Halo-Effekt: Erklärung, Bedeutung & welche Folgen er haben kann

Was bestimmt darüber, welche Menschen wir auf Anhieb sympathisch finden? Wen wir für schlau halten – oder für faul? Wenn es darum geht, sich beim ersten Kontakt ein Urteil über andere Menschen zu bilden, spielt der Halo-Effekt in der Psychologie eine entscheidende Rolle. Hier erfahren Sie, was sich dahinter verbirgt, wie es zum Halo-Effekt kommt und was Sie tun können, um sich dagegen zu wehren.

Ein Mann mit einem Heiligenschein, was ist der Halo-Effekt

Halo-Effekt Definition: Der Halo-Effekt einfach erklärt

Haben Sie schon einmal vom Halo-Effekt gehört? Womöglich nicht. Das Phänomen dürfte Ihnen bei näherer Betrachtung aber bekannt vorkommen. Dahinter verbirgt sich in der Sozialpsychologie eine Verzerrung in der Beurteilung anderer Menschen, die positiv oder negativ ausfallen kann. Betroffen sind Situationen, in denen sich Menschen über andere Menschen ein Bild machen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, weil man eine andere Person persönlich kennenlernt. Ebenso kann der Halo-Effekt aber auch auftreten, wenn man ein Foto von jemandem sieht, den man nicht kennt, oder etwas über jemanden hört.

Das englische Wort halo bedeutet auf Deutsch Heiligenschein. Man spricht im Deutschen deshalb mitunter auch vom Überstrahlungseffekt, wenn es um den Halo-Effekt geht. Diese Begriffe deuten schon an, wie sich der Halo-Effekt äußert. Bei der Einschätzung anderer Menschen ist ein einzelnes, dominantes Merkmal entscheidend. Andere Merkmale werden verdrängt, nicht wahrgenommen oder vom hervortretenden Merkmal überschattet. Ausgehend vom dominanten Merkmal zieht man Rückschlüsse auf den Charakter eines anderen Menschen. Man schreibt der Person weitere Eigenschaften zu, ohne dass man zu diesem Zeitpunkt objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür hat.

Der Halo-Effekt kann auch die Wahrnehmung von Gegenständen beeinflussen

Der Halo-Effekt tritt vor allem bei Merkmalen auf, die besonders auffällig sind. Was hervorsticht, liegt dabei ein Stück weit im Auge des Betrachters. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn jemand besonders gutaussehend, charismatisch, rhetorisch begabt oder sportlich ist. Der Effekt wird zusätzlich befördert, wenn jemand sein Urteil über eine andere Person in kurzer Zeit fällt.

Übrigens kann sich der Halo-Effekt auch auf Gegenstände beziehen. Zum Beispiel bei Produkten im Supermarkt oder Medikamenten, für die im Fernsehen Werbung gemacht wird. Dabei kann ein Produktmerkmal besonders hervorgehoben werden, das zu einer verzerrten Wahrnehmung des Produkts führen kann. Ein Beispiel: Eine Limo wird als „zuckerfrei“ beworben. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass dieses Produkt gesund ist, was jedoch nicht der Fall sein muss. 

Halo-Effekt in der Psychologie: So kann er sich äußern

Der Halo-Effekt ist in der Psychologie durch Studien vielfach belegt worden. Ein klassisches Beispiel, das in Studien demonstriert werden konnte, betrifft das Äußere einer Person. Menschen, die als gutaussehend eingestuft werden, werden demnach von anderen eher als gesellig und intelligent beurteilt. Man hält sie tendenziell für erfolgreich und dominant – und das nicht, weil man etwas darüber wüsste, wie intelligent oder erfolgreich sie tatsächlich sind. Diese Rückschlüsse werden allein anhand von Äußerlichkeiten gezogen.

Auch andere körperliche Merkmale können einen Halo-Effekt zur Folge haben:

  • So werden Menschen, die eine Brille tragen, von anderen eher als intelligent und belesen eingeschätzt.
  • Menschen mit Tattoos und Piercings können als unseriös eingestuft werden.
  • Wer einen Anzug trägt, wirkt damit womöglich erfolgreich, vielleicht auch diszipliniert und selbstbewusst.
  • Trifft man hingegen Menschen, die abgetragene oder kaputte Klamotten tragen, stuft man sie vielleicht als arm oder ungepflegt ein.

Dicke Menschen sind durch den Halo-Effekt häufig mit Vorurteilen konfrontiert. Andere Menschen glauben womöglich, sie seien faul, undiszipliniert und könnten sich nicht mäßigen. Man kann sie aber wegen ihres Körperumfangs auch für herzlich und gemütlich halten. Die Sprache, Akzente und Dialekte von Menschen können weitere Beispiele dafür sein, wie sich der Halo-Effekt äußern kann. So könnten Menschen mit starkem Dialekt als weniger intelligent empfunden werden als Menschen, die Hochdeutsch sprechen.

