Gehaltstransparenz im Unternehmen: Wie viel ist gesund?

Über Geld spricht man nicht – so lautet ein bekannter Spruch. Das gilt nicht nur im Privatleben, sondern auch im Beruf. Tatsächlich hüllen sich viele Arbeitnehmer darüber in Schweigen, wie viel sie verdienen. Dabei sind Beschäftigte oft sehr interessiert daran, was andere verdienen. Welche Vorteile es haben kann, das Gehalt offenzulegen, und warum Gehaltstransparenz auch Nachteile haben kann – hier erfahren Sie mehr über das Thema Lohntransparenz.

Figuren stehen auf unterschiedlichen Münzstapeln, sollte es Gehaltstransparenz in Unternehmen geben?

Gehaltstransparenz: Offenlegung der Gehälter

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, was eigentlich Ihre Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen? Tatsächlich gestellt haben Sie diese Frage wahrscheinlich nicht, denn Geld ist nach wie vor für viele Menschen ein Tabuthema – im Privaten ebenso wie im Job. Es ziemt sich nach Meinung vieler Menschen nicht, über das eigene Gehalt zu sprechen oder gar andere unverblümt zu fragen, wie hoch ihr Einkommen ist.

Von einer Gehaltstransparenz, auch bekannt als Lohntransparenz, kann daher wohl in den meisten Firmen keine Rede sein. Sie wäre gegeben, wenn offen mit dem Thema Gehalt beziehungsweise Lohn umgegangen würde – zum Beispiel innerhalb von Unternehmen, unter Kollegen oder Bekannten.

Gäbe es Gehaltstransparenz, könnte das zum Beispiel so aussehen, dass der Arbeitgeber die Gehälter seiner Mitarbeiter offenlegen würde. Er würde vielleicht auch erklären, nach welchen Kriterien jemand mehr oder weniger verdient. Durch Gehaltstransparenz könnten sich alle Beteiligten ein Bild davon machen, was andere im Vergleich zu ihnen verdienen. Dadurch könnten sie auch besser beurteilen, ob der Arbeitgeber sie fair behandelt oder nicht. 

Rechtliche Regelungen: Sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, Gehälter offenzulegen?

In den meisten Fällen liegt die Entscheidung, ob Gehälter offengelegt werden, allein bei Arbeitgebern. Die meisten Firmen entscheiden sich gegen eine allzu große Gehaltstransparenz. Grundsätzlich verpflichtet sind sie dazu in den meisten Fällen ohnehin nicht. Es kommt allerdings auf die Umstände und die Größe eines Unternehmens an.

Seit Mitte des Jahres 2017 ist das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG, offiziell „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“) in Kraft. Es soll helfen, Benachteiligungen bei der Bezahlung im Job aufgrund des Geschlechts zu reduzieren. Frauen und Männer sollen bei gleichwertiger Arbeit auch gleich verdienen – so zumindest der Wunsch, der mit dem Entgelttransparenzgesetz verbunden ist.

Das Entgelttransparenzgesetz gibt Beschäftigten mehr Rechte, wenn es um Gehaltstransparenz geht. Sie können beim Arbeitgeber in Erfahrung bringen, was Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen. Was auf den ersten Blick gut klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als Regelung, die durch hohe Hürden in der Praxis eine geringe Bedeutung für Arbeitnehmer hat.

Wann sich Arbeitnehmer nach den Gehältern der Kollegen erkundigen können

Ein Auskunftsanspruch besteht zum Beispiel für Arbeitnehmer grundsätzlich nur, wenn ihr Arbeitgeber mindestens 200 Mitarbeiter beschäftigt. Auskünfte gibt es außerdem nur zum Gehalt der Kollegen des jeweils anderen Geschlechts. Männer können also nicht erfahren, was männliche Kollegen verdienen, und Frauen bleiben darüber im Unklaren, wie hoch das Gehalt der Kolleginnen ist.

Selbst wenn ein Auskunftsanspruch besteht, muss der Arbeitgeber keinen Einblick in die konkreten Gehälter von Kollegen in vergleichbaren Positionen geben. Es reicht, wenn er einen Durchschnittswert bekanntgibt. Dabei bleibt allerdings offen, wie groß das Spektrum bei den Gehältern ist. Zudem besteht ein Auskunftsanspruch nur, wenn es mindestens sechs Beschäftigte in der Firma gibt, die eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.

Das Entgelttransparenzgesetz gibt Beschäftigten außerdem das Recht, sich beim Arbeitgeber nach den Kriterien zu erkundigen, die die Höhe ihres Gehalts beeinflussen. Ein Recht auf eine solche Auskunft besteht alle zwei Jahre – oder früher, falls sich die Jobinhalte eines Beschäftigten grundlegend ändern.

