Bildungsteilzeit: Chancen für Arbeitnehmer
In einigen Branchen, die mit der IG Metall einen Tarifvertrag geschlossen haben, können sich Beschäftigte freuen: Sie erhalten die Chance auf die sogenannte Bildungsteilzeit. Diese Bildungsteilzeit leistet, was der Name schon andeutet: Mitarbeiter können in Teilzeit oder auch in Vollzeit neben dem Beruf eine Weiterbildung oder gar ein Studium absolvieren, ohne Angst um den Job haben zu müssen. Welche Regelungen gelten und wer die Kosten der Bildungsteilzeit trägt, lesen Sie hier.
Bildungsteilzeit: Was versteht man darunter?
Die Bildungsteilzeit ist ein Modell, um Arbeitnehmern eine berufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Es ist im Tarifvertrag geregelt und an den individuellen Arbeitnehmer angepasst.
Es gibt unterschiedliche Regelungen für:
- Anpassungsqualifizierung
- Erhaltungsqualifizierung
- Umqualifizierung
- Entwicklungsqualifizierung
- persönliche Weiterbildung
Sogar ein Studium ist mit der Bildungsteilzeit unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Sobald Mitarbeiter mehr als fünf Jahre bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt sind, können sie Bildungsteilzeit beantragen und ein Studium beginnen. Der Arbeitgeber sichert vorab schriftlich zu, dass nach dem Studium der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers immer noch frei ist.
War das Studium erfolgreich, kann der Beschäftigte sogar auf einen besser bezahlten Job hoffen. Wer zunächst eine Ausbildung als Mechatroniker gemacht hat, kann beispielsweise Elektrotechnik studieren und nach dem Abschluss auf eine Stelle als Ingenieur hoffen.
Die Kosten der Bildungsteilzeit: So wird die Weiterbildung finanziert
Für die Anpassungs-, Erhaltungs- und Umqualifizierung gilt, dass der Arbeitgeber die Kosten trägt und die Weiterbildung während der regulären Arbeitszeit stattfindet. Denn die Maßnahme ist betrieblich notwendig und bringt damit auch dem Arbeitgeber Vorteile.
Entwicklungsqualifizierungen werden dagegen meist nur zur Hälfte vom Arbeitnehmer getragen: Er bezahlt nur die Hälfte der Arbeitszeit während der Qualifizierungszeit. Noch einmal anders sind die Regelungen bei einer persönlichen Weiterbildung. Dabei trägt der Beschäftigte die Kosten komplett selbst.
Denkbar sind zum Beispiel aber auch Konzepte, in denen der Beschäftigte nur noch 50 Prozent der Zeit arbeitet und sich in der übrigen Zeit seiner Weiterbildung widmet. Damit die finanziellen Einbußen nicht zu groß werden, wird sein Lohn oder Gehalt während der Bildungsteilzeit aufgestockt: Bis zu 80 Prozent des durchschnittlichen Bruttoverdiensts sind dabei möglich.
In den nächsten Jahren wird sich in dieser Hinsicht vermutlich noch einiges tun, denn die Idee der Bildungsteilzeit ist in Deutschland noch relativ neu. Auf der anderen Seite gibt es schon jetzt weitere Ideen von Seiten der IG Metall, um die Bildungsteilzeit zu fördern und zu finanzieren: Ein Bildungskonto könnte dazu beitragen, die berufliche Weiterbildung für eine größere Anzahl an Mitarbeiter zu ermöglichen. Ein derartiges Konto hat gleich mehrere Vorteile:
- Mitarbeiter können fast 160 Arbeitsstunden auf diesem Konto ansammeln und später für ihre Weiterbildung nutzen.
- Statt sich Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld auszahlen zu lassen, kann diese Arbeitszeit ebenfalls auf das Konto fließen.
- Auch Überstunden können dazu genutzt werden, eine spätere Bildungsteilzeit wenigstens zum Teil mitzufinanzieren.
- Erlaubt ist es außerdem, während der Bildungsteilzeit 10 Prozent der Minusstunden auf dem Konto anzusammeln und diese nach der Rückkehr in den Betrieb nachzuarbeiten.
