Mental Load: Warum er so belastend ist & wie man ihn bekämpft

Nach außen hin mag es wirken, als habe man alles im Griff. Besonders viele Frauen, die den Spagat zwischen Job, Kindern, Haushalt und Alltagsorganisation bewältigen müssen, fühlen sich aber innerlich aufgerieben und erschöpft. Das Perfide: Die hohe mentale Belastung ist nach außen oft unsichtbar. Sie kann aber ernsthafte Folgen haben, weshalb ein Mental Load nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Hier erfahren Sie, was Sie tun können, um die Dauerbelastung zu reduzieren.

Eine Frau hält sich die Hände an die Schläfe, was ist Mental Load?

Mental Load: Was ist damit gemeint?

Es war die französische feministische Zeichnerin Emma, die den Begriff Mental Load mit einem gleichnamigen Comic vor einigen Jahren populär gemacht hat. In dem Comic, der im Original unter dem Titel „Un autre regard“ („ein anderer Blick“) erschien, thematisierte die Künstlerin die Arbeitsteilung, wie sie für viele heterosexuelle Beziehungen typisch ist, und die hohe mentale Belastung, die daraus für viele Frauen resultiert.

Mental Load bedeutet übersetzt so viel wie mentale Belastung, aber den Begriff auf diese Übersetzung zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen. Er ist vielmehr auf eine spezifische Situation bezogen: den Stress des Alltags, wie ihn vor allem viele berufstätige Frauen mit kleinen Kindern nur zu gut kennen. Dabei geht es nicht nur um das sprichwörtliche „Bisschen“ Haushalt oder die Arbeit, die in die Betreuung und Erziehung der Kinder fließt. Gemeint ist vielmehr das, was dazu erforderlich ist: immer alles auf dem Schirm haben zu müssen.

Ein Mental Load ist oft unsichtbar

In vielen Beziehungen ist es die Frau, die die Organisatorin der Familie ist. Sie ist es, die Dinge im Kopf hat – wann der nächste Kindergeburtstag ansteht, ob das Kind neue Schuhe braucht oder wann die Schwiegereltern zu Besuch kommen wollten. Viele Männer sind zwar bereit, ihren Teil zu übernehmen, warten aber gerne auf Anweisungen. Bis dahin haben viele Männer den Kopf frei – die Frau denkt schließlich mit.

Nach außen ist ein Mental Load oft nicht sichtbar. Im Gegenteil: Auf Außenstehende, mitunter selbst auf den Partner, mag es wirken, als laufe alles wie am Schnürchen. Das Haus ist vielleicht aufgeräumt, die Kinder sind zufrieden, der Alltag ist geplant. Für diejenigen, die für all das verantwortlich sind, kann die Situation jedoch sehr erschöpfend sein. Dabei sind es nicht nur die vielen Aufgaben an sich, die schlauchen. Es ist die Gewissheit, dass es im Zweifel an einem selbst hängt, ob die Dinge erledigt werden. Viele Betroffene haben eine endlose mentale To-do-Liste, die eher länger statt kürzer wird.

Leiden Frauen häufiger an mentalen Belastungen als Männer?

Wenn es um den Mental Load geht, werden meist automatisch Frauen als die Betroffenen dargestellt. Stimmt das wirklich – sind Frauen häufiger von einer hohen mentalen Belastung betroffen als Männer? Grundsätzlich kann ein Mental Load jeden Menschen treffen, egal, welches Geschlecht er hat. Selbstverständlich können auch Männer darunter leiden. In der Praxis sind es jedoch häufig Frauen, bei denen ein belastender Mental Load entsteht.

Das hat verschiedene Gründe. In vielen Beziehungen herrschen traditionelle Rollenmuster vor, und das oft selbst dann, wenn beide Partner sich als progressiv und modern verstehen. Viele Männer wollen gar nicht, dass ihre Frau sich um alles kümmern muss, was aber nicht verhindert, dass es oft zu genau so einer Situation kommt. Viele Frauen sind es gewohnt – oder neigen schlicht dazu –, sich um bestimmte Dinge zu kümmern. Sie schmeißen den Haushalt, kümmern sich um die Kinder und planen den Alltag.

