Menschenkenntnis entwickeln: Tipps & Strategien zur besseren Einschätzung von Mitmenschen

Andere gut einschätzen zu können bringt im privaten und beruflichen Alltag viele Vorteile. Was macht Menschenkenntnis aus? Wie kann man seine Menschenkenntnis verbessern – und wie Fehleinschätzungen vermeiden? In diesem Beitrag erfahren Sie mehr darüber.

Mehrere Gesichter von Menschen, wie erlangt man Menschenkenntnis?

Menschenkenntnis: Was ist das eigentlich?

Menschenkenntnis ist in der Psychologie die Fähigkeit, andere Menschen zutreffend zu beurteilen. Menschen, denen man dieses Merkmal attestiert, sind meist gut darin, andere schon nach kurzer Zeit korrekt einzuschätzen. Sie interpretieren oft auch wenige bekannte Merkmale erstaunlich treffsicher, wobei die Zuverlässigkeit einer Einschätzung grundsätzlich steigt, je länger und besser man jemanden kennt. Es liegen dann einfach mehr Informationen vor, auf deren Grundlage eine verlässliche Interpretation möglich ist.

Menschenkenntnis kann sich nicht nur auf den Charakter eines anderen Menschen beziehen, sondern auch auf dessen Absichten, Vorstellungen und Meinungen. Diese Fähigkeit setzt Einfühlungsvermögen ebenso voraus wie eine rasche Auffassungsgabe. Nicht selten ist es auch das Bauchgefühl, welches Menschen eine bestimmte Schlussfolgerung über andere nahelegt. Mit zunehmender Erfahrung und dem Kontakt mit vielen ganz unterschiedlichen Menschen wird es leichter, andere Menschen korrekt einzuordnen und eine gute Menschenkenntnis zu entwickeln.

Menschenkenntnis: Eine nützliche Eigenschaft in Beruf und Privatleben

Menschenkenntnis zu besitzen kann in vielen Lebenslagen sehr nützlich sein. Zum Beispiel im Beruf: Wer andere gut einschätzen kann, weiß sehr schnell, wem er vertrauen kann, wer zuverlässig ist und wen er besser meidet. Das hilft in vielen Situationen. Man kann sich zum Beispiel dank einer guten Menschenkenntnis eher an Personen halten, die es gut mit einem meinen. Mit ihnen kann man gute Beziehungen aufbauen. Wer hingegen feststellt, dass eine bestimmte Person sehr egoistisch ist oder andere ausnutzt, kann den Kontakt minimieren. In dieser Hinsicht hilft eine gute Menschenkenntnis auch dabei, Enttäuschungen und andere negative Erlebnisse zu vermeiden.

In vielen Jobs spielt Teamarbeit eine wichtige Rolle. Auch dabei hilft Menschenkenntnis. Sie ist zum Beispiel praktisch, um besser einschätzen zu können, wer welche Aufgabe gut übernehmen könnte oder wer eher nicht so zuverlässig ist. Durch dieses Wissen kann die Zusammenarbeit mit den Kollegen angenehmer und reibungsloser gestaltet werden. Wer gut darin ist, andere einzuschätzen, kann eher Verständnis für sie aufbringen und in Verhandlungen tragfähige Kompromisse finden. Auch auf diese Weise kann Menschenkenntnis die Beziehung zu anderen stärken. Konflikte werden unwahrscheinlicher, wenn man weiß, was andere (nicht) wollen.

Menschenkenntnis als Karrierefaktor

Im Job kann es ganz unterschiedliche Situationen geben, in denen Menschenkenntnis praktisch ist. Es könnte zum Beispiel sein, dass jemand einen wichtigen Kunden überzeugen muss. Wenn er diesen treffend einschätzen kann, kann er ihm passende Vorschläge unterbreiten. Oder jemand hat es mit einem aufgebrachten Kunden zu tun. Weiß er, wie er ihn am besten besänftigen kann, kann dieser Konflikt rasch entschärft werden. Menschenkenntnis ist nicht zuletzt ein Karrierefaktor, der sich zum Beispiel im Vorstellungsgespräch oder bei der Pflege von wichtigen Kontakten als sehr praktisch erweisen kann.

Auch in der Mitarbeiterführung spielt Menschenkenntnis eine wichtige Rolle. Eine Führungskraft, die ausreichend Menschenkenntnis besitzt, kann sich optimal auf ihre Mitarbeiter einstellen. Sie kann Aufgaben sinnvoll zuteilen, Bedürfnisse besser erfüllen und Konfliktpotenzial frühzeitig erkennen.

