Rente mit 70: Müssen wir in Zukunft bis 70 arbeiten?

Im Zuge des demographischen Wandels wird es für den Staat immer schwieriger, die Rente für die kommenden Generationen zu sichern. Daher diskutieren Politik und Arbeitgeberverbände den Eintritt in die Rente mit 70. Warum die Rente ab 70 überhaupt ein Thema ist, was dies für Arbeitnehmer bedeuten würde und welche alternativen Lösungen denkbar sind, können Sie hier nachlesen.

Eine ältere Frau beim Nähen, kommt bald die Rente mit 70?

Rente mit 70: Warum darüber gesprochen wird

Die Lebenserwartung in Deutschland steigt kontinuierlich und das schon seit über einhundert Jahren. Dieser Trend wird sich Berechnungen zufolge auch in Zukunft fortsetzen. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2060 auf 88 bis 90 Jahre steigen wird. Damit würden künftige Rentner im Schnitt etwa sechs bis neun Jahre länger leben als die aktuelle Rentnergeneration.

Dieser demographische Wandel bedeutet Probleme für die Finanzierung der Rente. Denn immer weniger junge Arbeitnehmer müssen durch ihre Steuerabgaben die Rente für immer mehr alte Menschen erwirtschaften. Je weiter dieses Verhältnis ins Ungleichgewicht gerät, desto größer die Belastung für das Rentensystem. Die anhaltende Niedrigzinsphase trägt außerdem dazu bei, dass das Rentenniveau künftiger Rentner gefährdet ist.

Ein Ausweg aus der Misere könnte die Rente mit 70 sein. Denn Arbeitnehmer, die länger arbeiten und eigene Einnahmen generieren, erhalten im Gegenzug ein paar Jahre weniger Rente. Konkret bedeutet die Rente ab 70, dass Arbeitnehmer eben nicht mehr mit 65 oder 67 Jahren in Rente gehen können, sondern erst drei oder gar fünf Jahre später in ihren Ruhestand starten dürfen. Wer später in Rente geht, bekommt nicht nur für einen kürzeren Zeitraum Rente, er zahlt auch länger in die Rentenkasse ein, womit wiederum andere Rentner finanziert werden können.

Übrigens: Rente mit 70 bedeutet nicht zwingend, dass alle Arbeitnehmer ausnahmslos bis zu ihrem 70. Lebensjahr arbeiten müssen. Es wird vermutlich immer noch Ausnahmeregelungen für bestimmte Berufsgruppen oder auch Menschen mit einer Behinderung geben. Die Idee der Rente mit 70, wie sie aktuell diskutiert wird, meint die abschlagsfreie Rente. Arbeitnehmer hätten dieser Idee zufolge innerhalb von 70 Lebensjahren genügend Beitragsjahre gesammelt, um ohne Abzüge ihren Ruhestand genießen zu können.

Das spricht für die Rente mit 70

Die Idee, dass künftige Generationen von Arbeitnehmern erst mit 70 Jahren in Rente gehen sollten, hat noch einen weiteren Grund: Wir werden nicht nur immer älter, es gibt auch immer weniger junge Menschen, die die Renten für die Ruheständler zahlen können.

Im Zeitraum der letzten hundert Jahre, in dem die Lebenserwartung der Arbeitnehmer um stattliche 30 Jahre anstieg, sank der prozentuale Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung. Also der Anteil derjenigen Personen, die ein paar Jahre später die Beiträge für die Rentner zahlen müssen. Ihr Anteil hat sich mehr als halbiert, nämlich von 44 Prozent im Jahr 1900 auf 21 Prozent im Jahr 2000. Und auch dieser Trend soll sich Berechnungen zufolge weiter fortsetzen. So geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2015 auf 16 Prozent verringern wird.

Das ist vor allem deshalb ein Problem, weil die Rente im sogenannten Umlageverfahren gezahlt wird. Das bedeutet, dass die aktuellen Arbeitnehmer gar nicht für ihre Rente ansparen. Vielmehr fließen die Beiträge der Arbeitnehmer direkt zu den aktuellen Rentnern.

Wenn es in einigen Jahren also immer weniger Arbeitnehmer gibt, die in die Rentenkasse einzahlen, bekommen zukünftige Generationen von Ruheständlern allein schon deshalb ein Problem. In der Folge wird das Rentenniveau vermutlich weiter sinken, was die Gefahr für Altersarmut bestimmter Bevölkerungsschichten zusätzlich verstärkt. Die Rente mit 70 soll diesen Trend durchbrechen. Denn wer erst mit 70 Jahren in Rente geht, zahlt länger in die Rentenkasse ein und bekommt weniger lang selbst Zahlungen aus der Kasse.

Das spricht gegen die Rente ab 70

In der Theorie bringt die Rente mit 70 also einige Vorteile. Gewerkschaften und andere Arbeitnehmerverbände haben jedoch gewaltige Vorbehalte dagegen, dass Beschäftigte zukünftig bis 70 arbeiten sollen.

Sie führen zum einen an, dass gerade Arbeiter und unter ihnen diejenigen, die in körperlich äußerst anstrengenden Berufen arbeiten, häufig gar nicht lange gesund bleiben, um erst mit 70 in Rente gehen zu können. Man dürfe bei der Entscheidung, wie lange Arbeitnehmer arbeiten müssen, nicht einzig und allein auf die Lebenserwartung schauen.

