Arbeitnehmermarkt: Definition, Folgen und Handlungsbedarf

In den vergangenen Jahren hat sich der Arbeitsmarkt von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt. Was heißt das und wie wirkt es sich aus? Und wie können Unternehmen darauf reagieren, um bei der Suche nach den besten Fachkräften keine Nachteile zu haben? Hier erfahren Sie, wie Sie sich auf die Besonderheiten des Arbeitnehmermarktes einstellen können.

Eine Frau trifft einen Personaler, was ist der Arbeitnehmermarkt?

Arbeitgebermarkt und Arbeitnehmermarkt: Definition der Begriffe

Was ist das überhaupt, ein Arbeitnehmermarkt? Ein Arbeitnehmermarkt oder Bewerbermarkt herrscht dann am Arbeitsmarkt, wenn es zu wenige qualifizierte Bewerber für offene Stellen gibt. Dadurch haben Unternehmen (potenziell) Schwierigkeiten, passende Kandidaten zu finden, wenn es freie Jobs zu besetzen gibt. Wenn sich ein Arbeitnehmermarkt entwickelt hat, muss das nicht für alle Bereiche des Arbeitsmarkts oder das ganze Land gelten. Es kann auch nur bestimmte Branchen und Bereiche betreffen und es kann regionale Unterschiede geben.

Das Gegenteil eines Arbeitnehmermarkts ist ein Arbeitgebermarkt. Herrscht ein Arbeitgebermarkt, gibt es für freie Stellen viele Bewerber. Arbeitgeber haben im besten Fall die Qual der Wahl, wenn Stellen zu besetzen sind, weil viele hochqualifizierte Bewerber bei ihnen arbeiten wollen. Unter den Jobsuchenden hingegen herrscht Konkurrenz: Selbst mit einem überzeugenden Lebenslauf kann man sich nicht sicher sein, dass man eine Jobzusage erhält. Arbeitnehmer sind bei dieser Variante in der wesentlich schwächeren Position als wenn sich ein Arbeitnehmermarkt entwickelt hat.

Vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt

In Deutschland vollzieht sich schon seit einiger Zeit ein Wandel vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt. Das gilt nicht grundsätzlich, betrifft aber bestimmte Branchen, Bereiche und Regionen. Laut einer aktuellen Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (Kofa) des Instituts der deutschen Wirtschaft hat der Fachkräftemangel in Deutschland im Jahr 2022 ein neues Rekordhoch erreicht. Rechnerisch konnten demnach mehr als 630.000 offene Stellen nicht besetzt werden, weil es nicht genügend qualifizierte Bewerber dafür gab.

Besonders betroffen vom Fachkräftemangel ist der Bereich Gesundheit und Soziales. Hier haben viele Arbeitgeber große Schwierigkeiten, Personal zu finden. Ebenso mangelt es in der Lehre und Erziehung an Fachkräften, genau wie im Bau, in der Vermessung und Gebäudetechnik. Rechnerisch blieben in solchen Bereichen sechs von zehn offenen Stellen unbesetzt. Groß ist der Druck auch in den Bereichen Informatik, Geografie und Naturwissenschaft. Ebenfalls vom Fachkräftemangel betroffen sind Sparten wie kaufmännische Dienstleistungen, Handel, Vertrieb, Hotel und Tourismus.

Bis zum Jahr 2040 fehlen Millionen Fachkräfte

Eine Trendwende ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht, im Gegenteil: Bis zum Jahr 2040 wird es hierzulande voraussichtlich 8,7 Millionen Fachkräfte weniger geben. Das heißt, dass sich 8,7 Millionen Fachkräfte mehr in den Ruhestand verabschieden als in den Arbeitsmarkt eintreten. Mit anderen Worten: Es gibt ein Nachwuchsproblem, jedenfalls in bestimmten Ruhestand: So klappt der Übergang in die RenteBerufen und Branchen. Dadurch könnte der Bewerbermarkt noch befördert werden. 

Gibt es zu wenige qualifizierte Arbeitnehmer am Markt, stehen viele Unternehmen vor einem Problem. Sie geraten dadurch unter Druck, die nötigen Fachkräfte trotz der angespannten Lage am Arbeitsmarkt zu finden. Herrscht ein Bewerbermarkt, müssen Arbeitgeber Bewerbern wesentlich stärker als bei einem Arbeitgebermarkt entgegenkommen, um sie dazu zu bewegen, sich für die Firma zu entscheiden.