Gehalt offenlegen? Warum das aus Sicht vieler Arbeitnehmer wünschenswert ist

Viele Arbeitnehmer wüssten gerne, was andere verdienen. Das hat gute Gründe, und es ist nicht nur die reine Neugier, die dabei eine Rolle spielt. Wer weiß, welches Gehalt Kollegen bekommen, kann einschätzen, ob er selbst gerecht behandelt wird. Ist das der Fall, fühlen Beschäftigte sich von ihrem Arbeitgeber stärker wertgeschätzt und fair behandelt. Das wiederum erhöht die Zufriedenheit mit dem eigenen Job, was sich positiv auf die Motivation auswirkt. Wer mit seinem Job zufrieden ist und motiviert ist, gute Leistungen zu erbringen, hat wahrscheinlich auch mehr Spaß bei der Arbeit. Im Umkehrschluss ist auch der Arbeitgeber zufrieden, und womöglich ergeben sich neue Gelegenheiten – von einer Gehaltserhöhung bis zum internen oder externen Aufstieg.

Wer weiß, was Kollegen in vergleichbaren Positionen verdienen, hat außerdem bessere Karten bei Gehaltsverhandlungen. Es ist zwar in Gehaltsverhandlungen immer wichtig, in erster Linie den eigenen Mehrwert für den Arbeitgeber herauszustellen, statt sich mit Kollegen zu vergleichen. Wer jedoch erfahren hat, dass Kollege X oder Kollegin Y mehr verdient als er selbst, kann ruhig nachfragen, wie die unterschiedlichen Gehälter zustande kommen.

Für Bewerber wäre es wünschenswert, wenn sie schon vor einer Bewerbung wüssten, welches Gehalt sie in einer bestimmten Position erwarten könnten. Diese Angabe ist in Stellenanzeigen in Deutschland allerdings nach wie vor unüblich. Zwar werden bei Jobs, die ohnehin nicht sonderlich gut bezahlt sind, in vielen Fällen Stundenlöhne angegeben. Jahresgehälter wird man in Stellenanzeigen hingegen anders als in einigen anderen Ländern äußert selten finden. Bewerber wissen damit nicht genau, was bei einem bestimmten Arbeitgeber auf sie zukommt. Sie können schlechter einschätzen, wie attraktiv ein Angebot ist.

Wie Unternehmen von mehr Lohntransparenz profitieren können

Gehaltstransparenz hat nicht nur Vorteile für Arbeitnehmer. Auch für Arbeitgeber kann es sich lohnen, Gehälter offenzulegen – zumindest dann, wenn ihre Mitarbeiter nach fairen Kriterien bezahlt werden. Sind die Gehälter in ähnlichen Positionen vergleichbar und damit fair, ist das ein Aushängeschild für Arbeitgeber. Es macht in solchen Fällen Sinn für Unternehmen, aktiv damit zu werben, dass sie ihren Mitarbeitern gerechte Löhne zahlen.

Auf Bewerber wirkt es attraktiv, wenn Firmen mit Lohntransparenz werben und damit nahelegen, dass es bei ihnen beim Gehalt fair zugeht. Das kann dazu führen, dass ein Unternehmen mehr Bewerbungen von qualifizierten Bewerbern erhält, was besonders in Branchen und Berufen mit Fachkräftemangel ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Gehaltstransparenz kann somit aus Sicht von Arbeitgebern ein wichtiges Instrument zur Stärkung der eigenen Arbeitgebermarke sein.

Wenn Unternehmen transparent mit den Gehältern ihrer Mitarbeiter umgehen, kommt das auch bei bestehenden Mitarbeitern gut an. Wenn diese sich gerecht behandelt fühlen, fühlen sie sich auch stärker wertgeschätzt. Dadurch steigt ihre Zufriedenheit ebenso wie die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber. Zufriedene Mitarbeiter engagieren sich meist stärker in ihrem Job, was zu besseren Leistungen und einer höheren Produktivität führen kann.

Wann Arbeitgeber kein Interesse an Gehaltstransparenz haben

Dass viele Unternehmen die Gehälter ihrer Beschäftigten nicht offenlegen, hat einen guten Grund: Es geht bei der Bezahlung oft nicht gerade fair zu. Die Höhe des Gehalts hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nicht zuletzt kommt es auf das Verhandlungsgeschick im Vorstellungsgespräch an – und darauf, was Arbeitgeber für angemessen halten. Das kann dazu führen, dass Kollegen in ähnlichen Tätigkeiten ein recht unterschiedliches Gehalt haben.