Gerade bei Arbeitern sei die sogenannte beschwerdefreie Lebenserwartung viel wichtiger. Damit meint man die Zeitspanne, in der Arbeitnehmer ohne körperliche oder psychische Beschwerden ihrer Beschäftigung nachgehen können. Aktuell liege dieses Alter, nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft verdi, bei 56 Jahren. Ein theoretischer Eintritt in die Rente mit 70 sei damit weit von der Lebenswirklichkeit entfernt.

Arbeiten bis 70: So müsste es nicht sein

Arbeitnehmerfreundliche Kreise führen außerdem an, dass nicht nur von Arbeitnehmern ein höherer Einsatz erwartet werden könne. Auch Arbeitgeber müssten einen Beitrag dazu leisten, dass die Rente auch noch in einigen Jahren finanzierbar bleibt.

Gelingen könne das zum Beispiel dadurch, dass Arbeitnehmer besser verdienen. So sei es schon seit mehreren Jahrzehnten so, dass Beschäftigte durch ihre Arbeit immer mehr Güter fertigen, die Produktivität also steigt. Wurden früher während einer Schicht zehn Autos gefertigt, sind es heute vielleicht 30 Autos, die in der gleichen Zeit vom Band laufen. An dieser Umsatzsteigerung müssten auch die Beschäftigten beteiligt werden.

Mehr Entgelt am Ende des Monats führe nämlich dazu, dass jeder Arbeitnehmer mehr in die Rentenkasse einzahlt. Dann wäre es nicht mehr ganz so schlimm, dass immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Rentner finanzieren müssen. Wenn jeder Beschäftigte mehr verdiene, ließe sich das ohne eine Rente ab 70 bewerkstelligen.

Immer mehr atypische Beschäftigungsformen

Ein weiteres Problem, das zum großen Teil von den Arbeitgebern selbst herbeigeführt worden sei, sind die zunehmend atypischen Beschäftigungsverhältnisse. Heute sei es etwa nicht mehr selbstverständlich, dass Arbeitnehmer einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekämen und mehrere Jahrzehnte oder gar vom Ende der Ausbildung bis zum Ende ihres Erwerbslebens bei einem Arbeitgeber blieben.

Leiharbeit, Werkverträge oder Freelancer-Beschäftigungen nehmen dagegen immer mehr zu. Das ist problematisch, denn Leiharbeiter verdienen immer noch weniger als die Kernbelegschaft im Unternehmen, was wiederum dazu führt, dass diese Arbeitnehmer weniger in die Rentenversicherung einzahlen. Für Beschäftigte, die Werkverträge ausüben, gilt das ebenfalls. Und Freelancer oder Selbstständige zahlen häufig sogar gar nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein, sondern sorgen selbst für ihren Lebensabend vor – zumindest im Idealfall. Denn in der Realität können sich viele Selbstständige eine private Vorsorge gar nicht leisten.

Hier wäre es an den Arbeitgebern, etwas an diesen Zuständen zu ändern. Statt Leiharbeiter zu beschäftigen, könnten sie diese Arbeitnehmer fest anstellen und ihnen ein branchenübliches Gehalt zahlen. Damit würden die Beitragszahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung steigen und sich die Diskussion über die Rente mit 70 vielleicht entschärfen.

Zu dieser Gruppe von Beschäftigten, die wenig oder gar nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, kommt noch eine weitere, recht große Gruppe dazu: die Beamten. Auch sie zahlen nicht in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Im Jahr 2020 gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fast fünf Millionen Beamte in Deutschland. Eine immense Zahl von potenziellen Beitragszahlern, die sicherlich einen Einfluss darauf haben könnte, ob eine Rente mit 70 nötig wird oder nicht.

Die aktuelle Situation: Wann kann ich in Rente gehen?

Auch ohne eine Rente mit 70 müssen heutige Beschäftigte länger arbeiten als vorherige Arbeitnehmergenerationen. Mit etwas Glück müssen sie zwar nicht bis 70 arbeiten, aber im Schnitt immer noch länger als Arbeitnehmer, die jetzt in Rente gehen.

Der Grund dafür liegt darin, dass das Renteneintrittsalter immer weiter angehoben wird: bis zum Jahr 2029 auf 67 Jahre. Das bedeutet, dass alle Arbeitnehmer, die nach 1964 geboren sind, erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Das sind zwar immer noch drei Jahre bis zur Rente mit 70, aber auch zwei Jahre mehr als frühere Rentnergenerationen, die schon mit 65 Jahren in den Ruhestand konnten.

Zwei Möglichkeiten gibt es jedoch, noch vor 67 Jahren in Rente zu gehen:

  1. Rente für besonders langjährig versicherte Arbeitnehmer: Arbeitnehmer, die mindestens 45 Jahre lang in die Rente Kasse eingezahlt haben, können auch vor Erreichen der Regelaltersgrenze in Rente gehen.
  2. Rente für Menschen mit einer Schwerbehinderung: Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung oder ihnen gleichgestellte Personen haben ebenfalls einen Anspruch darauf, früher in Rente zu gehen. Vor der Rente mit 70 müssen sich diese Personen also nicht fürchten.

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