Mitdenken statt auf Anweisungen zu warten

Männer hingegen warten nicht selten darauf, dass ihre Frau sie dazu auffordert, Aufgabe XY zu übernehmen. Stellen sie fest, dass ihre Frau sich überlastet fühlt, folgen darauf oft fast schon vorwurfsvolle Sätze wie „Warum hast du denn nichts gesagt?“. Genau darum aber geht es: gar nicht erst etwas sagen zu müssen. Dass der andere von sich aus mitdenkt, statt darauf zu warten, dass ihm vorgekaut wird, was getan werden muss.

Dieses ewige Mitdenken ist es, was viele Betroffene als so anstrengend empfinden. Natürlich ist es eine Entlastung, wenn der Mann saugt oder den Müll rausbringt, wenn man ihn darum gebeten hat. Eine wirkliche Hilfe aber wäre es, wenn der Mann selbst sieht, was getan werden muss – und die Aufgaben vielleicht sogar schon erledigt, bevor die Frau sich gedanklich damit befassen muss. Genau das liegt vielen Männern aber nicht.

Um auf die Frage zurückzukommen, wen der Mental Load stärker betrifft: In einer Beziehung leidet derjenige stärker an einem Mental Load, der die Organisation des Alltags übernimmt. Derjenige, der die Dinge sieht und Bedürfnisse antizipiert. Der andere Partner hingegen bemerkt vielleicht gar nicht, was getan werden muss, bis es ihm explizit gesagt wird.

Wodurch es zu einem Mental Load kommen kann

Es gibt Risikofaktoren, die einen Mental Load wahrscheinlicher machen können. Es kommt zum Beispiel darauf an, wie die individuelle Situation ist. Wie hoch die Alltagsbelastung ist, wirkt sich darauf aus, ob ein Mental Load entsteht. Das ist besonders wahrscheinlich, wenn es gleich an mehreren Fronten viel zu tun und zu bedenken gibt – zum Beispiel durch Kinder, einen Job, den Haushalt, Hobbys, Freunde und Partnerschaft. Bei geringen Belastungen kommt es dagegen oft nicht zu einer gravierenden mentalen Belastung, selbst wenn dieselben Menschen unter anderen Umständen dazu neigen würden.

Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Persönlichkeit der Betroffenen. Manche Menschen sind geborene Organisatoren; es fällt ihnen leicht, Dinge in die Hand zu nehmen und im Kopf zu behalten. Wer ohnehin dazu neigt, übernimmt diese Aufgabe auch eher in einer Partnerschaft. Auch Perfektionismus kann sich auswirken: Wer möchte, dass die Wohnung jederzeit sauber ist, wer das perfekte Geburtstagsgeschenk für einen Freund finden oder die Kinder optimal fördern möchte, hat mehr Stress. Diesen Stress macht er sich teilweise selbst, wobei es nicht so leicht ist, tiefgreifende Verhaltensweisen zu ändern. 

Eingefahrene Beziehungsmuster können einen Mental Load begünstigen

Wenn einer der Partner die Rolle des Alltags-Managers übernimmt, kann sich das darauf auswirken, wie sich der andere Partner verhält. Nehmen wir an, eine Frau denkt an alles und organisiert alles. Für den Partner ist das bequem; er weiß, dass die Dinge bei seiner Frau in guten Händen sind. Er denkt dann womöglich weniger mit, als er es unter anderen Umständen getan hätte. Vielleicht übernimmt er auch weniger Aufgaben, weil seine Frau alles schon gemacht hat. Eine Beziehung kann sich in einer Art und Weise einspielen, die einen Mental Load begünstigt.