Der Arbeitnehmermarkt sorgt bei vielen Unternehmen für Anpassungsdruck

Ob ein Arbeitnehmermarkt oder ein Arbeitgebermarkt herrscht, hat große Auswirkungen, und zwar sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber. Bei einem Arbeitgebermarkt sind Arbeitgeber die Gewinner und Arbeitnehmer die Verlierer: Arbeitgeber können sich aussuchen, wen sie einstellen, und die Bedingungen bei neuen Beschäftigungsverhältnissen weitgehend diktieren. Wenn Bewerber dringend einen Job suchen, werden sie eher ein niedrigeres Gehalt oder schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen. Bei einem Arbeitnehmermarkt ist es umgekehrt: hier sind Arbeitnehmer beziehungsweise Bewerber die Gewinner. Das gilt zumindest für Fachkräfte mit gefragten Kompetenzen und Erfahrungen. Gering qualifizierte Bewerber profitieren hingegen von einem Bewerbermarkt in der Regel kaum, weil sie nicht das Profil haben, das Firmen suchen.

Auf einem Arbeitnehmermarkt ist es für Arbeitgeber schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden. Das sorgt für einen Anpassungsdruck bei der Recruiting-Strategie – es ist schließlich nicht unmöglich, fähige Beschäftigte zu finden. Entscheidend ist, als Arbeitgeber ausreichend attraktiv zu sein, um die vorhandenen Fachkräfte anzulocken. Damit das gelingt, ist in vielen Fällen ein Umdenken erforderlich. Für Unternehmen kommt erschwerend hinzu, dass die Arbeitswelt sich wandelt. Dazu gehören strukturelle Veränderungen ebenso wie die Transformation von Jobs und veränderte Ansprüche von Arbeitnehmern. Auch das sorgt für Anpassungsbedarf.

Ob es Firmen gelingt, Fachkräfte anzulocken und im Unternehmen zu halten, ist besonders auf einem Bewerbermarkt von essenzieller Bedeutung. Wie die Situation im Einzelfall ist, hat enorme Auswirkungen auf den Erfolg und die Entwicklung eines Unternehmens. Hierbei geht es um Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsvermögen und Produktivität. Mangelt es an Fachkräften, werden Unternehmen in ihrer Entwicklung gehemmt. Sie bleiben etwa hinter ihrem Potenzial zurück, wodurch sie gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten können. Es kann auch sein, dass Aufträge abgelehnt werden müssen, weil schlicht das Personal fehlt, um sie auszuführen. 

Gute Fachkräfte auf dem Bewerbermarkt finden: Tipps & Strategien für Arbeitgeber

Der Fachkräftemangelt, der in einigen Branchen und Berufen herrscht, stellt Arbeitgeber vor ein Problem. In betroffenen Bereichen ist es schwer, neue Mitarbeiter zu finden, die die nötigen Qualifikationen mitbringen. Ebenso mangelt es häufig am Nachwuchs; Ausbildungsplätze bleiben oft unbesetzt. Es gibt zwar Bewerber, aber wenn es mehr Stellen als Bewerber gibt, gehen zwangsläufig einige Arbeitgeber leer aus.

Dennoch sind Arbeitgeber keine ohnmächtigen Opfer des Fachkräftemangels. Nicht nur, dass sie in der Hand haben, wie attraktiv ihre Firma als Arbeitgeber ist. Der Fachkräftemangel ist auch in vielen Fällen hausgemacht, denn entsprechende Berufe sind durch ihre Rahmenbedingungen nicht attraktiv für Arbeitnehmer. Mit ihnen geht zum Beispiel eine geringe Bezahlung einher, die Tätigkeiten sind körperlich und/oder psychisch belastend oder die Arbeitszeiten sind unattraktiv für Beschäftigte. Auf viele Faktoren, die den Fachkräftemangel mitverursachen, haben Arbeitgeber Einfluss.

