Berufsunfähigkeit: Das sollten Betroffene wissen

Berufsunfähigkeit kann jeden treffen – und das passiert nicht so selten, wie manche meinen. Wer am Anfang seiner Karriere steht, hat laut Statistischem Bundesamt ein knapp 40-prozentiges Risiko, bis zur Rente mit 65 berufsunfähig zu werden. Eine Krankheit, ein Unfall oder psychische Erkrankungen können eine weitere Ausübung des Berufs unmöglich machen. In unserem Ratgeber erfahren Sie, was unter Berufsunfähigkeit zu verstehen ist, welche Unterstützung infrage kommt und warum Sie bei Anträgen keine Fehler machen sollten.

Ein Mann hält den Kopf bei der Arbeit

Berufsunfähigkeit Definition: Wer gilt als berufsunfähig?

Wer als berufsunfähig gilt, regelt das Versicherungsvertragsgesetz. Demnach wird ein Arbeitnehmer als berufsunfähig eingestuft, wenn er seinen Beruf durch bestimmte Gründe ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann. Die Berufsunfähigkeit muss für voraussichtlich mehr als sechs Monate andauern. In der Praxis muss ein Arzt oder ein Gutachter eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent festgestellt haben, damit Berufsunfähigkeitsversicherungen zahlen. Das bedeutet, dass der zuletzt ausgeübte Beruf auf Dauer zu weniger als 50 Prozent ausgeübt werden kann.

Es kann verschiedene Gründe für eine Berufsunfähigkeit geben. Nach einer Erhebung des Analysehauses Morgen & Morgen im Jahr 2018 waren psychische Erkrankungen mit knapp einem Drittel der häufigste Grund für eine Berufsunfähigkeit. Etwa jeder fünfte Berufsunfähige konnte seiner Arbeit wegen Erkrankungen des Skelett- und Bewegungsapparats nicht mehr nachgehen. Auch Krebs und andere Erkrankungen spielen bei einer Berufsunfähigkeit häufig eine Rolle. Darüber hinaus kann auch ein Unfall dazu führen, dass ein Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, seinen Beruf wie vorgesehen auszuüben.

Unterschiedliches Risiko für eine Berufsunfähigkeit

Bei manchen Berufen ist das Risiko einer Berufsunfähigkeit höher als bei anderen. Wer eine stark körperlich fordernde Tätigkeit ausübt, kann etwa bei Bandscheibenproblemen eher nicht mehr arbeiten – die Tätigkeit würde die Beschwerden wahrscheinlich verschlimmern. Berufsunfähigkeit kann jedoch auch bei einem Bürojob auftreten. Das gilt besonders für Jobs, die psychisch stark belastend sein können.

Abzugrenzen ist die Berufsunfähigkeit von der Erwerbsunfähigkeit. Wer berufsunfähig ist, kann lediglich den Beruf über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft nicht mehr ausüben, den er erlernt hat. Wer erwerbsunfähig ist, kann hingegen gar keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen.

Berufsunfähigkeit: Wer zahlt dafür?

Für Betroffene ist vor allem die Frage entscheidend, wie sie ihren Lebensunterhalt trotz Berufsunfähigkeit bestreiten können. Einen Anspruch auf eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente gibt es seit dem Jahr 2001 nicht mehr. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten Betroffene, die in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hatten, eine Rente bei Berufsunfähigkeit bekommen. Diese Möglichkeit haben nun nur noch Personen, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden.

Der Anspruch auf die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente besteht nun allgemein nicht mehr. Stattdessen kommt eine Rente wegen (teilweiser) Erwerbsminderung nach Paragraf 240 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch bei Berufsunfähigkeit in Betracht, die jedoch mit höheren Hürden verbunden ist. Werden die Voraussetzungen erfüllt, wird die Erwerbsminderungsrente so lange gezahlt, bis der Betroffene die Regelaltersgrenze erreicht. Das setzt voraus, dass die Erwerbsminderung weiterhin besteht.

Wann besteht eine Erwerbsminderung?

Eine Erwerbsminderung besteht nur dann, wenn der Betroffene nicht nur nicht mehr in seinem eigentlichen Beruf arbeiten kann, sondern auch in keinem anderen. Zur Einstufung ist außerdem die Frage entscheidend, wie lange Betroffene pro Tag arbeiten können. Wer noch sechs Stunden oder mehr einer Arbeitstätigkeit nachgehen kann, gilt nicht als erwerbsgemindert. Bei einer maximalen Arbeitstätigkeit zwischen drei und sechs Stunden handelt es sich um eine teilweise Erwerbsminderung. Voll erwerbsunfähig sind nach der Einstufung Personen, die höchstens drei Stunden pro Tag arbeiten könnten.

Zu den Voraussetzungen für den Bezug einer Erwerbsminderungsrente gehört auch, dass eine Wartezeit von 60 Monaten beziehungsweise fünf Jahren erfüllt sein muss. In mindestens 36 dieser Monate muss der Betroffene Pflichtbeiträge gezahlt haben. Das ist als 3/5-Belegung bekannt.

Keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben Berufsanfänger, die noch keine fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben. Auch Selbständige können die staatliche Unterstützung in den meisten Fällen nicht beantragen.

Wie hoch ist die Erwerbsminderungsrente und welche Alternativen gibt es?

