Arbeitszeitbetrug: Was zählt dazu und welche Konsequenzen kann er haben?
In den meisten Arbeitsverhältnissen haben sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Beginn auf eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit geeinigt. Der Arbeitnehmer ist dann dazu verpflichtet, seine Stunden wie vorgesehen zu machen. Täuscht ein Beschäftigter seine Arbeitstätigkeit zeitweise nur vor, handelt es sich um Arbeitszeitbetrug. In diesem Beitrag geht es darum, wann man von Arbeitszeitbetrug spricht und welche Folgen er haben kann.
Arbeitszeitbetrug: Was ist darunter zu verstehen?
Für viele Arbeitnehmer hat der Arbeitstag acht Stunden. In dieser Zeit dürfen sie sich keinen privaten Dingen widmen – theoretisch jedenfalls. Tatsächlich kann sich kaum ein Beschäftigter über so lange Zeit konzentrieren, ohne sich zwischendurch mit Kollegen zu unterhalten, kurz im Internet zu surfen oder zwischendurch Nachrichten bei WhatsApp zu beantworten. Erfüllt ein Beschäftigter seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit nicht, obwohl der Arbeitgeber ihn dafür entlohnt, kann es sich um Arbeitszeitbetrug handeln.
Um Arbeitszeitbetrug kann es sich zum Beispiel in diesen Fällen handeln:
- Der Arbeitnehmer nutzt Arbeitszeit für private Zwecke – er surft (unerlaubt) privat im Internet, chattet oder schreibt private Nachrichten, führt private Telefonate oder liest heimlich Zeitung
- Der Arbeitnehmer arbeitet im Home-Office nicht die ganze Zeit, sondern geht einen Teil der Zeit privaten Angelegenheiten nach
- Der Beschäftigte rechnet Stunden ab, die er gar nicht gemacht hat
- Der Arbeitnehmer manipuliert Zeiterfassungssysteme oder bittet einen Kollegen, dies für ihn zu tun – etwa durch falsches Stempeln
- Der Beschäftigte macht zu lange Pausen oder unerlaubte Pausen, etwa Raucherpausen
- Der Arbeitnehmer bleibt absichtlich länger, obwohl es eigentlich keinen Grund dazu gibt, um Überstunden aufzubauen
- Der Beschäftigte kommt regelmäßig zu spät oder geht früher nach Hause, ohne diese Zeiten später nachzuarbeiten
Handelt es sich beim Plausch mit Kollegen um Arbeitszeitbetrug?
Im Arbeitsalltag gibt es immer wieder Situationen, in denen Arbeitnehmer arbeiten sollten, es aber kurzzeitig nicht tun. Dazu zählen spontane Gespräche mit Kollegen, Raucherpausen und der regelmäßige Gang zur Kaffeemaschine oder dem Wasserkocher. Handelt es sich in diesen Fällen um Arbeitszeitbetrug? Es kommt auf die Umstände an.
Arbeitszeitbetrug setzt vorsätzliches Handeln voraus. Unterhält sich ein Arbeitnehmer mit einem Kollegen, kann ihm kaum eine betrügerische Absicht unterstellt werden. Außerdem sind selbst private Gespräche auch aus Sicht des Arbeitgebers nicht nur verschwendete Zeit, weil sie den Zusammenhalt im Team stärken können. Werden die Unterhaltungen zu ausschweifend, können sie jedoch zum Problem werden und arbeitsrechtliche Folgen haben.
Bei Raucherpausen und anderen Pausen kommt es darauf an, ob diese erlaubt sind. Steht einem Arbeitnehmer etwa täglich eine Pause von 45 Minuten zu, kann er diese Zeit in mehrere Pausen aufteilen. Macht er insgesamt jedoch länger Pause und wird vom Arbeitgeber in dieser Zeit auch bezahlt, kann Arbeitszeitbetrug gegeben sein.
Wenn ein Arbeitnehmer zu spät kommt, muss es sich nicht um Arbeitszeitbetrug handeln. Holt er die verlorene Zeit nach oder schreibt sie nicht auf, so dass sie auch nicht vergütet wird, kann nicht von Arbeitszeitbetrug ausgegangen werden. Problematisch wird häufiges Zuspätkommen dann, wenn der Arbeitnehmer dadurch insgesamt zu wenig arbeitet und trotzdem sein volles Gehalt erhält.
