Pünktlichkeit: Weshalb Unpünktlichkeit nicht gut ankommt
Hört man sich im Ausland danach um, welche Eigenschaften mit Deutschen verknüpft werden, taucht ein Merkmal meist weit oben auf der Liste auf: Pünktlichkeit. Pünktlich zu sein hat hierzulande einen hohen Stellenwert. Aber ist es wirklich so wichtig, immer pünktlich zu sein? Wie schlimm ist Unpünktlichkeit? Und: Wie pünktlich ist pünktlich überhaupt?
Pünktlichkeit: Definition – Wann ist man pünktlich?
Pünktlichkeit – was bedeutet das genau? Wer pünktlich ist, ist zum vereinbarten Ort am vereinbarten Zeitpunkt. Wenn sich zum Beispiel zwei Freunde für 15 Uhr zum Kaffeetrinken im Café verabredet haben, sind die beiden pünktlich, wenn sie um 15 Uhr vor Ort sind. Oder ein Arbeitnehmer hat ein Zoom-Meeting geplant, das um 12 Uhr stattfinden soll. Wenn er um 12 Uhr eingeloggt ist, ist er pünktlich.
Nimmt man die reine Pünktlichkeits-Definition, wäre jemand nur dann wirklich pünktlich, wenn er seine Zusagen auf die Minute genau einhält. Bei einem Treffen um 17 Uhr wäre dann nur ein Erscheinen um 17 Uhr pünktlich – nicht um 16:59 Uhr oder um 17:01 Uhr. Diese Definition hat mit dem Empfinden vieler Menschen allerdings wenig zu tun. Doch wie pünktlich muss man sein, um pünktlich zu sein? Das hängt vom Anlass ab – und der Einschätzung der Personen, mit denen man ein Treffen vereinbart hat.
Für den einen sind auch zehn Minuten Verspätung immer noch pünktlich, womöglich sogar 15 Minuten. Andere räumen anderen Personen bei Verabredungen hingegen maximal einen Puffer von fünf Minuten ein – wer danach erst erscheint, ist in ihren Augen unpünktlich. Dabei kann jemand auch dann unpünktlich sein, wenn er zu früh ist.
Die Auswirkungen unterscheiden sich aber: Wer zu früh in einem Restaurant erscheint, bereitet dem anderen damit keine Probleme. Wenn er aber eine halbe Stunde früher als verabredet vor dessen Haustür steht, setzt er die andere Person womöglich unter Druck. Vielleicht ist sie gerade dabei, sich fertig zu machen. Dann kann auch ein zu frühes Erscheinen eine Unpünktlichkeit sein, die unangenehm auffällt.
Der Anlass entscheidet darüber mit, was Pünktlichkeit bedeutet
Ebenso entscheidend ist der Anlass. In einem beruflichen Kontext gibt es bei Pünktlichkeit wenig Spielraum. Je wichtiger ein Treffen oder Gespräch, desto eher muss jemand auf die Minute verfügbar sein, damit er pünktlich ist und die Gesprächspartner nicht verärgert. Einen wichtigen Kunden oder Geschäftspartner auch nur fünf Minuten warten zu lassen, kann für Unmut sorgen.
Oder nehmen wir das Beispiel Bewerbungsgespräch: Hier bedeutet Pünktlichkeit, mindestens fünf Minuten vorher vor Ort zu sein. Sind die Gesprächspartner zum vereinbarten Zeitpunkt bereit für den Bewerber, dieser trudelt aber erst zwei Minuten später ein, macht das womöglich gleich einen schlechten Eindruck.
