Geduld: Wie kann man sie lernen?

Geduld gilt zu Recht als Tugend. Wer geduldig ist, erreicht eher seine Ziele und lässt sich von Rückschlägen weniger leicht aus der Bahn werfen. Das ist im Privatleben ebenso nützlich wie im Job. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Vorteile Sie davon haben, geduldig zu sein – und was Ihnen dabei helfen kann, mehr Geduld zu haben.

Eine Frau übt Geduld und macht eine Meditationsgeste

Geduld: Definition

Als „Ausdauer im ruhigen, beherrschten, nachsichtigen Ertragen oder Abwarten von etwas“ beschreibt der Duden die Geduld. Wer geduldig ist, kann auf etwas warten, ohne auf die Verzögerung mit starken negativen Gefühlen zu reagieren. Er bleibt auch eher am Ball, wenn sich nicht sofort das erhoffte Ergebnis einstellt.

Gleichbedeutend mit Geduld ist auch von Ausdauer, Beständigkeit, Beharrlichkeit und Durchhaltevermögen die Rede. Weitere Synonyme sind Impulskontrolle, Frustrationstoleranz und Selbstkontrolle. In der Psychologie kennt man Geduld auch als Gratifikationsverzicht. Damit ist gemeint, dass man eine Belohnung aufschiebt, um ein Ziel zu erreichen, welches eine größere Bedeutung hat.

Geduld zeigt sich in Situationen, in denen es nicht so schnell vorangeht oder nicht so läuft wie erhofft. Oft sind die Umstände welche, die man nicht ohne Weiteres verändern kann. Wie man damit umgeht, zeigt, wie geduldig oder ungeduldig man ist.

Wann Geduld gefragt ist

Geduld ist gefragt, wenn man auf etwas hinarbeitet, was eine gewisse Zeit dauert. Man ist mit einer Situation konfrontiert, in der man etwas hinnehmen muss, was man – zumindest für den Moment – nicht verändern kann.

So braucht man etwa Geduld, um eine neue Fähigkeit zu erlernen – zum Beispiel Klavierspielen oder Fahrradfahren. Die eigene Geduld wird auch auf eine Probe gestellt, wenn die zweijährige Tochter mal wieder Essen durch die Gegend wirft, obwohl man gerade sauber gemacht hat. Geduldig muss mitunter auch sein, wer auf den Aufstieg im Unternehmen hofft und darauf wartet, dass eine passende Position frei wird.

Manchmal braucht es nur kurzzeitig Geduld, bis sich die Situation aufgelöst hat. Das ist etwa der Fall, wenn Sie im Stau stehen oder in einer Schlange darauf warten, dranzukommen. In anderen Fällen müssen Sie über längere Zeit einen langen Atem haben, um bestimmte Ziele zu erreichen. Das kann erfordern, dass Sie über mehrere Wochen, Monate oder auch Jahre beharrlich am Ball bleiben.

Warum Geduld Sie im Leben weiterbringt

Geduld ist in vielen Lebenslagen gefragt. Man braucht Geduld, wenn etwas nicht auf Anhieb so klappt oder läuft, wie man es sich wünscht. Auch, wer auf Ziele hinarbeitet, die nicht im Handumdrehen erreichbar sind, muss geduldig sein. In so einer Situation ist Beharrlichkeit gefragt, um das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, obwohl die Belohnung vorerst ausbleibt.

Wer geduldig ist, kann bestimmte, womöglich frustrierende Situationen besser ertragen. Er ist emotional davon weniger stark belastet als jemand, dessen Frustrationstoleranz gering ist.

Ohne Geduld sind viele Dinge gar nicht möglich. Wenn Sie etwa Ihr Studium nach kurzer Zeit schmeißen, weil Sie bis zum Abschluss noch so viel tun müssen, wirkt sich das womöglich negativ auf Ihre Zukunftsperspektive aus. Auch berufliche Ziele erfordern häufig Ausdauer und Beharrlichkeit, etwa, wenn Sie auf den richtigen Zeitpunkt warten, um nach einer Gehaltserhöhung zu fragen, ob auf eine Beförderung schielen, aber sich zunächst beweisen müssen. Auch im privaten Bereich erreichen Sie vieles nur mit Geduld. Wer etwa eine neue Sportart oder Instrument erlernen möchte, wird nicht von heute auf morgen zum Profi.