Arbeitszeitbetrug vs. Arbeitszeitverstoß: Wo liegen die Unterschiede?
Unterschieden werden muss Arbeitszeitbetrug von Arbeitszeitverstößen. Um einen Arbeitszeitverstoß handelt es sich dann, wenn ein Beschäftigter seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit nicht erfüllt. Das könnte etwa der Fall sein, wenn er versehentlich eine zu lange Mittagspause macht oder er morgens zu spät kommt, weil er im Stau stand. Anders als beim Arbeitszeitbetrug setzt ein Arbeitszeitverstoß jedoch keine Betrugsabsicht des Beschäftigten voraus.
Arbeitszeitbetrug kann weitreichende Folgen haben
Wenn ein Mitarbeiter für Arbeitszeit bezahlt wird, die er gar nicht in vollem Umfang geleistet hat, ist das für Arbeitgeber ein Problem. Sie bekommen nicht die vereinbarte Gegenleistung, sondern haben wirtschaftliche Nachteile durch das Verhalten ihres Mitarbeiters. Deshalb drohen Beschäftigten, die Arbeitszeitbetrug begehen, arbeitsrechtliche Konsequenzen. Eine Abmahnung wegen Arbeitszeitbetrugs ist ebenso denkbar wie eine Kündigung. Bei Arbeitszeitbetrug kommt auch eine fristlose Kündigung in Betracht, wenn die Umstände dies rechtfertigen.
Ob bei Arbeitszeitbetrug eine Kündigung zulässig ist, kommt auf die spezifische Situation an. Einerseits hängt es vom konkreten Vergehen des Beschäftigten ab. Andererseits kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber dasselbe Verhalten bei anderen Mitarbeitern toleriert. Er könnte dann nicht einen Arbeitnehmer herauspicken und nur ihn für sein Verhalten abmahnen.
Die Reaktion des Arbeitgebers auf Arbeitszeitbetrug muss verhältnismäßig sein, außerdem müssen Arbeitgeber immer das mildeste Mittel nehmen. Eine Abmahnung bei Arbeitszeitbetrug trifft den Beschäftigten weniger hart als eine Kündigung. Zugleich bekommt er die Gelegenheit, sich künftig pflichtbewusst zu verhalten und eine Kündigung damit abzuwenden.
Arbeitszeitbetrug: Wann die Kündigung droht
Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bereits wegen Arbeitszeitbetrugs abgemahnt, kann bei einem erneuten Verstoß die Kündigung folgen. Eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs setzt ein erhebliches Ausmaß des Arbeitszeitbetrugs voraus. Nur, weil ein Mitarbeiter einige Minuten zu spät gekommen ist und diese Zeit nicht nachgearbeitet hat, kann ihm der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres kündigen. Zugleich muss der Arbeitszeitbetrug dem Arbeitgeber nennenswert geschadet haben. Handelt es sich um niedrige Beträge, die der Arbeitgeber seinem Mitarbeiter zu viel bezahlt hat, ist trotz Arbeitszeitbetrug eine Kündigung nur schwer durchzusetzen.
Als Reaktion auf den Arbeitszeitbetrug kommt auch eine fristlose Kündigung in Betracht. Die Hürden hierfür sind jedoch höher als bei einer ordentlichen, fristgerechten Kündigung. Der Arbeitgeber braucht einen wichtigen Grund nach § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Zugleich darf es ihm bei einer fristlosen Kündigung nicht zumutbar sein, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist fortzusetzen.
Der Arbeitgeber muss Arbeitszeitbetrug nachweisen
In jedem Fall liegt es am Arbeitgeber, einen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Ohne stichhaltige Beweise wird es für Arbeitgeber schwer, eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs notfalls auch vor Gericht durchzusetzen.
Neben einer sogenannten Tatkündigung wegen Arbeitszeitbetrugs kommt allerdings auch eine Verdachtskündigung in Betracht. Arbeitgeber können sie aussprechen, ohne hundertprozentige Gewissheit zu haben, dass ihre Vorwürfe zutreffen. Der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs wiegt dann so schwer, dass das Vertrauensverhältnis zum Beschäftigten dauerhaft zerstört ist. Unter diesen Umständen kann bei Arbeitszeitbetrug eine Kündigung auch ohne eine erdrückende Beweislast wirksam sein.