Im Privatleben ist Menschenkenntnis ebenfalls nützlich. Wem es leichtfällt, andere einzuschätzen, der kann sich eher mit Menschen umgeben, die ihm wirklich guttun. Auf der anderen Seite kann er den Kontakt mit Personen meiden, die Eigenschaften haben, die er als negativ einstuft. Damit kann Menschenkenntnis auch helfen, schlechte Erfahrungen zu vermeiden. Menschen mit guter Menschenkenntnis geraten zum Beispiel seltener an Betrüger oder erkennen beim Dating schnell, wer es wirklich ernst meint mit ihnen und wer nicht. 

Andere Menschen einschätzen: Wie geht es?

Schon Kleinkinder lernen, andere Menschen einzuschätzen. Sie beobachten zum Beispiel ihre Bezugspersonen und lernen, Signale wie Mimik, Gestik, Stimmlage oder Wortwahl einzuordnen. Im Laufe des Lebens wird diese Kompetenz immer weiter ausgebaut. Erfahrungen zeigen, welche Einschätzungen treffend waren und welche nicht. Auf diese Weise lernen Menschen immer weiter dazu; ihre Menschenkenntnis verbessert sich.

Einschätzungen über andere Menschen basieren auf einem komplexen Zusammenspiel von vielen Faktoren. Es kommt zum Beispiel darauf an, was jemand sagt, aber auch, wie er das tut. Jemand kann eine spitze Bemerkung machen oder einen ironischen Kommentar bringen. Er kann sich dabei sehr gewählt ausdrücken oder eher vulgär, freundlich oder aggressiv, skeptisch oder begeistert.

Neben der Wortwahl und der Intonation kommt es auch darauf an, wie jemand nonverbal kommuniziert. Passen die Worte zur Körpersprache? Angenommen, jemand sagt etwas (scheinbar) Nettes, vielleicht lächelt er auch – das Lächeln wirkt aber gezwungen und künstlich. Dann lässt das Rückschlüsse darauf zu, was die andere Person tatsächlich empfindet. Sie rein anhand ihrer Wortwahl einzuschätzen, wäre somit zu kurz gegriffen.

Nonverbale Signale helfen, das Bild zu vervollständigen

Nonverbale Signale können auch sein, dass jemand an den Fingernägeln kaut (ist er nervös?), Blickkontakt ausweicht (ist er unsicher oder sagt er nicht die Wahrheit?) oder Schweißperlen auf der Stirn hat (ist er ängstlich oder nervös?). Vorschnelle Schlüsse und pauschale Einschätzungen von bestimmten Signalen sollten jedoch vermieden werden. Ein Beispiel: Oft heißt es, verschränkte Arme drückten Distanz, Skepsis oder Ablehnung aus. Das muss aber nicht der Fall sein – manche Menschen verschränken einfach gerne ihre Arme, ohne dass eine versteckte Botschaft oder Haltung dahintersteckt.

Je besser man jemanden kennt, desto treffender kann man ihn beurteilen. Im Laufe der Zeit kommen immer neue Erfahrungswerte hinzu, die das Bild präzisieren. Das kann auch dazu führen, dass man ursprüngliche Annahmen wieder über Bord wirft, weil sie sich als unzutreffend herausgestellt haben.

Tipps, um falsche Einschätzungen vermeiden

Niemand hat eine perfekte Menschenkenntnis. Es kann – auch bei einer sehr guten Menschenkenntnis – immer passieren, dass jemand eine andere Person falsch einschätzt. Dieses Risiko ist umso größer, je weniger Informationen über jemanden vorliegen und je schlechter man jemanden kennt. Es gibt aber einige Dinge, die Sie tun können, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.

Grundsätzlich ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass die eigene Einschätzung falsch sein kann. Auch nach Jahren können sich Dinge herausstellen, die das Bild von einer anderen Person verändern. Umso unzuverlässiger ist die eigene Beurteilung nach einem kurzen Kontakt mit jemandem. Vielleicht gab es nicht einmal eine persönliche Begegnung, sondern man „kennt“ jemanden nur vom Hörensagen oder über soziale Netzwerke. Dann sollten vorschnelle Schlüsse unbedingt vermieden werden. Sie können zwar Indizien sammeln, sollten sich aber darüber im Klaren sein, dass diese noch keine Gesamtbeurteilung rechtfertigen.