Auch das Verhalten eines Menschen, besondere Leistungen oder die berufliche Stellung können einen Halo-Effekt zur Folge haben. So nimmt man vielleicht automatisch an, dass ein erfolgreicher Schauspieler glücklich ist, einen spannenden Alltag und viele Freunde hat. Wer charmant ist, kann als vertrauenswürdig und sympathisch eingestuft werden. Ist jemand hingegen zurückhaltend, kann das von anderen als langweilig oder unattraktiv empfunden werden.

Halo-Effekt-Erklärung: Wie entsteht der Halo-Effekt?

Kommt es zum Halo-Effekt, geschieht das in der Regel unbewusst. Die betroffenen Personen sind sich meist nicht im Klaren darüber, dass sie eine andere Person anhand eines hervorstechenden Merkmals in einer Art und Weise beurteilen, die durch objektive Wahrnehmungen nicht gedeckt ist. Woran liegt es, dass der Halo-Effekt so häufig auftritt? Das hängt mit der Funktionsweise des Gehirns zusammen.

Das Gehirn möchte Prozesse möglichst schnell und effizient bearbeiten. Das ist eine Herausforderung in unserer komplexen Wirklichkeit, in der wir ständig mit neuen Reizen und Informationen konfrontiert sind. Der Halo-Effekt ist ein Beispiel dafür, wie das Gehirn schnelle Schlüsse zieht, um Informationen einzuordnen. Man könnte auch sagen: Das Gehirn steckt Menschen, die wir noch nicht kennen, bevorzugt in Schubladen, selbst auf die Gefahr hin, dass es sich um eine Fehleinschätzung handelt.

Beim Halo-Effekt werden komplexe Sachverhalte stark vereinfacht. Zu welchem Schluss das Gehirn kommt, hängt dabei von individuellen Erfahrungswerten einer Person ab, ebenso von ihren Denkweisen, vorhandenen Vorurteilen, Klischees und Stereotypen. Die Interpretation der vorhandenen Informationen ist damit immer subjektiv – ein Mensch kann zu einem ganz anderen Schluss kommen als ein anderer. 

Diese Folgen kann der Halo-Effekt haben

Beim Halo-Effekt handelt es sich um eine verzerrte Wahrnehmung, die zu einem Urteilsfehler führen kann. Dadurch können Vorurteile bestärkt und Stereotype befördert werden. Auch Diskriminierung kann die Folge sein. Menschen, die mit den schnellen Schlüssen ihres Gehirns nicht kritisch umgehen, verhalten sich entsprechend der eigenen, womöglich fehlerhaften Interpretation einer anderen Person. Dadurch werden Erwartungen geweckt, die nicht immer erfüllt werden können. Diese Erwartungen können positiv oder negativ sein.

Stellen wir uns zum Beispiel vor, dass ein Arbeitgeber einen Bewerber beurteilt. Ein Personalverantwortlicher sitzt etwa einem Kandidaten im Vorstellungsgespräch gegenüber, der besonders selbstbewusst auftritt. Durch den Halo-Effekt könnte der Personaler daraus schließen, dass es sich bei seinem Gegenüber um einen besonders fähigen Arbeitnehmer handelt, der erfolgreich und leistungsfähig ist.

Ganz anders fällt womöglich das Urteil aus, wenn ein Personalverantwortlicher einen Lebenslauf mit vielen Lücken sichtet. Die verantwortliche Person könnte daraufhin glauben, dass es sich nicht lohnt, diesen Bewerber kennenzulernen – ihm könnte unterstellt werden, er sei unstet, unzuverlässig und erbringe keine guten Leistungen. Dass das überhaupt nicht der Fall sein muss, wird übersehen. Oder nehmen wir an, ein Bewerber ist im Vorstellungsgespräch schüchtern und nervös. Womöglich stuft ihn der Personaler als weniger vielversprechend ein, weil er mit der Aufgeregtheit negative Persönlichkeitsmerkmale wie ein geringes Selbstbewusstsein, eine geringe Durchsetzungsfähigkeit und mangelnde Proaktivität assoziiert.

Wie lange der Halo-Effekt anhält

Auch im Alltag gibt es zahlreiche Beispiele dafür, welche Folgen der Halo-Effekt haben kann. Schnappt ein Autofahrer einem anderen den letzten freien Parkplatz weg, hält der andere diese Person womöglich für grundsätzlich rücksichtslos, egoistisch und unsensibel. Fährt jemand einen teuren Wagen, kann das dazu führen, dass andere glauben, er sei besonders erfolgreich und selbstbewusst. Trägt jemand ein Kopftuch, könnten andere daraufhin denken, diese Person sei besonders fundamentalistisch eingestellt, habe konservative Ansichten oder werde unterdrückt.