Bei Terminen bei Ärzten ist derjenige pünktlich, der zum vereinbarten Termin erscheint. Meist ist es aber kein Problem, fünf bis zehn Minuten später da zu sein – in vielen Fällen muss man ohnehin kurz im Wartezimmer warten, bis man dran ist. Wer jedoch mit der Bahn oder dem Bus fahren will, hat diesen Spielraum nicht. Kommt man auch nur zehn Sekunden zu spät, sind Bus oder Bahn womöglich schon weg. An der Uni hingegen ist es bei vielen Veranstaltungen üblich, dass sie etwas später beginnen. Eine Vorlesung etwa kann für 11 Uhr c.t. angesetzt sein. C.t. steht für „cum tempore“, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „mit Zeit“. Gemeint ist, dass der offizielle Beginn 15 Minuten später ist – das berühmte akademische Viertel.
Wie wichtig ist Pünktlichkeit?
Vielleicht kennen Sie den Spruch „Pünktlichkeit ist eine Zier“. Das alte deutsche Sprichwort spiegelt wider, welche Bedeutung Pünktlichkeit in Deutschland beigemessen wird. Vor allem viele ältere Menschen wurden so erzogen, dass sie stets pünktlich sind. Andererseits nehmen es viele jüngere Menschen mit der Pünktlichkeit nicht mehr so genau. Wie wichtig ist Pünktlichkeit also heutzutage wirklich? Spielt sie noch so eine große Rolle wie früher?
Wirft man den Blick ins Ausland, sehen es Menschen mit der Pünktlichkeit oft wesentlich entspannter als viele Deutsche. In vielen süd- und osteuropäischen Ländern etwa ist Unpünktlichkeit eher die Regel als die Ausnahme. Auch in Ländern in Asien wie beispielsweise Indien ist Pünktlichkeit kein hohes Gut – wer hier verabredet ist, muss sich auf Wartezeiten einstellen, wenn er nicht selbst später erscheint.
Und wer in Frankreich bei jemandem eingeladen ist, sollte nicht pünktlich sein: Es wird erwartet, dass man sich um mindestens eine halbe Stunde verspätet. Es macht aber einen Unterschied, ob es sich um private Verabredungen oder Treffen in einem beruflichen Kontext handelt. Bei der Arbeit spielt Pünktlichkeit auch in solchen Ländern eine größere Rolle, selbst wenn Unpünktlichkeit dort im Alltag an der Tagesordnung ist.
Unpünktlichkeit als Zeichen mangelnder Wertschätzung
Wie wichtig Pünktlichkeit ist – oder wie schlimm auf der anderen Seite Unpünktlichkeit –, hängt letztlich davon ab, welche Einstellung andere Personen haben. Angenommen, in Ihrem Freundeskreis ist es üblich, dass man zu Treffen 15 Minuten später erscheint. Dann werden Ihnen Ihre Freunde sicherlich nicht ankreiden, wenn Sie nicht auf die Minute pünktlich da sind. Wissen Sie nicht so genau, wie eine andere Person zum Thema Pünktlichkeit steht, ist es aber besser, pünktlich zu sein. Gerade ältere Menschen empfinden Pünktlichkeit oft noch als hohe Tugend. Wer unpünktlich ist, gilt als unhöflich, schlimmstenfalls sogar als respektlos.
Apropos Respekt: Wenn sich Menschen über das Zuspätkommen eines anderen ärgern, kann das damit zusammenhängen, dass die Unpünktlichkeit als respektlos eingestuft wird. Für die betreffende Person scheint die Zeit der anderen keine allzu große Rolle zu spielen. Während andere sich beeilen, rechtzeitig vor Ort zu sein, lässt er sich Zeit. Das kann als mangelnde Wertschätzung ausgelegt werden. Insgesamt betrachtet hat Pünktlichkeit hierzulande nach wie vor einen hohen Stellenwert. Umgekehrt wird Unpünktlichkeit von vielen negativ gesehen.
Unpünktlichkeit ist für viele Menschen spätestens dann ein Problem, wenn nicht sie diejenigen sind, die nicht pünktlich sind. Eine halbe Stunde kann lang sein, wenn man draußen in der Kälte auf einen Freund wartet, der sich verspätet. Ebenso ärgern sich viele Menschen, wenn ein Zug oder Bus nicht pünktlich ist. Schon fünf Minuten können dabei für Unmut sorgen.
