Multitasking: Mythos oder machbar?

Erfolgreiches Multitasking ist der Traum vieler Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Denn diese Arbeitsweise verspricht größtmögliche Effizienz und Produktivität, da gleich mehrere Aufgaben zur gleichen Zeit erledigt werden. In der Realität ist aber häufig leider das Gegenteil der Fall: Multitasking scheint eher dazu zu führen, dass Arbeitnehmer Überstunden machen müssen. Was ist wirklich dran am vermeintlichen Heilsbringer Multitasking und was kann man tun, um sich nicht von überzogenen Erwartungen blenden zu lassen?

Eine Frau mit 8 Armen, ein Symbolbild für Multitasking

Multitasking: Das versteht man darunter

Mit dem linken Ohr dem Kollegen zuhören, auf dem rechten Ohr mit Kunden telefonieren und gleichzeitig die E-Mail mit der Tagesordnung für die nächste anstehende Besprechung tippen. So oder so ähnlich kann Multitasking in der Theorie aussehen. Man meint damit, dass mehrere Aufgaben gleichzeitig oder in enger zeitlicher Abfolge erledigt werden. Die Aufgaben können, müssen dabei aber nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben.

Multitasking im idealen Sinne scheint also genau das zu sein, was sich die meisten Chefs wünschen. Die Idee: Mitarbeiter, die mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen, sparen dem Unternehmen Geld. Sie schaffen schließlich doppelt oder gar drei Mal so viel wie Kollegen, die nicht multitasken. Wie schon erwähnt trügt der Schein jedoch. Denn Arbeitnehmer, die sich in Multitasking versuchen, scheitern häufig daran. Diese Einschätzung legen zahlreiche Studien nahe. Dort wurde sogar ein gegenteiliger Effekt beobachtet: Statt mehr zu leisten, haben die Mitarbeiter, die Multitasking versuchen, am Ende des Arbeitstages häufig weniger geschafft als ihre Kollegen.

Der Grund dafür liegt in der Regel im Multitasking selbst. Das Prinzip lenkt Arbeitnehmer von ihrer Arbeit ab, ist schlecht für die Konzentration und daher häufig eine Erklärung dafür, dass Mitarbeiter bei ihrer Arbeit mehr Fehler machen. Im Endeffekt brauchen Beschäftigte, die sich am Multitasking versuchen, also nicht nur länger für ihre Aufgaben, sondern produzieren auch schlechtere Ergebnisse.

Das Resultat ist also schlecht für beide Seiten, für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und trotzdem halten viele Arbeitgeber eisern am Bild des Mitarbeiters fest, der unbedingt Multitasking beherrschen muss. Sollte auch Ihr Arbeitgeber zu dieser Sorte gehören, liefern wir Ihnen nun ein paar Argumente, um den Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass Multitasking keinesfalls so effizient ist, wie oft gedacht.

Warum Multitasking nicht funktioniert – auch nicht bei Frauen

Verfechter der Idee des Multitasking sehen in diesem Prinzip nicht weniger als die nächste logische Stufe der Evolution. Schließlich absolvierte der Mensch schon immer mehrere Aufgaben gleichzeitig. Wir gehen, wir unterhalten uns gleichzeitig am Telefon oder wir schauen fern, während wir nebenbei die Wäsche bügeln. Ohne Zweifel funktioniert all‘ das. Das liegt aber daran, dass bei dieser Art des Multitasking mindestens eine der Aufgaben keine große Anstrengung erfordert. Wir müssen uns nicht gesondert darauf konzentrieren, dass wir gehen oder bügeln. Diese Tätigkeiten laufen fast automatisch ab.

Im Arbeitsalltag ist das anders. Zwar gibt es hier Routineaufgaben – doch auch die sollten nicht kopflos und ohne Aufmerksamkeit erledigt werden. Vielmehr sollten wir bei allen Arbeitsaufgaben mit Konzentration bei der Sache sein. In Bezug auf das Multitasking muss man also zwischen automatisierten Verhaltensweisen, wie zum Beispiel gehen und atmen, und Routinetätigkeiten, wie der morgendlichen Rundmail an das Team, unterscheiden. Letztere lassen sich nicht wirklich im Multitasking erledigen. Vielmehr ist es so, dass wir auch bei mehreren routinierten Aufgaben nacheinander unsere Aufmerksamkeit brauchen. Wir widmen uns daher lieber zunächst der einen Aufgabe, bevor wir mit der nächsten starten.

Das ist aber nicht klassisches Multitasking in dem Sinne, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig bearbeiten, sondern grenzt eher an Selbstbetrug. Wir glauben vielleicht, dass wir die Aufgaben gleichzeitig erledigen würden. Faktisch ist das aber nicht der Fall. Wir unterbrechen eher die eine Aufgabe, um die nächste zu bearbeiten. Und auch diese unterbrechen wir wieder, um zur ersten Aufgabe zurückzukehren oder sogar eine weitere zu beginnen.