Mit Geduld gelingt es Ihnen auch besser, Stress zu ertragen. Geduldige Menschen lassen sich davon weniger herunterziehen und schaffen es eher, unter Druck gelassen zu bleiben. Wie Sie auf Stress reagieren, wirkt sich auf Ihr Wohlbefinden und Ihre emotionale Stabilität aus.

Nachsicht mit anderen kann Beziehungen verbessern

Wer geduldig ist, kann außerdem oft besser mit Rückschlägen umgehen. Geduldige Menschen lassen sich von widrigen Umständen weniger leicht aus der Bahn werfen. Läuft es mal weniger gut, wissen sie, dass es auch wieder besser wird und dass es sich lohnt, durchzuhalten. Auch im Umgang mit anderen Menschen ist Geduld nützlich. Geduldige Menschen nehmen andere oft eher, wie sie sind, und ertragen die Macken anderer mit mehr Gelassenheit. Das kann zu einem besseren Miteinander führen und Konflikten vorbeugen.

Dass Geduld einen im Leben weiterbringt, zeigt auch eine berühmte Studie, die Ende der 1960er Jahre begonnen wurde. Beim sogenannten Marshmallow-Test gaben die Forscher vierjährigen Kindern ein Marshmallow. Die Kinder durften es sofort essen, aber wenn sie auf die Rückkehr des Studienleiters warteten, ohne das Marshmallow anzurühren, bekamen sie ein zweites Marshmallow dazu. Manchen Kindern fiel es deutlich schwerer als anderen, die Finger von der Süßigkeit zu lassen. So warteten manche geduldig ab, während andere das Marshmallow sofort verspeisten.

Als Teenager wurden die Probanden einige Zeit später erneut befragt. Dabei zeigte sich: Wer als Kind geduldiger war, war später eher erfolgreich – auf sozialer, emotionaler und akademischer Ebene.

Checkliste: Wie geduldig bin ich?

Manchen Menschen fällt es leicht, gelassen zu bleiben. Sie scheinen in sich zu ruhen und bleiben auch dann ruhig, wenn es mal hektisch wird. Andere fahren leichter aus der Haut, sie ertragen Frust schlechter und neigen zu Ungeduld. Welcher Typ sind Sie? In unserem Test finden Sie es heraus. Und so geht es: Lesen Sie sich die folgenden Aussagen durch und überlegen Sie, inwieweit sie auf Sie zutreffen. Je mehr Aussagen Sie mit einem klaren Ja beantworten können, desto ausgeprägter ist Ihre Ungeduld.

  • Wenn ich im Stau stehe, wechsle ich häufig die Fahrspur, um schneller voranzukommen
  • Ich ärgere mich, wenn ich mal wieder an der Kasse stehe, wo es am langsamsten vorangeht
  • Es fällt mir schwer, auf eine positive Entwicklung zu warten
  • Wenn ich etwas haben möchte, möchte ich es am liebsten sofort haben
  • Wenn ich bei einem Vorhaben nicht schnell erste Ergebnisse sehe, verliere ich rasch das Interesse
  • Wenn ich mir etwas vornehme und auf ein Hindernis stoße, gebe ich schnell auf
  • Wenn jemand zu einer Verabredung zu spät kommt, macht mich das sauer
  • Wenn ich im Restaurant längere Zeit auf mein Essen werden muss, werde ich ungehalten
  • Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, warte ich oft ungeduldig, bis ich etwas erzählen kann
  • Gedanklich bin ich oft schon drei Schritte weiter
  • Stillsitzen und Nichtstun fällt mir schwer
  • Ich habe Schwierigkeiten, mich länger auf eine Sache zu konzentrieren
  • Ich komme nicht gut damit klar, wenn ich keine Kontrolle über den Ausgang eines Vorhabens oder einer Situation habe

Wie kann man Geduld üben? Tipps für mehr Gelassenheit

Ob ein Mensch geduldig ist oder zu Ungeduld neigt, ist ein Stück weit eine Frage der Gene. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Geduld beziehungsweise Ungeduld zumindest teilweise eine angeborene Eigenschaft ist. Auch die Erfahrungen, die ein Mensch in seiner Kindheit macht, haben großen Einfluss darauf, ob er gut darin ist, abzuwarten und Frust zu ertragen.