Unabhängig davon, ob im jeweiligen Bereich überhaupt ein Fachkräftemangel herrscht oder ob es einfach an einem Arbeitnehmermarkt schwierig geworden ist, geeignete Mitarbeiter zu finden, ist es wichtig, dass Arbeitgeber aktiv werden. Ein Ende des Trends hin zum Bewerbermarkt ist in vielen Berufen und Branchen nicht in Sicht. Je früher und besser sich Firmen darauf einstellen, desto weniger gravierend werden die Auswirkungen des Trends für sie sein.

Employer Branding: Wie attraktiv ist der Arbeitgeber für Bewerber?

Nehmen wir das Beispiel Pflege: In kaum einem anderen Bereich mangelt es so stark an qualifiziertem Personal. Trotzdem hat nicht jeder Arbeitgeber Probleme, neue Mitarbeiter zu finden. Die Arbeitgeber, die ihren Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen und ein faires Gehalt bieten, haben womöglich keine allzu großen Probleme, wenn Stellen zu besetzen sind. Diejenigen Arbeitgeber aber, bei denen das Gehalt niedrig ist und wo die Rahmenbedingungen aus Arbeitnehmersicht nicht stimmen, haben das Nachsehen.

Es kommt also für Arbeitgeber darauf an, zu wissen, wie Arbeitnehmer ticken und welche Bedürfnisse sie haben. Auf einem Arbeitnehmermarkt ist es essenziell, Bewerbern im nötigen Ausmaß entgegenzukommen, damit sie sich für das eigene Unternehmen und nicht für einen Wettbewerber entscheiden. Das setzt gute Arbeitsbedingungen, ein faires Gehalt und ein angenehmes Betriebsklima voraus. Hierbei spielt das Employer Branding eines Arbeitgebers eine entscheidende Rolle: Wie ist sein Ruf bei Bewerbern? Ist der Ruf eines Arbeitgebers gut, werden sich hier mehr Fachkräfte bewerben als bei einem Unternehmen, das einen schlechten Ruf als Arbeitgeber hat.

Entscheidend ist, dass Arbeitgeber Strategien zur Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit entwickeln. Zufriedene Mitarbeiter stärken den Ruf einer Firma als Arbeitgeber. Welche Ansätze sich hierfür eignen, hängt von den Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeiter ab. Anonyme Mitarbeiterbefragungen helfen Firmen dabei, herauszufinden, was ihre Beschäftigten wollen. Auch Bewertungen und Erfahrungsberichte ehemaliger Mitarbeiter, die gerade für größere Unternehmen vielfach im Internet verfügbar sind, sind hilfreich. Viele Arbeitgeber ärgern sich über schlechte Bewertungen, dabei sind sie sehr nützlich: Sie zeigen den Verantwortlichen, wo es hakt und an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht.

Moderne Strukturen können Fachkräfte anlocken

Am Bewerbermarkt können am ehesten die Unternehmen bestehen, die ihren Mitarbeitern moderne Strukturen und Angebote bieten. Dazu gehören auch, soweit möglich, das Arbeiten im Homeoffice und flexible Arbeitszeiten. Je stärker Arbeitgeber auf die Erwartungen von Arbeitnehmern eingehen, desto zufriedener werden die eigenen Mitarbeiter sein und desto eher wird das Unternehmen viele Bewerbungen von Fachkräften erhalten.

Dass an vielen Stellen im Arbeitsmarkt Fachkräfte fehlen, hängt auch mit der Erwerbstätigkeit von Frauen zusammen. Noch immer arbeitet jede zweite Frau in Deutschland nur in Teilzeit. Frauen machen außerdem seltener Karriere als Männer, wodurch sie seltener in höheren Positionen zu finden sind. An dieser Stelle sind Arbeitgeber gefragt, weiblichen Beschäftigten Karrierechancen einzuräumen und sie nicht nach einer Babypause oder wegen einer Teilzeit-Tätigkeit zu benachteiligen.

Auch die eigene Recruiting-Strategie sollten Firmen überdenken, wenn es darum geht, die Herausforderungen eines Arbeitnehmermarkts zu bewältigen. So können zum Beispiel neben klassischen Stellenanzeigen auch Mitarbeiterempfehlungsprogramme genutzt werden, um neue Mitarbeiter zu finden. Bestehende Beschäftigte werben dann neue Mitarbeiter an, indem sie Freunde und Bekannte als Mitarbeiter vorschlagen oder Jobangebote in sozialen Netzwerken teilen.

Bildnachweis: fizkes / Shutterstock.com

Nach oben scrollen