Bei Arbeitszeitbetrug kann es sich auch um eine Straftat handeln. Nach § 263 des Strafgesetzbuchs (StGB) droht bei Betrug eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Handelt es sich tatsächlich um Arbeitszeitbetrug, können Betroffene also auch strafrechtlich verfolgt werden. Schon der Versuch ist strafbar. Bei Arbeitszeitverstößen, die nicht vorsätzlich geschehen sind, kann es sich jedoch nicht um Betrug im eigentlichen Sinn handeln. Ohne Vorsatz ist der vermeintliche Arbeitszeitbetrug keine Straftat.
Arbeitszeitbetrug nachweisen: Diese Optionen haben Arbeitgeber
Damit eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs wirksam sein kann, müssen Arbeitgeber den Betrug ihres Mitarbeiters zunächst nachweisen – es sei denn, sie sprechen eine Verdachtskündigung aus. Die Aussichten vor Gericht sind für Arbeitgeber jedoch besser, wenn sie eindeutige Belege für den Arbeitszeitbetrug haben.
Diese eindeutigen Beweise gibt es jedoch häufig nicht. In der Praxis ist es für Arbeitgeber oft schwer, Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Am einfachsten ist ein Nachweis, wenn die Arbeitszeit in einem Betrieb eindeutig festgelegt ist – inklusive der Dauer der Pausen. Das ist in vielen Firmen jedoch nicht der Fall. Außerdem bekommen Arbeitgeber nicht immer mit, ob ein Beschäftigter tatsächlich gerade arbeitet oder er privaten Dingen nachgeht. Während es meist auffällt, wenn ein Mitarbeiter zu spät kommt oder zu lange in der Mittagspause ist, weiß der Arbeitgeber in aller Regel nicht mit letzter Sicherheit, was ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz tut.
Selbst, wenn der Arbeitgeber seinen Beschäftigten auf frischer Tat ertappt, kann dieser sich aus der Sache herausreden. Er kann etwa angeben, dass er sich versehentlich nicht ausgestempelt hat oder er die Zeit, die er durch ein Zuspätkommen verloren hat, bereits nachgeholt hat. Die Betrugsabsicht kann dann meist nicht nachgewiesen werden, was eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs entsprechend schwierig macht.
Verdacht auf Arbeitszeitbetrug: Was dürfen Arbeitgeber?
Besonders schwierig ist der Nachweis eines Arbeitszeitbetrugs, wenn Beschäftigte im Außendienst oder im Home-Office arbeiten. Arbeitszeitbetrug lässt sich auch bei Vertrauensarbeitszeit und Gleitzeit kaum belegen, da es in beiden Fällen keine allgemeinverbindlichen Arbeitszeiten gibt. Außerdem weiß der Arbeitgeber meist nicht, ob der Mitarbeiter nicht zu anderen Zeiten länger gearbeitet hat. Um Arbeitszeitbetrug kann es sich bei Vertrauensarbeitszeit und Gleitzeit nur handeln, wenn der Beschäftigte insgesamt unter seinem Stunden-Soll bleibt.
Bei einem Verdacht auf Arbeitszeitbetrug können Arbeitgeber einen Privatdetektiv engagieren, der etwa einen Mitarbeiter im Außendienst überwacht. Kann dadurch Arbeitszeitbetrug nachgewiesen werden, müssen betroffene Arbeitnehmer unter Umständen für das Honorar des Detektivs aufkommen. Auch eine vorübergehende Videoüberwachung kann erlaubt sein, wenn ein hinreichender Verdacht auf Arbeitszeitbetrug im Raum steht. Die Videoüberwachung muss dann jedoch zielgerichtet und zeitlich begrenzt sein.
Arbeitszeitbetrug durch Arbeitgeber: Was kann man dagegen tun?