Die Gefahr einer Fehleinschätzung ist dabei grundsätzlich groß. Das gilt umso stärker, je weniger Informationen man über eine andere Person hat. Noch gravierender können die Fehlschlüsse sein, wenn der Halo-Effekt Bilder betrifft. Man sieht zum Beispiel ein Foto von jemandem in sozialen Netzwerken und schreibt dieser Person daraufhin Eigenschaften zu. So hält man einen anderen in der Folge vielleicht für bieder, aufgeschlossen, fröhlich oder narzisstisch.

Ob die Annahmen, die sich durch den Halo-Effekt ergeben haben, wirklich zutreffen, zeigen sich erst, wenn man jemanden besser kennenlernt. Das Perfide: Ein negativer oder positiver erster Eindruck macht Menschen voreingenommen. Wenn jemand von Anfang an negativ über jemand anderen denkt, wird er sich wahrscheinlich auch künftig auf dessen (tatsächliche oder vermutete) negative Seiten fokussieren. Ist er hingegen positiv angetan, werden negative Aspekte tendenziell ausgeblendet. 

Der Horn-Effekt: Wenn negative Merkmale hervorstechen

Der Halo-Effekt kann sich sowohl auf positive Merkmale von anderen Menschen beziehen als auch auf negative. Wenn es dabei um Eigenschaften geht, die als negativ eingestuft werden, spricht man auch vom Horn-Effekt oder dem Teufelshörner-Effekt. Dabei tritt das als negativ wahrgenommene Merkmal eines Menschen in den Vordergrund und sorgt dafür, dass weitere negative Assoziationen folgen.

Dabei können es manchmal Nuancen sein, die den Ausschlag geben. Das hat ein Experiment der US-amerikanischen Forscher Richard E. Nisbett und Timothy Wilson an der University of Michigan gezeigt. Die beiden Wissenschaftler führten einen Versuch mit Studenten durch, die sie dafür in zwei Gruppen einteilten. Beide Gruppen bekamen ein Video eines Professors zu sehen. In einem Video zeigte der Professor sich freundlich, im anderen Video trat er autoritär auf und wirkte unhöflich.

Das Resultat: Die Studenten schrieben dem Professor jeweils ganz unterschiedliche positive beziehungsweise negative Eigenschaften zu. Wenn also jemand mal einen schlechten Tag hat und weniger freundlich auftritt, wenn er neue Kontakte knüpft, kann das zu einem Horn-Effekt führen, der sich dann womöglich hartnäckig hält.

Was Sie gegen den Halo-Effekt tun können

Der Halo-Effekt kann unerwünschte – und unbewusste – Folgen haben. Im Allgemeinen stärkt er Vorurteile und kann Klischees verfestigen, außerdem sorgt er immer wieder dafür, dass Menschen von anderen diskriminiert werden. Deshalb ist es sinnvoll, sich bewusst zu machen, dass es den Halo-Effekt gibt und welche Auswirkungen er möglicherweise hat. Wer sich das vor Augen führt, kann anders mit den eigenen Eindrücken und Einschätzungen umgehen.

Angenommen, Sie treffen jemanden zum ersten Mal. Oder Sie sehen im Internet ein Bild von jemandem. Machen Sie es sich zur Angewohnheit, sich Ihre eigenen Interpretationen bewusst zu machen und sie zu hinterfragen. Überlegen Sie, inwieweit Ihre Schlüsse auf objektiven Wahrnehmungen beruhen und zu welchem Teil sie frei assoziiert sind. Dadurch können Sie dem Halo-Effekt ein Stück weit vorbeugen.

Es hilft auch, ganz bewusst offen zu bleiben, statt Menschen von vornherein beurteilen oder in eine Schublade stecken zu wollen. Geben Sie sich und anderen Zeit, sich einen Eindruck von ihnen zu formen, der auf tatsächlichen Erfahrungen beruht und nicht auf Vorurteilen oder verzerrten Wahrnehmungen.

Gegen den Halo-Effekt hilft es auch, mit anderen offen zu kommunizieren, und das möglichst unvoreingenommen. Reden Sie mit anderen, bevor Sie sie verurteilen. Je mehr Sie über andere wissen, desto eher kann ein Eindruck entstehen, der wirklich zutreffend ist. Das gilt umso mehr, wenn von Ihrer Einschätzung viel abhängt – zum Beispiel, weil Sie als Personaler für die Personalauswahl verantwortlich sind, oder weil es um jemanden geht, mit dem Sie künftig viel zu tun haben werden.

Beispiel: Sergey Nivens / Shutterstock.com

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