Bossing: Wenn der Vorgesetzte seine Untergebenen mobbt
Ständige Schikanen und Herabwürdigungen durch den Chef kommen recht häufig vor. Bossing nennt sich das Phänomen, das Mitarbeitern den Spaß an der Arbeit gründlich verderben kann. Woran man Bossing erkennt, welche Gründe Vorgesetzte haben, sich so zu verhalten, und was Mitarbeiter dagegen tun können, lesen Sie hier.
Definition: Was ist Bossing?
Bossing ist eine ganz spezielle Form des Mobbings, denn dabei gehen die Angriffe nicht von anderen Beschäftigten, also den Kollegen aus. Bei Bossing ist der Chef, also der Boss, für die Attacken verantwortlich.
Die englische Bezeichnung des Phänomens macht das deutlich. Im angelsächsischen Sprachraum spricht man von downward bullying. Und meint damit die gezielte Schikane (bullying) von oben nach unten (downward). Das macht diese Art des Mobbings besonders kompliziert. Betroffene können sich in diesem Fall nämlich nicht hilfesuchend an ihren Vorgesetzten wenden.
Und leider scheint das Bossing kein Randphänomen zu sein. Eine im Jahr 2002 veröffentlichte Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kam zu dem Ergebnis, dass hinter jedem zweiten Mobbingfall der Chef steckt oder er zumindest beide Augen zudrückt, wenn Mitarbeiter gemobbt werden.
Wo fängt das Mobbing vom Chef an?
Beschäftigte sollten nun aber nicht den Fehler machen und jede Kritik des Chefs unter Bossing verbuchen. Im Arbeitskontext ist es ganz natürlich, dass sich der Vorgesetzte über schlechte Arbeitsergebnisse beschwert oder seinen Mitarbeiter dazu anhält, in Zukunft sorgfältiger zu arbeiten.
Damit man von Bossing, also gezielten Schikanen des Chefs, sprechen kann, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein – wie übrigens beim Mobbing auch. Dazu gehören:
- Die Kränkungen haben einen regelmäßigen Charakter. Dabei ermahnt der Chef seinen Mitarbeiter mindestens einmal pro Woche ungerechtfertigt oder wirft ihm Dinge vor, die dieser gar nicht zu verantworten hat.
- Die Schikanen dauern einen längeren Zeitraum an. Es kann durchaus vorkommen, dass auch der Chef einmal eine schlechte Phase durchmacht und sein Umfeld darunter leiden lässt. Er ist schließlich auch nur ein Mensch. Dauern die Attacken gegenüber den Beschäftigten jedoch mehrere Monate (in der Regel mindestens ein halbes Jahr lang) an, kann man davon sprechen, dass sie systematisch sind. Das ist ein wichtiges Kriterium dafür, dass man von echtem Mobbing oder Bossing sprechen kann.
- Im Unterschied zum Mobbing wird das Bossing von oben nach unten ausgeübt. Wir haben das weiter oben bereits angesprochen. Dieses starke hierarchische Gefälle ist ein weiteres Kennzeichen des Bossing.
Beispiele für Bossing
Wenn Sie ähnliches Verhalten auch von ihrem Chef kennen, fragen Sie sich nun vielleicht, ob man dabei auch von Bossing sprechen kann. Wir geben Ihnen daher nun ein paar Beispiele von Bossing, damit Sie ihre Annahme überprüfen können:
- „Niedere Tätigkeiten“: Ihr Chef gibt Ihnen den Auftrag, Arbeiten zu verrichten, die mit Ihrer Stellenbeschreibung nichts zu tun haben. So müssen Sie zum Beispiel als Abteilungsleiter Briefe von Hand adressieren, obwohl es dazu Maschinen gibt oder die Arbeit auch von einer Schreibkraft erledigt werden könnte.
- Arbeitsergebnisse verschwinden: Sie haben lange an einer Präsentation gearbeitet, die bald gehalten werden soll. Glücklicherweise haben Sie es rechtzeitig geschafft, diese fertigzustellen. Am nächsten Morgen müssen Sie jedoch feststellen, dass die Präsentation gelöscht wurde. Nur Sie und Ihr Chef hatten einen Zugang zu dem Account. Er muss also dafür verantwortlich sein, dass das Ergebnis Ihrer Arbeit nicht mehr auffindbar ist.
- Unsachliche Kritik: Gegen konstruktives Feedback ist am Arbeitsplatz nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil, diese Art von Rückmeldung hilft Ihnen dabei, besser zu werden. Anders verhält es sich mit unsachlicher Kritik. Wenn sich Ihr Chef bei seiner Rückmeldung nicht auf konkrete und objektiv nachvollziehbare Dinge beruft, sondern Sie persönlich angreift, kann man vermutlich von Bossing sprechen.
- Informationen werden vorenthalten: Ebenfalls ein beliebtes Vorgehen von Chefs, die ihre Mitarbeiter mobben, ist die gezielte Informationsverweigerung. Der Chef sorgt dabei dafür, dass der Beschäftigte wichtige Informationen, die er braucht, um seine Arbeit zu erledigen, nicht bekommt. Das führt dazu, dass der Mitarbeiter natürlich nicht die Ergebnisse abliefern kann, die er eigentlich abliefern könnte. Was wiederum dem Chef einen weiteren Anlass gibt, den Mitarbeiter zu kritisieren.