Beurteilungsfehler können zu Fehleinschätzungen führen

Bleiben Sie in Ihrer Einschätzung flexibel. Dabei sollten Sie bestrebt sein, Beurteilungsfehler zu vermeiden. Ein Beispiel ist der Halo-Effekt: Dabei sticht eine positiv bewertete Eigenschaft von einem Menschen besonders hervor und führt zu Rückschlüssen über das Wesen dieser Person. Diese Rückschlüsse basieren nur auf der positiven Eigenschaft – und können falsch sein.

Auch das Gegenteil gibt es: den sogenannten Horn-Effekt. Dabei sticht ein negativ bewertetes Merkmal besonders hervor und beeinflusst die weitere Wahrnehmung dieser Person. Auch über den Bestätigungsfehler sollten Sie sich im Klaren sein: Dabei werden Informationen anhand einer vorhandenen Meinung interpretiert. Zum Beispiel glauben Sie vielleicht, dass ein Kollege Sie nicht mag. Wenn dieser Kollege Sie im nächsten Meeting kritisiert, sehen Sie sich womöglich bestätigt – obwohl es demjenigen ebenso um die Sache gehen könnte.

Geben Sie anderen Menschen die Möglichkeit, Sie immer wieder zu überraschen – positiv wie negativ. Sie sollten nie glauben, jemanden in- und auswendig zu kennen. Sonst formen Sie sich womöglich schnell ein relativ fixes Bild, in das neue Informationen so eingefügt werden, dass sie zum vorhandenen Eindruck passen.

Menschenkenntnis lernen: So können Sie Ihre Menschenkenntnis verbessern

Für manche Menschen scheint es leichter zu sein, andere Personen richtig einzuschätzen, als für andere. Menschenkenntnis lernen kann aber jeder – entscheidend ist nur, zu wissen, wo man ansetzen muss. Die folgenden Aspekte können Ihnen dabei helfen, Ihre Menschenkenntnis zu verbessern.

Empathie entwickeln

Empathie ist eine zentrale Komponente von Menschenkenntnis. Ohne Einfühlungsvermögen werden Sie andere nicht korrekt einschätzen können. Das können Sie trainieren, indem Sie sich ganz bewusst in andere hineinversetzen. Wie fühlt sich eine andere Person mutmaßlich? Was geht ihr womöglich durch den Kopf? Welche Ziele könnte sie haben? Ihre Vorstellungen müssen nicht stimmen, aber es hilft, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Um Ihre Empathie zu fördern, können auch Filme und Romane nützlich sein. 

Genau hinhören

Wer genau zuhört, was andere sagen, kann sie eher einschätzen. Während eine andere Person spricht, denken viele Menschen in einer Unterhaltung darüber nach, was sie selbst als Nächstes sagen möchten. Unter diesen Umständen können sie jedoch nicht aufmerksam zuhören. Legen Sie Ihren Fokus deshalb darauf, was andere sagen, statt Ihren eigenen Gedanken nachzuhängen.

Genau hinsehen

Beobachten Sie die Körpersprache von anderen Menschen. Passt sie zu dem, was jemand sagt oder wie sich jemand verhält? Welche Schlüsse legen Mimik, Gestik und Körperhaltung nahe? Je aufmerksamer Sie andere beobachten, desto eher können Sie einen zutreffenden Gesamteindruck bekommen. 

Unterhalten Sie sich

Um jemanden besser einschätzen zu können, sind direkte Unterhaltungen sehr wichtig. Ein Bild, das nur auf Erzählungen von anderen und Wahrnehmungen von außen beruht, ist wenig verlässlich. Je öfter Sie mit jemandem sprechen, desto mehr erfahren Sie über diese Person, und zwar direkt aus erster Hand.

Die eigene Einschätzung überprüfen: Fragen Sie nach

Nutzen Sie Gelegenheiten, Ihre Einschätzung von anderen auf den Prüfstand zu stellen. Das geht auf ganz simple Art und Weise: Stellen Sie Rückfragen. Erkundigen Sie sich, ob Sie etwas richtig verstanden haben, oder fragen Sie jemanden ganz direkt nach bestimmten Dingen. So finden Sie heraus, inwieweit Ihre Schlüsse zutreffen. Das ist nicht nur für die Einschätzung einer bestimmten Person nützlich, sondern hilft Ihnen auch dabei, Ihre Menschenkenntnis allgemein zu verbessern.

Bildnachweis: oneinchpunch / Shutterstock.com

Nach oben scrollen