Nicht zuletzt kommt es auf die Kommunikation in der Beziehung an. Wer zu einem Mental Load neigt, hat nicht selten hohe Ansprüche an sich. Viele Betroffene bitten erst spät (oder gar nicht) um Hilfe, weil sie alles selbst schaffen wollen. Dabei ist es wichtig, dem Partner klar zu kommunizieren, was man sich von ihm wünscht und welche Belastungen entstehen, wenn man immer alles auf dem Schirm hat. Geschieht das nicht, kann es eher zu schwerwiegenden mentalen Belastungen kommen.

Mögliche Folgen von einer hohen mentalen Belastung

Ein Mental Load baut sich oft über einen längeren Zeitraum auf und lässt sich in vielen Fällen nicht ohne Weiteres beseitigen. Das kann für die Betroffenen Folgen haben. Einerseits ist da die unmittelbare Belastung, die durch die vielen verschiedenen Aufgaben und Vorhaben entsteht, um die sich die betreffende Person kümmern muss. Andererseits ist es oft gerade die Gewissheit, dass vieles in Familie und Haushalt unmittelbar an einem selbst hängt, die besonders belastend ist. 

Wer weiß, dass es auf ihn ankommt und dass er im Zweifel auf sich alleine gestellt ist, kann psychisch darunter leiden. Weil man alle möglichen Dinge ständig im Kopf hat, vielleicht sogar nachts aufwacht und an die nächsten To-dos denkt, kann man nie richtig abschalten. Das sorgt früher oder später in vielen Fällen für eine psychische Überlastung, die sich auch körperlich bemerkbar machen kann. Die Betroffenen schlafen dann etwa schlecht, haben Rückenschmerzen oder leiden unter Magen-Darm-Beschwerden.

Wenn es an Entspannung fehlt und die Bedürfnisse der Betroffenen zu kurz kommen, sorgt das selbst in geringeren Ausprägungen für Unzufriedenheit und Unausgeglichenheit. Das kann Spannungen in den Beziehungen zu anderen Menschen – etwa innerhalb der Familie – begünstigen. Durch die negativen Folgen einer hohen mentalen Belastung und der belastenden Situation an sich kann ein Teufelskreis entstehen: Viele Betroffene sind immer erschöpfter und haben das Gefühl, in einem Hamsterrad zu sein, aus dem sie nicht herauskommen. Das kann in manchen Fällen zu handfesten Problemen wie einem Burnout oder Depressionen führen.

Unsichtbare Belastung: Was dagegen hilft

Ein Mental Load sollte nicht zum Dauerzustand werden. Auch wenn sich so eine Situation in manchen Fällen ausweglos anfühlen mag: Es gibt Dinge, die Sie tun können, um die unsichtbare mentale Belastung zu beseitigen oder zumindest zu verringern. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen.

Sprechen Sie mit Ihrem Partner über die Situation

Wichtig ist, dass Sie mit Ihrem Partner über die belastende Situation sprechen. Womöglich weiß er (oder sie) gar nicht, wie sehr Sie darunter leiden. Machen Sie aber keine Vorwürfe, sondern teilen Sie möglichst sachlich mit, was Sie bewegt. Gemeinsam können Sie dann überlegen, was Sie im Alltag verändern könnten, um den Mental Load zu verringern.

Ihr Partner könnte sich zum Beispiel mehr einbringen und mehr mitdenken. Vielleicht übernimmt er künftig auch von vornherein bestimmte Aufgaben, über die Sie sich dann keinen Kopf mehr machen müssen. In diesem Fall sollten Sie sich aber auch wirklich heraushalten: Schreiben Sie Ihrem Partner nicht vor, wie eine bestimmte Aufgabe erledigt werden sollte. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Partner es schon hinbekommen wird. Und wenn das Ergebnis nicht so ist, wie Sie es sich vorgestellt haben – leben Sie damit.

Realistische Ansprüche haben

Ohnehin sollten Sie Ihren Perfektionismus, wenn Sie davon betroffen sind, ablegen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, denn Persönlichkeitsmerkmale lassen sich nicht so einfach nach Belieben verändern. Es kann aber helfen, darauf zu achten, welche Ansprüche Sie an sich (und andere) haben. Sind Ihre Erwartungen realistisch? Kann man sie überhaupt erfüllen, oder machen Sie sich damit nur Stress? In einem vollgepackten Alltag ist es oft schlicht nicht möglich, alle Dinge optimal zu regeln. Das ist ganz normal und geht anderen auch so. Setzen Sie sich also nicht unter Druck, in jeder Hinsicht perfekt zu sein.