Die Bedeutung von Pünktlichkeit am Arbeitsplatz
Es macht einen Unterschied, ob Sie im Privatleben unpünktlich sind oder am Arbeitsplatz. Wenn Sie mit Treffen mit Freunden oder der Familie zu spät kommen, mag das kein großes Problem sein – die anderen wissen womöglich schon, dass Pünktlichkeit nicht Ihre Stärke ist. Und wenn Sie bei einem Arzttermin verspätet sind, fällt das entweder gar nicht auf, weil Sie ohnehin noch nicht dran gewesen wären. Oder es hat zumindest keine nennenswerten negativen Auswirkungen für Sie. Ob der Arzt blöd findet, dass Sie zu spät waren, kann Ihnen im Zweifel egal sein.
Im Job unpünktlich zu sein ist hingegen keine gute Idee. Pünktlichkeit spielt am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle – besonders, wenn es um Termine mit Vorgesetzten, Kunden oder wichtigen Geschäftskontakten geht. Auch Ihre Kollegen werden wahrscheinlich nicht erfreut sein, wenn sie auf Sie warten müssen, schließlich haben sie wahrscheinlich selbst genug zu tun.
Wenn Sie allerdings zum Gespräch mit dem Chef verspätet erscheinen, ist dieser womöglich ungehalten über Ihr Verhalten. Es kann als respektlos empfunden werden, dass Sie nicht zum vereinbarten Zeitpunkt da waren. Wenn Sie sich mit externen Personen beruflich treffen, repräsentieren Sie Ihren Arbeitgeber – Unpünktlichkeit ist kein gutes Aushängeschild für eine Firma.
Unpünktlichkeit im Job ist bei vielen verpönt. Umgekehrt wird Pünktlichkeit am Arbeitsplatz von den meisten Arbeitgebern sehr geschätzt. Das hängt nicht nur damit zusammen, dass man im oft eng getakteten Berufsalltag keine Zeit verliert, wenn ein anderer pünktlich ist. Pünktlichkeit geht oft mit weiteren positiven und aus Sicht von Arbeitgebern erstrebenswerten Persönlichkeitsmerkmalen einher. Dazu gehören zum Beispiel Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein, Organisationsvermögen, Empathie, Ordnungssinn und Höflichkeit.
Pünktlichkeit lernen: Wie geht das?
Dass Pünktlichkeit in Deutschland im Allgemeinen einen hohen Stellenwert hat, ist den meisten Menschen klar. Bloß: Selbst pünktlich zu sein fällt vielen schwer. Das kann daran liegen, dass die Betroffenen sich vor einer Verabredung verzetteln. Sie unterschätzen dann zum Beispiel, wie viel Zeit sie noch brauchen, bis sie bereit sind. Manchmal hängt Unpünktlichkeit auch damit zusammen, dass man viel Stress im Alltag hat. Wer viel zu tun hat, hat entsprechend wenig Puffer. Dadurch kommt er sofort zu spät, wenn er auch nur kurz aufgehalten wird. Oder er hat so knapp geplant, dass er es gar nicht pünktlich schaffen kann.
In vielen Fällen ist Unpünktlichkeit ein Muster, das sich verfestigt hat. Kann man das ändern? Kann man lernen, pünktlich zu sein? Ja, jeder kann Pünktlichkeit lernen. Es fällt zwar manchen Menschen leichter als anderen, sich zu organisieren und ihre Zeit realistisch zu planen. Wie man mit der eigenen Unpünktlichkeit umgeht, diese Wahl hat aber jeder Mensch.
In vielen Fällen reicht es schon, mehr Puffer einzuplanen. Angenommen, Sie sind mit einer Freundin verabredet. Dann überlegen Sie vorher realistisch, was Sie noch alles machen müssen und wie lange Sie zum Treffpunkt brauchen. Planen Sie nicht in der Annahme, dass alles glatträumt, sondern räumen Sie sich mehr Zeit als scheinbar nötig ein. Sie werden sehen, dass Sie in vielen Fällen nicht zu früh, sondern pünktlich sind.
