Empathie: So können Sie Ihr Einfühlungsvermögen steigern
Empathische Menschen können sich gut in andere hineinversetzen. Es fällt ihnen leicht, die Gefühle und Beweggründe anderer zu deuten. Empathie ist eine wichtige Grundlage für die zwischenmenschliche Kommunikation und hat auch im beruflichen Umfeld einen hohen Stellenwert. In diesem Artikel erfahren Sie, was Empathie für eine Bedeutung hat, warum sie ein wichtiger Faktor für Ihr berufliches Fortkommen ist und wie Sie Ihr Einfühlungsvermögen steigern können.
Empathie: Welche Bedeutung hat der Begriff?
Der Begriff Empathie stammt aus der Psychologie. Laut Duden bezeichnet er die „Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellungen anderer Menschen einzufühlen“. Ähnlich gelagert ist die Definition von Empathie des US-amerikanischen Psychologen und Autors Daniel Goleman, der Empathie als Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Umstände zu deuten, versteht.
Empathie ist auch als Einfühlungsvermögen oder Feinfühligkeit bekannt. Auch von Mitgefühl kann die Rede sein, obwohl Mitgefühl bei näherer Betrachtung eine etwas andere Bedeutung hat. Empathie drückt lediglich aus, dass ein Mensch gut darin ist, die Menschen um sich herum zu „lesen“ und ihr Verhalten zu interpretieren. Mitgefühl setzt voraus, dass man mit anderen mitfühlt, was bei Empathie nicht zwingend der Fall ist.
Ein empathischer Mensch kann sich gut in andere hineinversetzen. Er kann nachvollziehen, was andere denken und fühlen und welche Beweggründe sie haben. Um andere besser zu verstehen, werten empathische Menschen deren Worte, Taten, ihre Mimik, Gestik und die Körpersprache im weiteren Sinn aus.
Empathie ist eine grundlegende Komponente von emotionaler Intelligenz. Das Level an Empathie, das ein Mensch besitzt, ist nur teilweise angeboren. Ebenso ist es möglich, die eigene Empathiefähigkeit zu trainieren und so empathischer zu werden.
Verschiedene Formen der Empathie
In der Psychologie werden verschiedene Formen der Empathie unterschieden. Sie beziehen sich auf die Empathiefähigkeit in verschiedenen Situationen und unterscheiden danach, wie man selbst auf die wahrgenommenen Gefühle anderer reagiert.
Emotionale Empathie
Emotionale Empathie bedeutet, dass jemand nicht nur gut einschätzen kann, was andere denken und fühlen. Er fühlt auch selbst in hohem Maße mit. Emotional empathische Menschen sind sehr feinfühlig und empfinden häufig Mitgefühl mit anderen, auch fremden Personen.
Kognitive Empathie
Kognitive Empathie bedeutet demgegenüber, dass man zwar die Gefühlslage eines anderen wahrnimmt, aber nicht zwingend selbst emotional involviert ist. Man fühlt also nicht unmittelbar mit, ist aber gut darin, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und Menschen in ihrem Handeln und Denken zu verstehen.
Soziale Empathie
Soziale Empathie drückt aus, dass jemand ein gutes Gespür für größere Gruppen von Menschen hat. Soziale Empathie hilft, Gruppendynamiken und Stimmungen zu verstehen und sich in Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Hintergründen einzufühlen.
Warum Empathie für Ihr berufliches Fortkommen wichtig ist
Empathie gilt vielen Arbeitgebern als wichtiger Soft Skill. Kein Wunder, schließlich ist Empathiefähigkeit fast immer ein Vorteil im Beruf. Wer empathisch ist, kann sich auf seine Mitmenschen einstellen – mit ihren individuellen Charakteren, ihren Motiven und ihren Macken. Feinfühligen Menschen fällt es leichter, mit ganz unterschiedlichen Menschen klarzukommen. Für ein gutes Miteinander ist Empathie damit eine wichtige Grundlage.
Die Kommunikation unter Kollegen oder mit Vorgesetzten wird durch Empathie erleichtert. Wer gut zuhören und die Situation anderer nachempfinden kann, kann sich eher auf die Menschen einstellen, mit denen er in Kontakt kommt. Es wird leichter, Konflikte konstruktiv zu lösen und Kompromisse zu finden, die für alle tragbar sind. Auch die Zusammenarbeit im Team wird durch Empathie erleichtert.