Warum mobbt der Chef seine Mitarbeiter?
Stellt sich die Frage, warum einige Chefs sich überhaupt so verhalten und ihre Mitarbeiter ganz gezielt schikanieren und attackieren. Häufig hat dieses Verhalten gar nichts mit dem Mitarbeiter zu tun, sondern hängt allein mit der Persönlichkeit des Chefs zusammen.
Häufig leiden diese Chefs selbst unter einem mangelnden Selbstbewusstsein. Indem sie ihre Mitarbeiter abwerten, möchten sie sich selbst aufwerten. Die Botschaft, die sie den anderen Beschäftigten damit senden wollen: „Schaut Euch diesen Nichtsnutz an! Ihr könnt wirklich froh sein, dass ihr so einen tollen Chef habt.“ Im Vergleich mit dem scheinbar unfähigen Mitarbeiter kann der Chef nur gewinnen.
Auch fehlende Führungstauglichkeit kann ein Grund für das Mobbing durch den Chef sein. Derartigen Vorgesetzten fehlen die Mittel und Wege, Mitarbeiter ohne Schikanen und Attacken zu führen. Sie glauben, dass sie die anderen Beschäftigten durch das mahnende Exempel, das sie an einem Mitarbeiter statuieren, zu besserer Arbeit motivieren können. Schließlich möchte niemand in die Position des Kollegen kommen, der dem Bossing ausgesetzt ist. Daher strengen sich die übrigen Beschäftigten besonders an, um dem Chef bloß keine Angriffsfläche zu bieten.
Die Konsequenzen des Bossing
Für Betroffene haben Mobbing und Bossing gesundheitliche Auswirkungen, die bis in die Depression führen können. Bevor dieser Endpunkt erreicht wird, zeigen sich häufig andere Symptome. Zum Beispiel diese hier:
- innere Unruhe und Angespanntheit
- Antriebslosigkeit
- Kopfschmerzen und Rückenschmerzen
- Kreislaufprobleme
- erhöhter Blutdruck
- Konzentrationsprobleme
Häufig sind es auch ganz diffuse Gefühle von Unwohlsein, die sich bei Personen zeigen, die unter Bossing leiden. Außerdem zeigt eine große Anzahl von Bossing-Opfern relativ schnell eine veränderte Einstellung zu ihrem Job. Wer Tag für Tag vom eigenen Chef niedergemacht wird, geht morgens eben nicht mit einem Lächeln auf den Lippen ins Büro. Gerade diese negative Einstellung zum Arbeitgeber kann die Probleme aber noch weiter verschärfen – ein Teufelskreis. Denn früher oder später wirkt sich das auf die Arbeitsmotivation und vor allem die Ergebnisse der Arbeit aus. Und so hat der Chef tatsächlich einen Grund für seine Kritik – was das Bossing jedoch nicht rechtfertigt.
Wie können sich Betroffene gegen das Bossing wehren?
Gegen das Mobbing durch den Chef vorzugehen, ist gar nicht so einfach. Das Problem startet schon damit, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer nicht an ihren Vorgesetzten wenden können, um das Bossing zur Sprache zu bringen. Trotzdem müssen diese Mitarbeiter nicht untätig bleiben. Statt die Personalabteilung oder den Chef zu informieren, können sie sich an Arbeitnehmervertretungen wie zum Beispiel den Betriebsrat wenden.
Daneben ist es außerdem ratsam, dass die Bossing- und natürlich auch Mobbing-Opfer ein Mobbing-Tagebuch führen. Darin sollten sie die Attacken des Vorgesetzten möglichst genau und detailliert festhalten. Dazu gehören Ort, Zeit, genaue Beleidigung und im besten Fall Zeugen für den Vorfall. Fehlen diese Zeugen, wird die Gegenseite vermutlich behaupten, der Mitarbeiter habe sich die Vorfälle nur ausgedacht.
Generell ist es nicht einfach, Bossing nachzuweisen und vor allem dagegen vorzugehen. Gerichtsverhandlungen sind häufig langwierig und können die Angelegenheit noch verschlimmern. Stellen Sie sich vor, Sie werden jahrelang von ihrem Chef gemobbt und ringen sich dann endlich durch, etwas gegen die ständigen Schikanen zu unternehmen. Nach mehreren Verhandlungstagen kommt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass ihre Vorwürfe unbegründet sind. Dieses Urteil ist besonders schwerwiegend, denn damit wird der Chef von den Vorwürfen freigesprochen und Sie haben keine Möglichkeit, etwas dagegen auszurichten. Ganz zu schweigen davon, dass das Arbeitsverhältnis durch eine Verhandlung vor Gericht noch weiter belastet wird. Ihnen wird also gar nicht viel übrigbleiben, außer sich nach einem neuen Arbeitgeber umzusehen.
Der Jobwechsel ist natürlich auch für Bossing-Betroffene eine Option, die nicht erst den Weg vor das Arbeitsgericht gehen möchten. Mitarbeiter, die keine Lust mehr haben, sich Tag für Tag den Spielchen des Chefs auszusetzen, sollten schon frühzeitig auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber gehen. So sparen sie sich langandauernde Demütigungen. Denn gerade bei der Suche nach einem Job müssen sie von sich überzeugt sein. Nur so strahlen sie das nötige Selbstbewusstsein aus, um den Personaler im Vorstellungsgespräch zu beeindrucken.
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