Es ist wichtig, dass Sie lernen, loszulassen. Sie müssen nicht alles regeln. Die Welt wird nicht untergehen, wenn Sie aufhören, an alles zu denken. Probieren Sie es doch mal aus – wenn Sie sich mal nicht hinter alles klemmen, wird auch Ihr Partner merken, was Sie alles übernehmen.

Aufs Papier, aus dem Kopf

An alles denken zu müssen (oder zumindest das Gefühl zu haben), kann besonders belastend sein, wenn man deshalb Tausend Gedanken im Kopf hat. Es geht auch anders: Schreiben Sie alles auf, das Ihnen durch den Kopf geht oder an das Sie sich erinnern wollen. Sie können sich zum Beispiel Aufgaben notieren, sobald Sie darüber nachdenken.

Es kann sehr entlastend sein, zu wissen, dass alles Wichtige auf einem Zettel steht. Auch unabhängig von To-dos kann es helfen, die eigenen Gedanken zu Papier zu bringen. Was Sie aufgeschrieben haben, ist aus Ihrem Kopf. Aus diesem Grund bietet es sich an, Tagebuch zu schreiben. Es spielt keine Rolle, wie ausgefeilt Ihre Formulierungen sind oder dass Sie Spannendes zu berichten haben. Schreiben Sie einfach drauflos und scheuen Sie sich nicht vor rasanten Themenwechseln. Entscheidend ist, dass Sie Ihren Kopf leeren – das Ergebnis ist zweitrangig.

Nein sagen

Wer nicht Nein sagen kann, hat ein Problem – vor allem dann, wenn er ohnehin schon an einer hohen mentalen Belastung leidet. Wenn Sie zu den Menschen gehören, denen es schwerfällt, anderen etwas abzuschlagen, ist es höchste Zeit, das zu lernen. Das heißt nicht, dass Sie niemandem mehr einen Gefallen tun sollten, aber Sie sollten gut überlegen, für wen Sie das tun und was Sie übernehmen. Respektieren Sie Ihre eigenen Grenzen. Wenn Sie keine Kapazitäten haben, sagen Sie das freundlich, aber bestimmt, und lassen Sie sich nicht auf Diskussionen ein. 

Hilfe in Anspruch nehmen

Wer sagt, dass Sie alles selbst erledigen müssen? Zum Beispiel im Haushalt: Eine Reinigungskraft ist oft gar nicht so teuer und kann Ihnen zuhause den Rücken freihalten. So gibt es auch weniger Diskussionen mit dem Partner, wer wofür verantwortlich ist. Wenn Sie Kinder haben, beauftragen Sie öfter mal einen Babysitter, um Zeit für sich oder Zeit als Paar zu haben. Dabei brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben. Nutzen Sie auch Hilfe aus Ihrem persönlichen Umfeld, wenn sie Ihnen angeboten wird.

Zeit für sich priorisieren

Bei einem Mental Load kommt die Entspannung oft viel zu kurz. Viele Betroffene haben kaum Zeit für sich – oder trauen sich nicht, die Zeit zu nehmen, weil zu viel zu tun ist. Das ist aber keine Dauerlösung, denn Sie machen sich damit langfristig kaputt. Sie brauchen Phasen, in denen Sie sich guten Gewissens genau den Dingen widmen, mit denen Sie auftanken können und die Sie glücklich machen. Wenn es Ihnen hilft, schreiben Sie sich fixe Zeiten in den Terminkalender, und halten Sie sich auch daran. Sagen Sie Ihrem Partner und Ihren Kindern, dass Sie während Ihrer Me-Time nicht gestört werden möchten – sonst springen Sie womöglich nach fünf Minuten auf, weil jemand etwas von Ihnen will.

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