Berufliche Neuorientierung: Wann Sie den Schritt wagen sollten

Der Beruf, den man einmal ergriffen hat, muss nicht der Beruf fürs ganze Leben sein. Manchmal stellt man nach einer gewissen Zeit fest, dass man beruflich in eine Sackgasse geraten ist. Dann kann eine berufliche Neuorientierung Sinn machen. Wie das praktisch aussehen kann, für wen es sich lohnt und was Sie beachten sollten – hier erfahren Sie mehr.

Eine Frau steht auf einem Pfeil, wie gelingt die berufliche Neuorientierung?

Berufliche Neuorientierung: Wann kann sie sich lohnen?

Längst nicht alle Menschen sind mit ihrer beruflichen Situation zufrieden. Manchmal gibt es nur vorübergehend Probleme, die sich nach einer gewissen Zeit von selbst verflüchtigen. In anderen Fällen hält die Unzufriedenheit an, weil sich an der Situation nichts ändert. Die Betroffenen haben dann zum Beispiel permanent viel Stress, hohen Leistungsdruck, ihnen fehlt die Freude an der Arbeit, vielleicht langweilen sie sich, sind unter- oder überfordert. Vielleicht steht auch der Job selbst auf dem Spiel, weil er nicht zukunftsträchtig ist. In anderen Fällen mangelt es an Wertschätzung, vielleicht ist der Chef keine gute Führungskraft oder das Betriebsklima ist mies.

Wer unter derartigen Zuständen an der Arbeit leidet, leidet oft auch privat unter der Situation. Die Folgen können mental und körperlich spürbar sein und sich etwa durch Schlafprobleme, Rückenschmerzen, Tinnitus, Magen-Darm-Beschwerden, Burnout oder Depressionen äußern. Wenn keine Besserung in Sicht ist, denken viele Betroffene über eine berufliche Neuorientierung nach. Das kann verschiedene Dinge bedeuten. Für manche heißt berufliche Neuorientierung schlicht, den Arbeitgeber nach langer Zeit zu wechseln. Es kann auch bedeuten, aus einem Dasein als Angestellter in die Selbstständigkeit zu wechseln – oder umgekehrt. Oder aber, beruflich noch einmal ganz von vorn zu beginnen, indem man einen anderen Beruf ergreift. Diese Variante ist wohl mit den größten Veränderungen verbunden.

Ob sich eine berufliche Neuorientierung lohnen kann, hängt von Ihren konkreten Umständen und Ihrem Leidensdruck ab. Wichtig ist, dass Sie nicht nur vor Augen haben, was Sie nicht mehr wollen. Sie brauchen auch eine gute Perspektive, wie Ihre Zukunft nach einer beruflichen Veränderung aussehen könnte. Die Aussichten müssen zumindest grundsätzlich gut sein, dass Sie in einem anderen Bereich beruflich erfolgreich sein können.

Berufliche Neuorientierung mit 40 oder 50 – eine gute Idee?

Arbeitnehmer, die nicht mehr am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen, haben oft Skrupel, eine berufliche Neuorientierung anzugehen. Sie fragen sich, ob sie nicht zu alt dafür sind. Kann man auch mit 40, 50 oder gar 60 im Job neu anfangen? Oder sollte man wegen des Alters lieber auf einen Neustart im Beruf verzichten? 

Es kommt immer darauf an, wo Sie stehen und welche Optionen Sie haben. Angenommen, Sie sind gerade mal 40, 45 Jahre alt. Dann haben Sie noch viele Jahre im Beruf – im Zweifel genauso viele oder sogar mehr, als Sie bisher überhaupt gearbeitet haben. Das alleine zeigt, wie viel Zeit im Job noch vor Ihnen liegt. Wenn Sie unter Ihrer beruflichen Situation sehr leiden, ist es langfristig kaum tragbar, nichts zu verändern. Auch eine berufliche Neuorientierung mit 50 oder 60 Jahren kann noch Sinn machen, besonders, wenn Ihr Leidensdruck groß ist. Wollen Sie wirklich noch viele Jahre in einem Job (oder Beruf) bleiben, der Sie unglücklich macht?

Wie groß sollte oder muss die Veränderung sein?

Eine berufliche Veränderung ist letztlich immer möglich und in vielen Fällen nicht nur sinnvoll, sondern auch aussichtsreich. Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie tiefgreifend die Veränderung sein muss, damit Sie zufriedener sind. Wenn Sie nicht mehr allzu viele Jahre bis zur Rente haben, ist es vielleicht besser, „nur“ den Job zu wechseln, wenn sich dadurch Verbesserungen ergeben können, als es als Quereinsteiger in einem ganz anderen Bereich zu versuchen.

