Vertrauensarbeitszeit: Wie funktioniert sie?

Statt auf Kontrolle setzen Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit auf die Eigenverantwortung ihrer Mitarbeiter. Innerhalb eines vereinbarten Rahmens können die Beschäftigten sich ihre Zeit selbst einteilen. Nicht die Anwesenheit zu bestimmten Zeiten zählt bei diesem Modell, sondern das Ergebnis. In diesem Beitrag erfahren Sie, was Vertrauensarbeit ist, wie sie funktioniert und welche Vor- und Nachteile damit einhergehen können.

Eine Frau arbeitet nach Vertrauensarbeitszeit und schaut auf die Uhr

Vertrauensarbeitszeit Definition: Was ist Vertrauensarbeitszeit?

Auf die Frage, wie sich Arbeitszeit gestalten lässt, gibt es viele Antworten – und entsprechend viele Arbeitszeitmodelle werden in der Praxis genutzt. Immer mehr Arbeitgeber wenden sich vom klassischen Acht-Stunden-Tag mit festen Arbeitszeiten ab. Bei dieser Variante konnten sie zwar leicht überprüfen, ob die Mitarbeiter ihrer vertraglich festgelegten Wochenarbeitszeit nachkommen. Allerdings bleibt bei einem solch starren Modell kaum Raum, um auf Schwankungen im Arbeitsaufkommen zu reagieren oder private Termine zu realisieren. Besonders in Zeiten, in denen gerade weniger zu tun ist, führt es bei vielen Beschäftigten zu Frust, wenn sie trotzdem ihre Zeit im Büro absitzen müssen. Das ist auch aus Sicht von Arbeitgebern nicht produktiv.

Vor diesem Hintergrund hat sich das Modell der Vertrauensarbeitszeit entwickelt. Die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleiben dieselben: Es wird eine bestimmte wöchentliche Arbeitszeit festgelegt, an die sich der Beschäftigte halten muss. Es kann auch sein, dass die Mitarbeiter zu bestimmten Kernarbeitszeiten im Büro oder Betrieb sein müssen. Darüber hinaus organisieren sie sich jedoch selbst. Das bedeutet: Sie entscheiden selbst, wann sie arbeiten. Sie können früher oder später zur Arbeit kommen, früher oder später gehen, eine längere Mittagspause machen oder sich den Nachmittag freinehmen. Die einzige Einschränkung: Sie müssen sicherstellen, dass sie ihre Ziele rechtzeitig erreichen.

Wie funktioniert Vertrauensarbeitszeit?

Bei Vertrauensarbeitszeit zählt das Ergebnis. Solange die Ergebnisse stimmen, können Arbeitnehmer sich ihre Arbeitszeit vollkommen frei einteilen – zumindest, wenn keine Kernarbeitszeiten vorgesehen sind. Ist das der Fall, steht es den Mitarbeitern frei, ihre übrige Arbeitszeit nach eigenem Ermessen festzulegen. Wie genau die Vertrauensarbeitszeit in einem Unternehmen ausgestaltet werden kann, geht aus der zugehörigen Regelung im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung hervor.

Wenn Vertrauensarbeitszeit in einem Unternehmen eingeführt wird, gibt der Arbeitgeber Kontrolle aus der Hand. Damit sich das nicht rächt, trifft er mit seinen Beschäftigten Zielvorgaben. Dabei kann es sich um längerfristige Ziele ebenso handeln wie kurzfristige. Wie ein Mitarbeiter diese Ziele erreicht, liegt an ihm. Er kann mal kürzer arbeiten und mal länger, solange er sich dabei innerhalb der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes bewegt. Es ist nicht nötig, jeden Tag stur acht Stunden an der Arbeit zu bleiben. Selbst ein freier Tag ist hin und wieder denkbar, wenn die Arbeit darunter nicht leidet.

Die Flexibilität erstreckt sich bei der Vertrauensarbeitszeit oft auch auf den Arbeitsort. Viele Arbeitgeber ermöglichen ihren Beschäftigten eine Arbeit aus dem Homeoffice. So kann die Arbeitswoche zum Beispiel so aussehen, dass ein Mitarbeiter von Montag bis Mittwoch ins Büro kommt, die übrigen beiden Tage aber von zuhause aus arbeitet.