In diesem Fall hätte der Arbeitgeber nichts von Gehaltstransparenz. Unter den eigenen Mitarbeitern könnte es für Frust und schlechte Laune sorgen, wenn sie erfahren, dass ein Kollege oder eine Kollegin (scheinbar) ohne guten Grund mehr verdient. Mitarbeiter, deren Gehalt geringer ist als das von Kollegen, könnten den Arbeitgeber um eine Gehaltserhöhung bitten. Das wäre teuer für die Firma oder könnte für schlechte Stimmung sorgen, wenn die Verantwortlichen die Bitte des Mitarbeiters abschlagen. Es kann auch sein, dass die Beschäftigten so unzufrieden mit ihrem Job sind, dass sie sich einen neuen Arbeitgeber suchen, bei dem sie sich besser behandelt fühlen.

Ungleiche Gehälter können das Betriebsklima negativ beeinflussen, wenn die Gehaltsspanne sehr groß ist. Das wirkt ebenfalls negativ auf die Mitarbeiterzufriedenheit und kann Eigenkündigungen mittelfristig wahrscheinlicher machen, wenn es nicht gelingt, die Atmosphäre im Betrieb zu verbessern. Auch auf Bewerber wirkt ein Unternehmen wenig attraktiv, wenn klar ist, dass dort sehr ungleiche Gehälter gezahlt werden.

Diese Nachteile kann Gehaltstransparenz für Arbeitnehmer haben

Selbst für Arbeitnehmer hat Gehaltstransparenz nicht nur Vorteile, sondern kann auch mit Nachteilen verbunden sein. Nehmen wir an, jemand ist mit seinem Job zufrieden. Er geht gerne zur Arbeit und mag seine Kollegen. Dann erfährt er, dass er unverhältnismäßig schlecht bezahlt wird. In der Folge wird sich seine Zufriedenheit sehr wahrscheinlich verringern. Es kann frustrierend sein, zu wissen, dass andere mehr verdienen, ohne dass es für die ungleiche Behandlung erkennbar gute Gründe gibt.

Wenn Mitarbeiter wissen, dass Kollegen mehr verdienen als sie, kann das auch das Betriebsklima belasten. Es kann zu unterschwelligen Konflikten kommen, bei denen manche Beschäftigten anderen ihr höheres Gehalt neiden. Vielleicht fühlen sie sich kompetenter und kreiden es den Kollegen an, dass diese nichtsdestotrotz mehr verdienen. Wenn es sich dabei um Kollegen handelt, die unmittelbar zusammenarbeiten, kann das die Zusammenarbeit stören und verschlechtern. 

Das richtige Maß: Wie viel Gehaltstransparenz ist gut?

Letztlich stellt sich die Frage, wie viel Lohntransparenz gut ist. Sollte eine Offenlegung der Gehälter grundsätzlich eine Priorität für Unternehmen sein? Es kommt darauf an, welche Verhältnisse in einem Unternehmen herrschen und wie gerecht und gleich die Bezahlung der Mitarbeiter dort bislang ist.

Gibt es eine große Ungleichheit und damit Nachholbedarf, wäre eine Offenlegung der Gehälter für Arbeitgeber kontraproduktiv. In solchen Fällen wäre es besser, wenn Firmen zunächst darauf hinwirken, dass die Löhne oder Gehälter ihrer Beschäftigten gerechter gestaltet werden. Anschließend kann Gehaltstransparenz eine gute Idee sein, um die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern.

Bezahlt ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter schon sehr fair, sollte er ruhig offen damit umgehen. So wissen alle Beschäftigten, dass sie gerecht bezahlt werden, was ihnen zugleich deutlich macht, dass der Arbeitgeber sie wertschätzt. Es kann sich sogar lohnen, in Stellenanzeigen bereits auf das mögliche Jahresgehalt einzugehen. Das birgt zwar für Unternehmen ein gewisses Risiko, schließlich könnte man ohne eine solche Angabe womöglich ein niedrigeres Gehalt aushandeln. Es kann aber auch gerade dazu führen, dass sich hochqualifizierte Kräfte bei der Firma bewerben, die sich durch die faire Bezahlung angesprochen fühlen. Wenn ein höheres Gehalt mit einer besseren Leistung und höheren Leistungsbereitschaft der Beschäftigten eingeht, lohnt sich die Investition für Arbeitgeber.

Bildnachweis: Dilok Klaisataporn / Shutterstock.com

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