Es ist leider eine Tatsache, dass es für ältere Beschäftigte schwerer ist, einen neuen Job zu finden. Viele Unternehmen stellen lieber jüngere Bewerber ein, die sie für dynamischer und flexibler halten – und mit denen sie womöglich zumindest theoretisch auch noch länger planen können als mit einem Bewerber, der bald in Rente geht. Diese Erschwernis bei Bewerbungen gibt es für viele ältere Arbeitnehmer, und die Ausgangslage wäre zusätzlich erschwert, wenn Sie sich in einem Bereich bewerben, in dem Sie bisher keine Erfahrung haben. Mit einem guten Plan kann eine berufliche Umorientierung aber auch noch in höherem Alter klappen. Überlegen Sie, welche Optionen sich bei Ihnen anbieten und wie aussichtsreich sie jeweils sind.

Tiefgreifende berufliche Veränderung: Pro & Contra

Soll ich oder soll ich nicht? Viele Beschäftigte, die in ihrem Job oder Beruf nicht mehr glücklich sind, machen sich die Entscheidung über eine womöglich tiefgreifende berufliche Veränderung nicht leicht. Das ist auch gut so, denn je gravierender der Umbruch, desto besser sollte er überlegt sein, damit Sie diesen Schritt nicht später bereuen. Hier finden Sie wichtige Argumente für und gegen eine berufliche Neuorientierung, die Sie bei Ihrer Entscheidung bedenken sollten.

Pro: Das spricht für eine berufliche Neuorientierung

  • Wenn Sie mit Ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind, kommen Sie um eine berufliche Neuorientierung womöglich nicht herum – zumindest, wenn Sie wieder glücklicher im Job sein möchten.
  • Eine berufliche Neuorientierung bietet Ihnen die Chance, Ihr Wohlbefinden und Ihre Zufriedenheit zu steigern.
  • Vielleicht ist eine berufliche Neuorientierung auch ein Weg, der Ihnen beruflich bessere Rahmenbedingungen, (mittelfristig) eine höhere Bezahlung oder bessere Karrierechancen bietet.

Contra: Das spricht gegen eine berufliche Neuorientierung

  • Eine berufliche Neuorientierung – vor allem, wenn sie mit mehr als einem reinen Jobwechsel einhergeht – birgt immer gewisse Risiken. Sie haben keine Erfolgsgarantie.
  • Sie müssen außerdem womöglich wieder ganz unten anfangen. Das kann auch spürbare Gehaltseinbußen bedeuten.
  • In manchen Fällen wäre sehr viel nötig, um sich für einen anderen Beruf zu qualifizieren. Wenn zum Beispiel ein Studium oder eine Berufsausbildung erforderlich wäre, müssen Sie nicht nur die Zeit dafür aufbringen. Sie müssen auch trotz Ihrer erneuten Berufsausbildung genügend Einnahmen haben, um währenddessen über die Runden zu kommen.
  • Bei Bewerbungen in einem ganz anderen Bereich haben Sie eine schlechtere Ausgangsposition als Bewerber, die schon im betreffenden Beruf gearbeitet haben.

Berufliche Neuorientierung: Ja oder nein?

Pro-und-Contra-Listen sind das Eine – wie Sie sich entscheiden, ist aber immer abhängig von einer individuellen Bewertung Ihrer Ausgangssituation und Optionen für die Zukunft. Wann sollte man den Schritt hin zu einer beruflichen Neuorientierung wagen, wann lieber darauf verzichten?

Entscheidend ist einerseits, wo die Gründe für Ihre Unzufriedenheit liegen. Alle Sachverhalte, die sich kurzfristig ändern könnten, sind eher kein guter Grund für eine radikale berufliche Veränderung – einfach, weil mit so einem Umbruch zu viele Unsicherheiten verbunden sind. Wenn Sie zum Beispiel einen Chef haben, mit dem Sie nicht klarkommen, kann es vielleicht die bessere Lösung sein, sich Strategien im Umgang mit dem Vorgesetzten zu überlegen. Wer weiß, vielleicht ist der Chef schon bald wieder weg? Anders sieht es aus, wenn Sie Probleme haben, die sich aus Ihrem Beruf selbst ergeben und die auch bei einem Jobwechsel nicht aus der Welt geschafft wären. In so einem Fall ist eine umfassende berufliche Veränderung wahrscheinlich besser.

Andererseits kommt es darauf an, wie sehr Sie unter der Situation im Job leiden. Vielleicht schlafen Sie schlecht, haben oft Magenschmerzen oder grübeln auch in Ihrer Freizeit ständig über die belastende Situation im Beruf nach. Oder Sie fühlen sich ständig gestresst oder ausgebrannt. Je gravierender die Auswirkungen Ihrer beruflichen Situation auf Ihre Lebensqualität sind, desto mehr spricht für eine berufliche Neuorientierung.

Mögliche Folgen einer beruflichen Veränderung bedenken

Es kommt natürlich auch darauf an, welche Aussichten Sie haben. Was könnten Sie tun, was wäre nötig, um die Lage zu verbessern? Und welche Folgen hätte dieser Schritt – zum Beispiel finanziell oder für Ihre Chancen bei Bewerbungen? Bedenken Sie, was eine berufliche Veränderung Sie kosten könnte, in welchem zeitlichen Rahmen der Wechsel in einen neuen Beruf möglich wäre und mit welchen Unsicherheiten das Ganze behaftet wäre. 