Verspätet: Wie Sie damit umgehen sollten
Wichtig ist auch, dass Sie Ihren Alltag nicht zu vollpacken. Viele Menschen würden sich am liebsten zerteilen, um sich allen Dingen zu widmen, die ihnen wichtig sind oder die von ihnen verlangt werden. Gerade berufstätige Menschen, die womöglich noch kleine Kinder haben, kommen aber nicht umhin, Prioritäten zu setzen. Ihnen sollte bewusst sein, was wirklich wichtig ist, um Ihren Alltag entsprechend planen zu können.
Es kann immer passieren, dass man trotz guter Vorbereitung verspätet ist. Sie geraten vielleicht in einen Stau oder eine Bahn fällt aus. Das muss kein Weltuntergang sein. Entscheidend ist, wie Sie mit Ihrer Verspätung umgehen. Sagen Sie rechtzeitig Bescheid, dass Sie später kommen – möglichst mit einer realistischen Prognose, wann Sie da sein werden. So können sich andere darauf einstellen und sind weniger verärgert. Wenn Sie hingegen schon zehn Minuten zu spät sind und erst dann mitteilen, dass Sie noch 20 Minuten länger brauchen, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn andere sauer sind. Dass Sie nicht pünktlich sind, wussten Sie schließlich schon vorher.
Pünktlichkeit in Bewerbung deutlich machen?
Arbeitgeber legen Wert auf Pünktlichkeit. Da liegt der Gedanke nahe, dass es gut wäre, die eigene Pünktlichkeit bei Bewerbungen deutlich zu machen. Wie geht das? Und ist es überhaupt eine gute Idee? Pünktlichkeit als Aushängeschild bei Bewerbungen zu präsentieren, damit sollten Sie vorsichtig sein. Natürlich wünschen sich Arbeitgeber, dass ihre Mitarbeiter pünktlich sind. Schon deshalb, weil damit oft weitere wünschenswerte Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein und Höflichkeit zusammenhängen.
Allerdings ist Pünktlichkeit nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal. In Ihrem Anschreiben haben Sie wenig Platz und können nur auf die Soft Skills eingehen, die am meisten für Sie sprechen. Das sind in der Regel Dinge, die Sie von anderen unterscheiden. Pünktlichkeit dürfte nicht dazugehören. Außerdem setzen die meisten Arbeitgeber Pünktlichkeit schlicht voraus.
Pünktlich zu sein ist im Joballtag die Norm. Niemand fällt positiv auf, weil er pünktlich ist. Rücken Sie deshalb bei Bewerbungen lieber andere persönliche Merkmale in den Fokus. Dass Sie pünktlich sind, machen Sie durch Ihr Verhalten ohnehin deutlich – zum Beispiel, indem Sie vor dem Vorstellungsgespräch rechtzeitig vor Ort sind.
Mitunter wird Pünktlichkeit im Arbeitszeugnis erwähnt. Das klingt harmlos, kann aber ein schlechtes Zeichen sein. Aus Sicht anderer Arbeitgeber kann die Erwähnung der Pünktlichkeit eines ehemaligen Mitarbeiters ein Anzeichen dafür sein, dass es sonst nicht viel Positives über die betreffende Person zu sagen gab. Warum sonst würde der frühere Arbeitgeber explizit auf die Pünktlichkeit im Arbeitszeugnis eingehen? Es kommt allerdings auf den Gesamtkontext an. Wenn das Arbeitszeugnis allgemein sehr positiv klingt, muss es nichts Schlechtes heißen, wenn Pünktlichkeit erwähnt wird. Das gilt insbesondere bei Jobs, wo Pünktlichkeit eine besondere Bedeutung hat.
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