In manchen Berufen ist Empathiefähigkeit besonders wichtig. Das gilt zum Beispiel überall dort, wo es einen engen Kundenkontakt gibt. Wer etwa Verkaufsgespräche führt, profitiert enorm davon, wenn er sich in sein Gegenüber hineinversetzen kann. Das macht es einfacher, potenzielle Kunden mit den richtigen Argumenten zu überzeugen.
Für den beruflichen Aufstieg sind Kontakte wichtig. Empathischen Menschen fällt es oft leicht, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen. Das kann dazu führen, dass sie schneller befördert werden. Auch in Bewerbungsgesprächen können empathische Menschen oft eher überzeugen, weil sie ihre Gesprächspartner gut einschätzen können.
Empathie als wichtige Eigenschaft von Führungskräften
(Angehende) Führungskräfte müssen in besonderem Maße empathisch sein. Führungskräfte nehmen eine moderierende Rolle ein und sind gefragt, mögliche Konflikte oder Probleme im Team frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen. Das ist nur möglich, wenn man die Perspektive anderer einnehmen kann.
Wie gut eine Führungskraft ist, hängt auch davon ab, wie gut sie ihr Team motivieren kann. Das fällt Menschen mit ausgeprägter Empathiefähigkeit leichter, weil sie sich besser in ihre Mitarbeiter hineinversetzen können und besser verstehen, welche Wünsche und Bedürfnisse diese haben.
Wenn es um die Besetzung von Führungspositionen geht, ist Empathie ein wichtiges Kriterium. Allerdings gibt es nicht selten Unterschiede in der Bewertung dieser Eigenschaft abhängig davon, ob es um einen Mann oder eine Frau geht. Männer, denen es oft schwerer fällt, sich in andere hineinzuversetzen, können mit Empathie fast immer punkten. Bei Frauen wird Empathie hingegen häufig ohnehin vorausgesetzt. Fallen weibliche Anwärter auf Führungsposten durch sehr viel Empathie auf, kann das kritisch gesehen werden. Sehr empathischen Menschen könnte die Abgrenzung zu anderen schwerfallen, außerdem könnten sie Schwierigkeiten damit haben, sich durchzusetzen – so die Befürchtung vieler Arbeitgeber.
Test: Wie empathisch bin ich?
Die meisten Menschen haben zumindest eine grobe Vorstellung davon, wie empathisch sie sind. Allerdings deckt sich diese Selbsteinschätzung nicht immer mit der Realität. Manchen Menschen fällt es auch schwer, die eigene Empathiefähigkeit verlässlich zu beurteilen.
Dann kann Ihnen der folgende Test helfen, bei dem es darum geht, Ihre Empathiefähigkeit zu beurteilen. Schauen Sie sich die folgenden Aussagen an und überlegen Sie, ob Sie sie bejahen oder verneinen würden. Die Auswertung ist ganz einfach: Je mehr Aussagen Sie mit Ja beantwortet haben, desto ausgeprägter ist Ihre Empathiefähigkeit.
- Ich bin ein guter Zuhörer und viele Menschen wenden sich an mich, wenn sie Probleme oder Kummer haben.
- Ich neige dazu, es allen recht machen zu wollen.
- Ich kann nicht gut Nein sagen, wenn man mich um etwas bittet.
- Es fällt mir schwer, kritische Worte zu äußern und ich habe oft Angst, andere vor den Kopf zu stoßen.
- Ich neige dazu, die Probleme anderer zu meinen eigenen zu machen.
- Wenn mir andere von ihren Problemen erzählen, versuche ich, Lösungsvorschläge zu entwickeln.
- Ich merke sehr schnell, wie andere Menschen drauf sind, selbst, wenn ich nicht mit ihnen rede.
- Ich leide häufig mit anderen mit.
- Wenn ich traurige Filme oder Serien gucke oder traurige Nachrichten lese, muss ich schnell weinen.