Neuer Baustein der Bildungsteilzeit
Die sogenannte „Förderung der Weiterbildung für Ungelernte und Geringqualifizierte nach WeGebAU“ ist komplett neu und wird zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit angeboten, die einen Teil der Kosten übernimmt.
An dieser Qualifizierung im Rahmen der Bildungsteilzeit können Arbeitnehmer teilnehmen, die nur gering beruflich qualifiziert sind und vielleicht sogar gar keinen Berufsabschluss haben. Voraussetzung dafür ist, dass sie mindestens vier Jahre lang einen Job ausüben, den sie nicht erlernt haben oder der generell für ungelernte Arbeitskräfte gedacht ist.
Mit der Qualifizierung nach WeGebAU sollen diese Beschäftigten die Möglichkeit erhalten, einen Ausbildungsberuf zu erlernen. Das Ganze, ohne den Job zu kündigen oder auf Geld verzichten zu müssen. Denn Beschäftigte, die an dieser Qualifizierung teilnehmen können, bekommen weiterhin ihren Lohn. Gezahlt wird er von der Agentur für Arbeit und dem Arbeitgeber.
Bildungsteilzeit: Darum sind Weiterqualifizierungen nötig
Bildungsteilzeit soll Beschäftigten die Möglichkeit geben, sich trotz beruflicher Belastung weiterzubilden. Dass das in den meisten Branchen und Berufen dringend nötig ist, vermuten viele Experten. Laut deren Schätzung werden in den nächsten Jahren 40 Prozent der Tätigkeitsprofile verschwinden und/oder durch neue ersetzt werden.
Das liegt zum großen Teil an der Digitalisierung und ihren Herausforderungen. Mitarbeiter müssen sich auf diese Veränderungen einstellen – und zwar grundlegend. Es wird daher nicht ausreichen, nur Weiterbildungen für den konkreten Job, sogenannte Erhaltungs- und Anpassungsqualifikationen, zu absolvieren. Denn wenn es den Job nicht mehr gibt, hilft auch die Weiterbildung nicht weiter.
Aus diesem Grund wurde vor einigen Jahren in bestimmten Branchen die Bildungsteilzeit eingeführt. Unser Nachbar Österreich hat damit schon länger positive Erfahrungen gesammelt, was vermutlich ein weiterer Grund dafür war, auch Arbeitnehmern in Deutschland diese Möglichkeit zu geben.
Der Wandel der Arbeitswelt wird also nicht nur gering qualifizierte Arbeitskräfte treffen. Auch Fachkräfte könnten ihren ursprünglichen Tätigkeitsbereich komplett verlieren. So wie der Nachrichtentechniker, der in ein paar Jahren vermutlich nicht mehr gebraucht wird. Denn der hat gelernt, sich hauptsächlich mit der Hardware zu beschäftigten. Gefragt sein werden dagegen eher Mitarbeiter, die sich mit der Software auskennen und Probleme beheben können.
Wo ist die Qualifizierung geregelt?
Die Bildungsteilzeit ist aktuell in verschiedenen Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie festgeschrieben. Damit haben nur Beschäftigte aus diesem Sektor die Möglichkeit, Bildungsteilzeit zu beantragen. Alle anderen Beschäftigten müssen mit ihrem Arbeitgeber noch nach anderen, individuellen Regelungen suchen.
Beschäftigte, die zur Metall- und Elektroindustrie gehören, können die jeweiligen Regelungen, die in ihrem Bundesland gelten, hier nachlesen:
- Baden-Württemberg: Tarifvertrag zur Qualifizierung, § 5
- Bayern: Tarifvertrag zur Bildungsteilzeit, Tarifvertrag zur Qualifizierung, § 8 Ziff. 4 TVQ u.a.
- Berlin, Brandenburg, Sachsen: Tarifvertrag Bildung, Ziff. 5.3 c) u.a., Tarifvertrag Bildung, § 5 Ziff. 3 c) u.a.
- Hamburg und Umgebung, Unterweser, Nordwestliches Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern: Tarifvertrag zur Qualifizierung, § 5 Ziff. 3 c) u. a.
- Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen: Tarifvertrag Bildung, § 5 Ziff. 3 c) u. a.
