländern bei 4.837,50 Euro pro Monat für die Kranken- und Pflegeversicherung. Bei der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung liegt die Grenze bei 7.100 Euro im Monat. In den neuen Bundesländern ist die Beitragsbemessungsgrenze bei der Kranken- und Pflegeversicherung identisch mit der in den westdeutschen Ländern. Die Beitragsbemessungsgrenze bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung ist mit 6.700 Euro monatlich allerdings niedriger.
Aufgrund des demografischen Wandels müssten die Beiträge für die gesetzliche Sozialversicherung eigentlich noch stärker steigen. Das Problem: Es gibt immer mehr ältere Menschen aus geburtsstarken Jahrgängen, die in Rente gehen. Für ihre Rente müssen immer weniger Arbeitnehmer aufkommen. Zugleich werden Menschen heute älter als früher, wodurch sie länger eine Altersrente erhalten. Durch die gestiegene Lebenserwartung steigt außerdem die Wahrscheinlichkeit, dass Kosten für Behandlungen beim Arzt oder in einem Krankenhaus anfallen, die von den Sozialversicherungsträgern übernommen werden.
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