- Es fällt mir leicht, die Perspektive zu wechseln und zu überlegen, wie andere wohl aufgrund ihrer spezifischen Umstände fühlen und denken.
Kann man Empathie lernen? Tipps für mehr Empathiefähigkeit
Ist Empathie eine Fähigkeit, die der eine hat und der andere eben nicht? Nicht unbedingt. Zwar gibt es natürlich Menschen, die empathischer sind als andere. Auch Menschen, die sich als nicht sonderlich empathisch bezeichnen würden, können ihre Empathiefähigkeit jedoch trainieren. Es kann zwar eine Weile dauern, bis man wirklich gut darin ist, andere Menschen einzuschätzen und ihr Denken und Handeln nachzuvollziehen, aber erlernt werden kann die Empathiefähigkeit von jedem. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen, Ihre Empathiefähigkeit zu steigern.
Hören Sie zu
Möglicherweise sind Sie jemand, der gerne redet. Dann ist dieser Tipp besonders nützlich für Sie: Hören Sie aufmerksam zu, was andere sagen. Bremsen Sie Ihren Drang, selbst etwas erzählen zu wollen, und stellen Sie stattdessen Rückfragen. Indem Sie das Gehörte reflektieren, können Sie prüfen, ob Sie es richtig verstanden haben. Sie können etwa so beginnen: „Habe ich dich richtig verstanden, dass…“ oder „Du sagst also, dass…“.
Durch die Antwort Ihres Gegenübers erhalten Sie auch eine Rückmeldung darüber, ob Ihre Einschätzung der Einstellungen dieser Person korrekt war. Es ist auch hilfreich, weitergehende Fragen zu stellen. Je interessierter Sie sich zeigen, desto eher wird man sich Ihnen öffnen, und desto mehr erfahren Sie über andere Menschen, ihre Gedanken und Gefühle.
Seien Sie offen
Selbst Menschen, die sich als tolerant und offen beschreiben würden, stecken andere Menschen oft ungewollt in Schubladen. Gegen manche tief verankerten Vorurteile kann man sich kaum wehren, aber Sie sollten es versuchen. Schreiben Sie also nicht Menschen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft bestimmte Eigenschaften, Gedanken oder Gefühle zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie falsch liegen, wenn Sie jemanden nur aufgrund von Äußerlichkeiten beurteilen, ist groß. Lernen Sie die Menschen lieber unvoreingenommen kennen.
Lernen Sie sich selbst besser kennen
Die eigenen Gefühle und Motive einschätzen zu können ist eine wichtige Grundlage dafür, sich in andere einfühlen zu können. Lernen Sie sich also selbst besser kennen: Warum handeln Sie, wie Sie handeln? Was bewegt Sie, was treibt Sie an? Analysieren Sie Gefühle und Entscheidungen, um ein besseres Gespür dafür zu bekommen, wie Sie ticken.
Beobachten Sie andere Menschen
Um Ihr Einfühlungsvermögen zu trainieren, ist es hilfreich, andere Menschen zu beobachten. Dafür gibt es zig Anlässe – Sie können Kollegen in einem Meeting subtil beobachten oder auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn darauf achten, wie andere sich verhalten, statt auf Ihr Handy zu starren. Oder Sie setzen sich in ein Café oder auf eine Parkbank und beobachten das Treiben um Sie herum. Selbst anhand von Figuren in Serien oder Filmen können Sie Ihre Empathiefähigkeit trainieren.
Lernen Sie, Körpersprache zu verstehen
Um empathischer zu werden, sollten Sie sich mit Körpersprache befassen. Nonverbale Kommunikation findet praktisch immer statt und ist oft aufschlussreicher als das, was Menschen sagen. Manche Gesten kann wohl jeder interpretieren, etwa verschränkte Arme. Wie ein Mensch sich fühlt, können Sie auch anhand anderer Kriterien beurteilen, etwa den hängenden Schultern, der gebeugten Körperhaltung oder dem schlurfenden Gang. Auch Mimik und Gestik verrät Ihnen viel darüber, wie andere Menschen sich fühlen.