Vertrauensarbeitszeit: Zeiterfassung auf verschiedenen Wegen

Wenn Vertrauensarbeitszeit in einem Unternehmen eingeführt wird, ist wichtig, dass die Arbeitszeiten der Mitarbeiter trotzdem gewissenhaft erfasst werden. Dafür sorgt schon das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Das EuGH hat am 14. Mai 2019 geurteilt, dass Arbeitgeber die Arbeitszeit von Beschäftigten lückenlos erfassen müssen (Az. C-55/18). Dabei sind sowohl die eigentlichen Arbeitszeiten gemeint als auch Arbeitstätigkeiten, die vor oder nach der regulären Arbeitszeit stattfinden. Das betrifft etwa das Beantworten von E-Mails am Frühstückstisch oder die Entgegennahme eines Anrufs nach Feierabend.

Das EuGH-Urteil soll Beschäftigte vor Überlastung schützen und ihre Rechte stärken. Es wird dadurch unwahrscheinlicher, dass Überstunden nicht erfasst und damit auch nicht vergütet werden. Auch bei einer Vertrauensarbeitszeit müssen Arbeitgeber sowohl die eigentlichen Arbeitszeiten als auch Überstunden von Arbeitnehmern erfassen. Bei Vertrauensarbeitszeit können Überstunden ein größeres Problem sein als bei festen Arbeitszeiten. Ohne genaue Zeiterfassung ist womöglich weder den Beschäftigten selbst noch dem Arbeitgeber klar, ob Überstunden gemacht werden und wie viele es sind.

Bei Vertrauensarbeitszeit kann die Zeiterfassung auf verschiedenen Wegen vonstatten gehen. Es ist zum Beispiel möglich, die Arbeitszeiten in eine Excel-Tabelle einzutragen, in ein Word-Dokument oder sie mithilfe einer Software oder App zu dokumentieren. Auch auf einem Zettel können Beschäftigte ihre Arbeitszeiten eintragen. Zur Zeiterfassung können auch die Login-Zeiten auf dem Firmenserver herangezogen werden. Falls für manche Tätigkeiten kein Login auf dem Server erforderlich ist, müssen diese Zeiten allerdings gesondert erfasst werden.

Für wen eignet sich das Modell Vertrauensarbeitszeit?

In vielen Bereichen der Arbeitswelt kann das Modell Vertrauensarbeitszeit grundsätzlich eingeführt werden. In manchen Jobs ist es hingegen nicht die beste Wahl oder sogar gänzlich ungeeignet. Das betrifft vor allem Bereiche, in denen es viel Kundenkontakt gibt und in denen die Mitarbeiter deshalb zu bestimmten Zeiten erreichbar sein müssen. Auch in vielen produktiven und handwerklichen Zweigen oder im Einzelhandel kommt Vertrauensarbeitszeit meist nicht infrage.

Vertrauensarbeitszeit setzt voraus, dass es kein Nachteil ist, wenn die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten selbst bestimmen. Sie müssen darüber hinaus erfahren und kompetent genug sein, um ihre Arbeit weitgehend eigenverantwortlich auszuüben. Ist das nicht der Fall, kann das Modell Vertrauensarbeitszeit schnell scheitern. Nicht ausreichend erfahrene Mitarbeiter würden dadurch tendenziell überfordert, wodurch Stress entstehen kann. In einem solchen Szenario werden womöglich nicht die besten Ergebnisse erzielt.

Welche Vor- und Nachteile hat Vertrauensarbeitszeit?

In vielen Fällen kommt Vertrauensarbeitszeit sowohl Arbeitnehmern als auch Arbeitgebern zugute, was an den diversen Vorteilen des Arbeitszeitmodells liegt. Allerdings können mit Vertrauensarbeitszeit auch Nachteile für beide Seiten einhergehen. Die wichtigsten Pro-und-Contra-Argumente stellen wir Ihnen hier vor.