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente hängt von den Versicherungsjahren und dem bisherigen Einkommen ab. Sie reicht für viele Betroffene nicht aus, um ihre Kosten zu decken. Wer mit einer maximalen täglichen Arbeitsfähigkeit von höchstens drei Stunden voll berechtigt ist, erhält im Schnitt nur knapp ein Drittel des früheren Bruttogehalts. Bei einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit wird in der Regel nur die Hälfte des Satzes bezahlt.

Wer sich vor einer Berufsunfähigkeit schützen möchte, kann eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Eine solche Versicherung kann sinnvoll sein, wenn Sie durch die gesetzliche Erwerbsminderungsrente keine ausreichenden Einnahmen hätten. Außerdem zahlen Versicherungen im Rahmen einer solchen Versicherung auch dann, wenn nur eine Berufsunfähigkeit und keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann sich lohnen

Wie hoch die Kosten für eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind, hängt vor allem mit Ihrem Gesundheitszustand und Ihrem Alter ab. Maßgeblich ist darüber hinaus die Art des Berufs. Wer einen Bürojob hat, zahlt meist deutlich geringere Beiträge als jemand, der einen körperlichen Job ausübt.

Es ist sinnvoll, eine Berufsunfähigkeitsversicherung möglichst frühzeitig abzuschließen. Je unwahrscheinlicher es aus Sicht der Versicherung ist, dass Sie berufsunfähig werden, desto günstiger sind die Konditionen. Je jünger Sie sind, desto gesünder sind Sie meist auch – das reduziert die Beiträge. Wer hingegen schon Vorerkrankungen hat, muss schlechtere Konditionen hinnehmen. Es kann auch sein, dass er gar nicht versichert werden kann. Dasselbe gilt für Arbeitnehmer, die sich in psychotherapeutischer Behandlung befinden.

Berufsunfähigkeit: Eine Umschulung als Lösung?

Längst nicht jeder, der berufsunfähig ist, kann grundsätzlich keiner Arbeitstätigkeit mehr nachgehen. Ist noch eine Arbeitstätigkeit von mindestens sechs Stunden pro Tag in einem anderen Beruf möglich, kann eine Umschulung notwendig werden. Über eine Umschulung können Sie einen neuen Beruf erlernen. Auch andere Schulungen und Wiedereingliederungsmaßnahmen können eine Möglichkeit darstellen, wieder in den alten Beruf zurückzukehren.

Die Kosten für eine notwendige Umschulung übernimmt die gesetzliche Rentenversicherung. Bei berufsbedingten Krankheiten oder nach einem Arbeitsunfall ist die Rentenversicherung allerdings nicht zuständig; in solchen Fällen ist die Unfallversicherung der richtige Ansprechpartner.

Kostenübernahme von Umschulungen und Reha

Eine Umschulung kommt vor allem dann in Betracht, wenn nicht zu erwarten ist, dass Sie Ihren eigentlichen Beruf nach einer gewissen Zeit wieder ausüben können. Über eine Reha oder Physiotherapie kann dies jedoch in manchen Fällen erreicht werden. Wenn Sie keine Umschulung machen müssen oder möchten, kann eine Rehabilitation die bessere Wahl sein. Die Kosten für eine Reha oder Physiotherapie zahlt ebenfalls die Rentenversicherung. Während der Rehabilitationszeit haben Sie Anspruch auf ein Übergangsgeld. Die Zahlung können Sie auch während einer Umschulung bekommen.

Das Übergangsgeld beträgt im Normalfall 68 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens. Versicherte mit Kindern, für die noch ein Anspruch auf Kindergeld besteht, erhalten 75 Prozent des früheren Lohns.

Berufsunfähigkeit beantragen: Tipps für Betroffene

Wenn Sie berufsunfähig sind und eine Erwerbsminderungsrente oder Berufsunfähigkeitsrente beantragen möchten, sollten Sie durchdacht vorgehen. Fehler bei der Antragstellung können Sie nicht nur teuer zu stehen kommen. Es kann auch sein, dass man Ihre Ansprüche für nichtig erklärt und Sie keine Unterstützung erhalten. Es ist daher sinnvoll, sich bei der Antragstellung beraten zu lassen. Fehler lassen sich später häufig nur schwer oder gar nicht korrigieren.

Je nachdem, was Sie konkret beantragen – die gesetzliche Erwerbsminderungsrente oder eine private Berufsunfähigkeitsrente –, benötigen Sie verschiedene Unterlagen. Diese sollten vollständig und korrekt ausgefüllt sein. Zum Nachweis Ihrer Berufsunfähigkeit ist wichtig, dass Sie diese möglichst detailliert erläutern. So kann der Versicherer nachvollziehen, ob Sie tatsächlich nicht mehr arbeiten können. Dafür sind auch Gutachten von behandelnden Ärzten relevant. Diese sollten nicht nur Angaben zur Ursache der Berufsunfähigkeit enthalten, sondern auch zu deren voraussichtlicher Dauer.

Wenn Sie eine private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben, wurden Sie bei Vertragsschluss ausführlich zu Ihrem Gesundheitszustand befragt. Haben Sie dabei nicht die Wahrheit gesagt – etwa, um günstigere Konditionen zu erreichen –, kann sich das rächen, wenn Sie die Berufsunfähigkeitsrente beantragen. Der Versicherer prüft, ob Ihre Angaben der Wahrheit entsprochen haben. Wer falsche Angaben gemacht hat, geht mitunter leer aus. Auch deshalb werden knapp ein Viertel aller Anträge auf die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente abgelehnt.

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