Bevor Sie radikale Veränderungen anstoßen, überlegen Sie, ob Sie nicht vielleicht im Kleinen etwas tun können. Könnten Sie vielleicht in Ihrem jetzigen Job aktiv etwas verändern? Oder könnte ein offenes Gespräch mit dem Chef helfen? Vielleicht sind Kompromisse denkbar, die zwar nicht zu einer idealen Lösung führen, aber durch die Sie nichtsdestotrotz wieder zufriedener im Job sind. Wichtig ist in jedem Fall, dass Sie sich für die Abwägung des individuellen Für und Widers viel Zeit nehmen, um eine Entscheidung zu treffen, mit der Sie langfristig glücklich sind.

Tipps für eine erfolgreiche Neuorientierung im Beruf

Wenn Sie sich beruflich neuorientieren möchten, sollten Sie sich dieses Vorhaben gut überlegt haben. Kündigen Sie nicht einfach im Affekt Ihren Job, weil es eine Reiberei mit dem Chef gab oder Sie an einem stressigen Tag die Nase voll haben. Damit die berufliche Neuorientierung zum Erfolg wird, sollten Sie sie möglichst frühzeitig und gründlich planen. Lassen Sie sich also die nötige Zeit für Ihre Überlegungen.

Im ersten Schritt ist es wichtig, zu wissen, warum Sie jetzt unzufrieden im Beruf sind. Das können Probleme mit dem Chef sein, mangelnde Wertschätzung oder eine mangelnde Perspektive, eine schlechte Work-Life-Balance oder Dauerstress. Vielleicht fühlen Sie sich aber auch einfach nicht mehr wohl in Ihrem Beruf und wollen nicht mehr so weitermachen wie bisher.

Entscheidend ist nicht nur, was Sie hinter sich lassen wollen, sondern auch, wo Sie hinwollen. Überlegen Sie also: Welche Ziele habe ich? Welche Erwartungen habe ich an meinen Beruf und den Job? Wo bin ich gegebenenfalls bereit, Kompromisse einzugehen, und wo nicht? Wenn Sie diese Fragen beantwortet haben, wissen Sie, wo Sie hinwollen. Nun können Sie überlegen, wie Sie dort hinkommen. Welcher Weg könnte sich eignen? Welche Möglichkeiten haben Sie? Gibt es Kontakte, die Ihnen nützen könnten?

Wie Sie einen Beruf finden, der zu Ihnen passt

Wenn Sie beruflich künftig etwas ganz anderes machen möchten, sollten Sie Ihre Stärken, Interessen und Kompetenzen berücksichtigen. Es kann helfen, sich mit nahestehenden Personen über Ihre Gedanken auszutauschen. Andere haben von außen oft einen klareren Blick und können wertvolle Anregungen geben. Auch ein Coaching zur beruflichen Neuorientierung kann sinnvoll sein.

Haben Sie einen Beruf ins Auge gefasst, sollten Sie sich verdeutlichen, was für diese berufliche Veränderung nötig wäre. Müssten Sie noch eine Ausbildung machen, studieren oder eine Weiterbildung absolvieren? Oder würde ein Kurs vielleicht schon ausreichen? Käme vielleicht eine Umschulung infrage? Wenn Sie diese Fragen alleine nicht beantworten können oder wollen, können Sie zur beruflichen Neuorientierung ein Coaching machen – so haben Sie jederzeit jemanden an Ihrer Seite, der Ihnen Ratschläge gibt und Sie auf Ihrem Weg begleitet.

Klären Sie, welchen zeitlichen Vorlauf Sie bräuchten, um nach einer beruflichen Neuorientierung beruflich wieder durchzustarten. Haben Sie diese Zeit? Können Sie diese Zeit finanziell überbrücken, falls Sie wegen einer neuen Berufsausbildung nicht arbeiten können? Oder wäre es denkbar, sich neben dem Beruf neue Qualifikationen anzueignen?

Lassen Sie sich nicht von Zweifeln leiten

Es ist essenziell, dass Sie bei einem Berufswechsel realistische Vorstellungen davon haben, was auf Sie zukommt. Ihre Vorstellung von einem Beruf muss sich nicht mit der Wirklichkeit decken. Deshalb ist es eine gute Idee, möglichst viel darüber zu lesen, mit Menschen zu sprechen, die diesen Beruf ausüben, oder auch, Praktika zu machen.

Nicht zuletzt kommt es darauf an, dass Sie sich nicht von Ängsten und Sorgen von Ihrem Vorhaben abhalten lassen. Seien Sie bereit für Veränderung, lassen Sie das Vertraute bereitwillig hinter sich und akzeptieren Sie, dass sich immer mal wieder Zweifel einstellen werden. Das sollte Sie nicht daran hindern, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Das gilt auch für skeptische Kommentare anderer Menschen, die Sie im Zweifel einfach überhören sollten.

Bildnachweis: encierro / Shutterstock.com

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