- Niedersachsen, Osnabrück, Sachsen-Anhalt: Tarifvertrag Bildung, § 5 Ziff. 3 c) u. a.
- Nordrhein-Westfalen: Tarifvertrag Bildung, § 5 Ziff. 3 c) u. a.
(Quelle: igmetall.de)
Für wen ist die Weiterbildung sinnvoll?
Grundsätzlich ist es natürlich für alle Arbeitnehmer sinnvoll, sich beruflich weiterzubilden, um möglichst das gesamte Arbeitsleben über am Ball zu bleiben. Lebenslanges Lernen ist eben keine leere Worthülse, sondern Realität. Besonders in den sogenannten disruptiven Branchen wird es in den nächsten Jahren immer wichtiger werden, dass sich Arbeitnehmer weiterbilden oder gar einen komplett neuen Job erlernen.
Damit sind keineswegs nur ungelernte Arbeitskräfte gemeint. Auch die dringend gesuchten Fachkräfte werden in einigen Branchen Schwierigkeiten haben, auch in einigen Jahren noch einen Job zu finden. Experten gehen davon aus, dass folgende Branchen besonders schwer unter der Digitalisierung leiden werden:
- Bäcker, Konditoren
- Berufe in der Holz- und Kunststoffbearbeitung
- Berufe in der Produktion und Wartung
- Berufe in der Kommissionierung und Lagerhaltung
- Berufe im Callcenter oder als Bürofachkraft
- Bank und Versicherungskaufleute
- Berufe im Finanz- und Rechnungswesen und in der Buchhaltung
Daher sollten sich auch Beschäftigte ohne Möglichkeit auf eine Bildungsteilzeit darum bemühen, nicht den Anschluss an die Entwicklungen zu verpassen. In tarifgebunden Betrieben steht Arbeitnehmern ohnehin einmal pro Jahr ein Gespräch mit dem Arbeitgeber zu. In diesem Gespräch können Möglichkeiten erläutert werden, wie auch ohne Bildungsteilzeit die Chance auf Weiterqualifizierung ermöglicht werden kann. Mit folgenden Argumenten gelingt es Ihnen hoffentlich einfacher, in den Genuss einer Weiterbildung zu kommen.
So überzeugen Sie Ihren Chef von der Weiterbildung
Wenn Sie in einem Betrieb arbeiten, der ohnehin Bildungsteilzeit anbietet, müssen Sie sich wenig Gedanken machen. Dieses Glück haben aber nicht alle Beschäftigten. Für die kann es dann sinnvoll sein, sich mit Argumenten zu beschäftigten, wie sie den Chef dazu bringen, die Weiterbildung zu genehmigen. Das kann zum Beispiel so gelingen:
- Auf Timing achten: Wenn gerade ein großer Auftrag in die Hose gegangen ist, ist sicherlich nicht der beste Zeitpunkt, um nach einer Weiterbildung zu fragen. Sollte der Chef jedoch einen neuen, vielversprechenden Kunden gewonnen haben, lohnt es sich schon eher. Wenn Sie einen guten Kontakt ins Vorzimmer des Chefs haben, fragen Sie doch einfach, wann es am besten passt. Mit etwas Glück erwischen Sie genau den richtigen Zeitpunkt.
- Vorteile aufzeigen: Was hat der Arbeitgeber davon, wenn Sie die Weiterbildung absolvieren? Bringen Sie neues Know-how ins Unternehmen, können Sie Abläufe straffen, andere und zusätzliche Aufgaben übernehmen? Formulieren Sie so konkret wie nur möglich und belegen Sie ihre Ausführungen mit Beispielen.
- Weiterbildung erhöht Produktivität: Was natürlich nicht vergessen werden darf: Mitarbeiter, die ihren Job gerne machen, sind motivierter und produktiver und dagegen hat wohl kein Arbeitgeber etwas einzuwenden. Machen Sie daher deutlich, wie Sie als Arbeitnehmer von der Chance auf Weiterqualifizierung profitieren können. Achten Sie jedoch sorgfältig darauf, was Sie sagen. Ihr Chef darf nicht den Eindruck bekommen, dass Sie aktuell sehr unglücklich sind und daher nur auf halber Flamme arbeiten.
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