Falls Sie nicht zu den Typen gehören, denen Geduld in die Wiege gelegt wurde, sollten Sie nicht verzagen. Die gute Nachricht lautet nämlich: Geduld lässt sich trainieren. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen, geduldiger zu werden.

Akzeptieren Sie die Situation

Ein wichtiger Schritt hin zu mehr Geduld besteht darin, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind. Das heißt nicht, dass sich nicht manche Sachen auch verändern lassen oder dass es nicht besser wäre, sie zu verändern. Manches können Sie aber nicht ändern, egal, wie gerne Sie das würden. Wenn Sie solche Dinge akzeptieren, werden Sie sich wahrscheinlich weniger darüber aufregen oder frustriert sein. Überlegen Sie im nächsten Schritt, wie sich die Situation möglicherweise trotzdem verbessern lässt. Wenn Sie das Beste aus den jeweiligen Umständen machen, ist ein gutes Ergebnis wahrscheinlicher.

Fokussieren Sie sich nicht zu stark auf die Situation

Besonders Situationen, auf die Sie nur begrenzt Einfluss haben, können Frust auslösen. In solchen Fällen ist es hilfreich, wenn Sie sich ablenken und sich anderen Dingen widmen. Angenommen, Sie warten auf einen wichtigen Anruf oder eine Nachricht. Wenn Sie ständig auf Ihr Handy starren, wird Ihnen die Wartezeit womöglich unerträglich lang vorkommen. Nutzen Sie die Zeit hingegen anders, sind Sie weniger auf die Situation fokussiert und es fällt Ihnen wahrscheinlich leichter, sich zu gedulden.

Eigene Erwartungen überprüfen

Ungeduld kann das Resultat von falschen Vorstellungen und unrealistischen Erwartungen sein. Überprüfen Sie deshalb, ob das, was Sie sich vorstellen oder vielleicht sogar für gegeben hinnehmen, tatsächlich so wahrscheinlich ist. Dass alles, was Sie sich vornehmen, jetzt sofort klappt, ist nicht realistisch. Machen Sie sich klar, dass es bei manchen Dingen eine Weile dauern kann, bis Sie positive Ergebnisse sehen. Das ist kein Indiz für ein Scheitern oder einen negativen Ausgang, sondern gehört manchmal eben einfach dazu.

Erinnern Sie sich an Ihre Ziele

Wenn Sie sich Ihre Ziele vor Augen halten, ist es leichter, Geduld zu haben. Wofür lohnt es sich, dranzubleiben und weiterzumachen, auch wenn es mal eine Durststrecke gibt? Je klarer Ihnen ist, warum Sie tun, was Sie tun, desto weniger werden Sie Rückschläge aus der Bahn werfen.

Nehmen Sie Fortschritte wahr

Viele Menschen übersehen positive Entwicklungen. Wer ungeduldig ist, weil ein Ziel noch nicht erreicht ist, sieht die Situation häufig schwarz-weiß. Das Motto lautet dann: alles oder nichts. Das kann frustrierend sein, denn ohne Ergebnis steht man offiziell mit nichts da. Vergessen Sie nicht, dass es trotzdem immer vorangeht. Wenn Sie zum Beispiel an einer neuen Fähigkeit arbeiten, kann es sich lange Zeit so anfühlen, als würden Sie einfach nicht besser werden. Irgendwann platzt dann aber der Knoten – das wäre aber ohne entsprechende Vorarbeit nicht möglich gewesen.