Vorteile von Vertrauensarbeitszeit

  • Arbeitnehmer können ihre Arbeitszeit bei Vertrauensarbeitszeit in einem gewissen Rahmen selbstbestimmt gestalten. Das sorgt für mehr Flexibilität und ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance. Sie können private Termine etwa problemlos organisieren oder ihren beruflichen Alltag auf ihre familiären Verpflichtungen zuschneiden. Ebenso ist es möglich, die eigene Freizeitgestaltung frei zu planen, wenn man nicht zu bestimmten Zeiten anwesend sein muss. Es ist nicht nötig, den Arbeitgeber vorher um Erlaubnis zu fragen, wenn man früher gehen möchte, um das gute Wetter zu nutzen oder Freunde zu treffen.
  • Viele Arbeitnehmer sind zufriedener, wenn sie in Vertrauensarbeitszeit arbeiten. Ihre Motivation kann ebenso steigern wie die Bindung an den Arbeitgeber, was auch für Arbeitgeber ein Vorteil ist. Dadurch gibt es weniger Fluktuation; auch qualifizierte Bewerber werden durch positive Erfahrungen von Mitarbeitern eher angelockt. Sind die Beschäftigten zufrieden, leisten sie mehr, bringen sich eher ein und können so die Produktivität insgesamt verbessern.
  • Auch das Betriebsklima kann sich verbessern, wenn die Mitarbeiter insgesamt zufrieden mit ihren Jobs sind. Das beugt Konflikten ebenso vor wie stress- und krankheitsbedingten Ausfallzeiten.
  • Bei Vertrauensarbeitszeit bringen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern viel Vertrauen entgegen. Das signalisiert den Arbeitnehmern eine gewisse Wertschätzung. Ihre Eigenverantwortung wird zudem gestärkt, ebenso ihr unternehmerisches Denken. Sie lernen, eigenständiger zu agieren und Entscheidungen selbst zu treffen. Das kann eine wichtige Erfahrung sein und aus Arbeitgebersicht aus guten Mitarbeitern sehr gute Mitarbeiter machen.
  • Durch das entgegengebrachte Vertrauen kann sich die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten verbessern. Auch das trägt zu einer guten, produktiven Zusammenarbeit bei.

Nachteile von Vertrauensarbeitszeit

  • Wie gut Vertrauensarbeitszeit funktioniert, hängt davon ab, wie gut sich Arbeitnehmer organisieren können. Nicht jedem fällt es leicht, seine Arbeit ohne detaillierte Vorgaben von oben auszuüben – manch einer braucht klare Strukturen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Solche Typen leisten bei Vertrauensarbeitszeit womöglich nicht mehr, sondern weniger. Deshalb kann die Produktivität sinken, wenn die Mitarbeiter nicht ausreichend gut in der Lage sind, eigenständig zu arbeiten.
  • Es kann bei Vertrauensarbeitszeit außerdem zu Missverständnissen kommen, die im Zweifel erst spät auffallen. Vielleicht ging der Arbeitgeber davon aus, dass eine bestimmte Aufgabe früher fertig ist als der Arbeitnehmer geplant hat. Entscheidend ist deshalb, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Gespräch bleiben und sich regelmäßig über den Arbeitsfortschritt austauschen. Eine gute Kommunikation ist entscheidend dafür, ob Vertrauensarbeitszeit gewinnbringend ist oder nicht.
  • Mitunter sind die Zielvorgaben, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden, unrealistisch. Dann können sie den Beschäftigten unter Druck setzen. Hält dieser Zustand an, steigt das Stresslevel, was wiederum die Gefahr eines Burnouts oder von Krankheiten erhöht. Sind Arbeitnehmer ständig im Stress, sinkt wahrscheinlich auch ihre Zufriedenheit im Job. Sie sehen sich dann eher nach einer neuen Stelle um.
  • Ohne lückenlose Zeiterfassung kann Vertrauensarbeitszeit zu Überstunden führen. Umso wichtiger ist eine genaue Dokumentation aller Arbeitszeiten – auch, wenn es um Aufgaben geht, die der Beschäftigte „nur mal eben“ zwischendurch in seiner Freizeit erledigt.
  • Vielen Arbeitgebern fällt es schwer, Kontrolle abzugeben. Arbeiten die Mitarbeiter trotz Vertrauensarbeitszeit genug? Manchmal sind die Sorgen vor einem Arbeitszeitmissbrauch tatsächlich gerechtfertigt. Besonders, wenn Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten, wissen Arbeitgeber oft nicht, ob sie tatsächlich arbeiten oder nur vorgeben, produktiv zu sein.
  • Es kann bei Vertrauensarbeitszeit schwierig sein, Meetings zu planen oder sich mit Kollegen abzusprechen. Wo Teams eng zusammenarbeiten, können die Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten womöglich doch nicht so frei festlegen, weil die Abläufe sonst nicht gut bewältigt werden können.

Bildnachweis: Kzenon / Shutterstock.com

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