Suchen Sie Kontakt mit vielen verschiedenen Menschen
Empathie können Sie nicht ohne andere Menschen trainieren. Deshalb ist es nützlich, mit vielen verschiedenen Menschen in Kontakt zu sein. Indem Sie verschiedene Typen kennenlernen, bekommen Sie ein besseres Gespür dafür, wie Menschen sich verhalten und was sie bewegt. Sie können andere Menschen auch indirekt kennenlernen, indem Sie etwa Biografien lesen oder Dokumentationen über bekannte Persönlichkeiten ansehen.
Warum zu viel Empathie schädlich sein kann
Empathie ist für die zwischenmenschliche Kommunikation eine wichtige Grundlage, und sie ist in vielen Dingen positiv zu werten. Empathische Menschen sind oft angenehm im Umgang und es entstehen tendenziell seltener Konflikte mit empathischen Personen. Trotzdem hat Empathie mitunter auch negative Seiten.
Wer sehr empathisch ist, weiß: Viel Empathie hat nicht nur Vorteile. Sich gut in andere Menschen und andere Lebewesen hineinversetzen zu können, kann belastend sein – wenn man das Leid der anderen selbst nachfühlt.
Wenn empathische Menschen erfahren, dass es ihnen nahestehenden Personen nicht gut geht, belastet sie das oft besonders stark. Oft werden die Gefühle anderer in nur minimal abgeschwächter Form übernommen. Das kann dazu führen, dass man selbst schlecht gelaunt ist, obwohl im eigenen Leben eigentlich alles gut läuft.
Wenn die Gefühle fremder Menschen belastend sind
Bezogen auf das persönliche Umfeld mag ein stark ausgeprägtes Einfühlungsvermögen noch tragbar sein, schließlich geht es nicht jedem Freund oder Familienmitglied ständig schlecht. Wer aber selbst mit fremden Menschen mitfühlt, von denen er im Internet oder in der Zeitung gelesen oder über die er eine Reportage gesehen hat, hat oft ständig Anlass für negative Gefühle. Mit vielen schlechten Nachrichten oder traurigen Geschehnissen zu leben, kann für empathische Menschen zur Belastungsprobe werden.
Menschen mit viel Einfühlungsvermögen neigen außerdem dazu, sich für andere aufzuopfern und es anderen immer recht machen zu wollen. Sie vernachlässigen dabei nicht selten ihre eigenen Bedürfnisse, können schlecht Nein sagen und laden sich zu viel auf, um andere nicht im Stich zu lassen.
Empathische Menschen können zudem anfällig für manipulatives Verhalten sein. Menschen, die gut schauspielern können, können sie womöglich täuschen – zum Nachteil der mitfühlenden Menschen.
Bei Führungskräften kommt es auf das richtige Maß an Empathie an
Auch im beruflichen Kontext kann es ein Zuviel an Empathie geben. Führungskräfte, die sehr empathisch sind, tun sich etwa häufig schwer damit, schlechte Nachrichten zu überbringen und unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Wer niemanden vor den Kopf stoßen möchte und keine klaren Worte findet, kommt aber womöglich seiner Aufgabe als Führungskraft nicht ausreichend nach. Führungskräfte sollten deshalb Feingefühl zeigen, aber sich nicht in zu hohem Maße von den Gefühlen und Einstellungen anderer leiten lassen.
Auch für Arbeitnehmer ohne Führungsfunktion kann viel Empathie ein Nachteil sein. Wer etwa Überstunden macht, um Aufgaben des gestressten Kollegen zu übernehmen, oder anderen nie einen Gefallen ausschlagen kann, ist womöglich selbst bald überlastet.
Ein ausgeprägtes Empathievermögen kann eine Abgrenzung erfordern, um nicht von den Emotionen anderer überwältigt zu werden. Dafür gibt es einen Fachbegriff: Ekpathie. Ekpathie bedeutet, sich von anderen abzugrenzen und sich auf sich selbst zu fokussieren. Das kann besonders im Umgang mit Menschen, die ständig nörgeln oder ihr Leid klagen, eine große Hilfe sein. Dabei bedeutet Ekpathie nicht die völlige Abkehr von Empathie, kann aber helfen, negativen Ausprägungen von Empathie entgegenzuwirken. Die bewusste Abgrenzung von anderen dient damit dem Selbstschutz.
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