Arbeiten Sie an Ihrem Zeitmanagement

Ungeduld entsteht eher, wenn man im Stress ist. Dagegen kann ein gutes Zeitmanagement helfen. Nehmen Sie sich nicht zu viel vor und packen Sie Ihren Terminplan nicht zu voll. Wenn Sie fast keine Puffer einplanen, ist es nicht verwunderlich, wenn schon kleinere Verzögerungen Sie aus der Ruhe bringen. Wenn Sie sich oft gestresst fühlen, überlegen Sie, wo Sie Abstriche machen können. Es kann auch notwendig sein, öfter mal Nein zu sagen.

Gelassenheit üben mit Meditation

Regelmäßig zu meditieren kann Ihnen dabei helfen, gelassener zu sein. Erwarten Sie aber keine Wunder: Es erfordert viel Übung, um den Effekt von Meditation auch im Alltag zu spüren. Am besten meditieren Sie dazu jeden Tag, etwa zehn Minuten nach dem Aufstehen. Mit den Techniken der Meditation können Sie lernen, anders mit Situationen umzugehen, in denen Sie schnell ungeduldig werden. Wenn Sie sich akut gestresst fühlen – etwa, weil Sie sich über die langsamen Autofahrer vor Ihnen ärgern –, können Sie Druck wegnehmen, indem Sie einige Male tief ein- und ausatmen. Das beruhigt den Körper.

Trainieren Sie Ihre Willenskraft

Um in bestimmten Situationen nicht vorschnell das Handtuch zu werfen, brauchen Sie Willenskraft. Auch das können Sie üben. Geeignet sind diverse Übungen, bei denen es darum geht, etwas durchzuziehen. Sie können etwa Joggen gehen, auch wenn Sie gerade lieber auf dem Sofa bleiben würden, endlich etwas anpacken, was Sie schon lange machen wollten, oder daran arbeiten, negative Angewohnheiten abzulegen. Bleiben Sie diszipliniert – und freuen Sie sich anschließend über das, was Sie dank Ihrer Willenskraft geschafft haben.

Widmen Sie sich Dingen, die Geduld erfordern

Es kann sich lohnen, sich bewusst Dingen zu widmen, die Geduld erfordern. Geeignet ist alles, auf das Sie sich voll konzentrieren müssen und was nicht sofort Ergebnisse zutage befördert. Sie können etwa Gärtnern, Puzzeln, Stricken oder etwas malen. Auch Sportarten, bei denen Sie viel üben müssen, um besser zu werden, eignen sich. Ein positiver Nebeneffekt von solchen Beschäftigungen ist, dass man sich meist voll darauf konzentriert und so ganz automatisch entspannter wird.

Wann Geduld kontraproduktiv sein kann

Geduld ist prinzipiell eine positive Eigenschaft, denn es wird immer Situationen geben, in denen es nicht sofort so klappt wie es wünschenswert wäre. Mit Geduld kommt man entspannter durchs Leben, lässt sich weniger stressen und entwickelt seltener negative Emotionen wie Frust oder Anspannung. Allerdings kann es auch negative Folgen haben, wenn jemand sehr geduldig ist. Ein Zuviel an Geduld kann ebenso nachteilig sein wie Geduld in den falschen Situationen.

Geduld wird dann zu einem Nachteil, wenn man dadurch einen suboptimalen Zustand für längere Zeit hinnimmt. Manche Umstände verändern sich nur, wenn man selbst auf eine Veränderung hinwirkt. Wer auf Dauer Situationen erträgt, die ihn unglücklich machen, kann keine positiven Veränderungen bewirken. Geduld sollte nicht bedeuten, auf eine Verbesserung zu warten, die unwahrscheinlich ist.

Auch in Bezug auf die Beziehung zu anderen Menschen ist Geduld nicht immer nur positiv. Sie sollten sich etwa nicht respektlos behandeln lassen oder akzeptieren, dass man Sie immer wieder hinhält. Die Gefahr ist sonst groß, dass Sie sich von anderen Menschen ausnutzen oder anderweitig schlecht behandeln lassen.

Bildnachweis: WAYHOME studio / Shutterstock.com

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