Wenn von Arbeitszeitbetrug die Rede ist, geht es meist um einen Arbeitszeitbetrug des Arbeitnehmers. Genauso ist jedoch denkbar, dass der Arbeitszeitbetrug vom Arbeitgeber ausgeht. Arbeitszeitbetrug durch den Arbeitgeber fällt praktisch immer zulasten des betroffenen Arbeitnehmers aus. Darum kann es sich etwa handeln, wenn Stunden nicht erfasst werden oder Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten werden, obwohl das eigentlich nicht zulässig ist. Lohn oder Gehalt decken in solchen Fällen nicht die gesamte Arbeitsleistung der Beschäftigten ab.
Wer glaubt, dass sein Arbeitgeber Arbeitszeitbetrug begeht, sollte seinen Vorgesetzten auf das Thema ansprechen. Falls es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, ist es sinnvoll, zunächst mit diesem zu sprechen. Er kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vermitteln. Wenn ein Gespräch mit dem Arbeitgeber nicht zu einer Lösung führt, sollten Betroffene sich anwaltlichen Beistand suchen.
Verdacht auf Arbeitszeitbetrug: Tipps für Betroffene
Wenn der Arbeitgeber glaubt, dass ein Beschäftigter Arbeitszeitbetrug begeht, kann das problematisch sein. Schließlich droht eine Abmahnung oder sogar die Kündigung wegen Arbeitszeitbetrugs. Wie sollte man sich also verhalten, wenn man vom Chef des Arbeitszeitbetrugs verdächtigt wird?
Es kommt darauf an, ob Betroffene tatsächlich bei ihrer Arbeitszeit geschummelt haben oder nicht. Treffen die Vorwürfe zu, kann es sinnvoll sein, das offen zuzugeben. Arbeitnehmer haben dann zumindest die Chance, mit Ehrlichkeit zu punkten. Die Vorwürfe abzustreiten, obwohl sie stimmen, ist riskant. Kommt die Wahrheit doch ans Licht, ist die Kündigung oft unausweichlich.
Wer jedoch keinen Arbeitszeitbetrug begangen hat, sollte mit seinem Arbeitgeber sprechen. Wenn der Betriebsrat hinzugezogen werden kann, stärkt das die Position des Arbeitnehmers. Betroffene sollten Gegenargumente vorbringen, soweit das möglich ist. Gegebenenfalls können auch Kollegen bezeugen, dass der Beschäftigte keinen Arbeitszeitbetrug begangen hat. Es ist sinnvoll, die eigenen Arbeitszeiten genau zu dokumentieren – inklusive Tätigkeitsbeschreibung. So haben Arbeitnehmer bessere Chancen, den Arbeitgeber von ihrer Unschuld zu überzeugen.
Was tun, wenn ein Kollege Arbeitszeitbetrug begeht?
Manchmal bekommt man mit, dass Kollegen es mit der Arbeitszeit nicht so genau nehmen. Beim Arbeitszeitbetrug eines Kollegen fragen sich viele: Wie verhalte ich mich richtig? Die Antwort können Sie nur individuell für sich finden. Es hängt davon ab, wie Sie die Situation einschätzen und ob Sie glauben, dass der Kollege absichtlich falsche Arbeitszeiten vorgaukelt. Das Ausmaß des Arbeitszeitbetrugs spielt darüber hinaus eine Rolle bei der Frage, wie man reagieren sollte.
Bevor Sie zum Chef gehen, sollten Sie Ihrem Kollegen die Gelegenheit geben, sich zu erklären. Machen Sie die betreffende Person darauf aufmerksam, dass Sie den Arbeitszeitbetrug bemerkt haben, und fordern Sie sie auf, selbst zum Vorgesetzten zu gehen. Wenn Sie den Verdacht ohne Vorwarnung an den Chef weitergeben, verärgern Sie Ihren Kollegen wahrscheinlich. Noch dazu kann es sein, dass Sie in Ihrer Einschätzung falsch liegen. Dann kann es für den Kollegen gravierende Folgen haben, wenn Sie sich an den Chef wenden.
Sie sind nicht dazu verpflichtet, einen Verdacht auf Arbeitszeitbetrug an den Vorgesetzten zu melden. Wenn Sie sich dagegen entscheiden, ist das Ihre Sache. Falls der Arbeitszeitbetrug jedoch später herauskommt und ebenso herauskommt, dass Sie davon wussten, kann das Ihr Verhältnis zum Arbeitgeber belasten.
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