Das ist nicht effektiv, sondern führt vielmehr dazu, dass wir uns unnötig viel Stress machen und unter Druck setzen. Das sind keine guten Voraussetzungen dafür, dass wir unserer Arbeit langfristig mit Freude und Konzentration nachgehen können. Eher besteht die Gefahr, dass wir nach einiger Zeit durch die hohe Arbeitsbelastung ausbrennen könnten und im schlimmsten Fall ein Burnout erleiden.

Übrigens deuten einige Studien darauf hin, dass auch Frauen nicht besser mit den Belastungen, die diese Form des Multitasking mit sich bringt, umgehen können. Das steht im Widerspruch zur landläufigen Meinung, Frauen könnten von Natur aus ohne Probleme und ohne große Belastung mehrere Dinge gleichzeitig erledigen.

Weitere negative Folgen des Multitasking

Das Problem mit dem Multitasking liegt also darin, dass wir zwischen verschiedenen Aufgaben hin und her switchen und dabei unsere Aufmerksamkeit jedes Mal von Neuem ausrichten müssen. Dieses Phänomen kennt man auch unter dem Namen Switch-Tasking statt Multitasking. Die Auswirkungen bleiben die gleichen: Statt ein vermeintliches Wundermittel für mehr Effizienz und Produktivität darzustellen, bewirkt Switch- oder Multitasking in der Praxis das Gegenteil.

Dave Crenshaw hat sich mit diesem Phänomen eingehender beschäftigt und seine Ergebnisse im Buch „The Myth of Multitasking“ (Der Mythos des Multitasking) festgehalten. Er kommt darin unter anderem zu dem Ergebnis, dass das ständige hin und her wechseln zwischen verschiedenen Aufgaben uns bis zu 40 Prozent unserer Produktivität kostet. Umgerechnet auf die monatliche Arbeitszeit sind das stolze 40 Stunden, die wir indirekt verlieren. Mit anderen Worten: Ohne Multitasking hätten die meisten von uns vermutlich mehr Freizeit, da Überstunden zu einem großen Teil wegfallen könnten.

Mehr Produktivität ohne Multitasking

Was also tun, um ohne Multitasking zügig verschiedene Aufgaben zu erledigen? Vielleicht helfen Ihnen diese Tipps weiter:

  1. Arbeitsweise ändern: Der wohl offensichtliche Schritt scheint zu sein, weniger oder gar kein Multitasking mehr zuzulassen. Das kann natürlich schwierig sein, wenn Ihr Chef ein überzeugter Verfechter des Multitasking ist. Unter Umständen kann dann ein offenes Wort helfen. Sprechen Sie Ihren Chef allerdings nicht unvorbereitet an. Testen Sie stattdessen vorab und über einige Arbeitstage verteilt aus, wie viel Sie jeweils mit und ohne Multitasking während ihrer Arbeitszeit erledigen können. Die Ergebnisse dokumentieren Sie entsprechend. So ausgestattet gehen Sie dann in das Gespräch mit Ihrem Arbeitgeber und präsentieren ihm diese Erkenntnisse. Machen Sie dem Arbeitgeber möglichst mit Fakten deutlich, dass Sie weitaus mehr aus Ihrer Arbeitszeit herausholen, wenn Sie auf Multitasking verzichten.
  2. Prioritäten setzen: Um sich selbst besser vom Multitasking lösen zu können, sollten Sie verstärkt klare einzelne Prioritäten setzen. Diese Arbeitsweise haben Sie vielleicht in den letzten Monaten und Jahren vernachlässigt. Denn das Prinzip des Multitasking legt nahe, dass Sie eben keine Prioritäten setzen, sondern stattdessen möglichst viele Dinge gleichzeitig erledigen sollten. Um sich wieder besser auf Einzelaufgaben fokussieren zu können, sollten Sie jedoch wirklich nur einen Auftrag angehen und diesen abschließen, bevor Sie sich dem nächsten Punkt auf Ihrer To-Do-Liste widmen.
  3. Arbeitsaufträge festhalten: Die To-Do-Liste ist übrigens ein gutes Stichwort. Eine klare und übersichtliche Gliederung der anstehenden Aufgaben kann Ihnen ebenfalls helfen. Auf diese Weise können Sie die Aufgaben, die noch vor Ihnen liegen, von oben nach unten abarbeiten. Starten Sie erst dann mit dem nächsten Punkt auf der Liste, wenn der vorherige komplett abgeschlossen ist. Das hilft Ihnen ebenfalls dabei, sich zu fokussieren, Multitasking zu reduzieren und langfristig konzentrierter zu arbeiten.

Bildnachweis: Vikafoto33 / Shutterstock.com

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