Fangfragen des Gutachters für Erwerbsminderungsrente: Tipps zur Vorbereitung

Wer nicht oder nicht voll arbeiten kann, kann Erwerbsminderungsrente beantragen. Bevor über den Antrag entschieden wird, steht in vielen Fällen ein Gutachtertermin an. Was kommt dabei auf Antragsteller zu, wie läuft der Termin ab? Hier erfahren Sie, worauf Sie sich einstellen müssen und warum Sie auf Fangfragen des Gutachters für die Erwerbsminderungsrente gefasst sein sollten.

Eine Frau im Gespräch mit einem Gutachter, was sind Fangfragen bei der Erwerbsminderungsrente?

Erwerbsminderungsrente: Wenn Arbeit nicht mehr (voll) möglich ist

Eine gelegentliche Arbeitsunfähigkeit ist nichts Ungewöhnliches; viele Arbeitnehmer melden sich mehrmals im Jahr an der Arbeit krank. Mitunter dauert die Arbeitsunfähigkeit auch über einen längeren Zeitraum an, und in manchen Fällen ist eine Besserung lange Zeit gar nicht in Aussicht. Dann kann eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) infrage kommen, wenn jemand nicht mehr im vollen Umfang arbeiten kann, aber die Regelaltersgrenze für die reguläre Rente noch nicht erreicht hat.

Eine Erwerbsminderung kann zum Beispiel in Folge einer schweren Krankheit oder nach einem Unfall bestehen. Sie besteht offiziell nur dann, wenn jemand nicht mehr als sechs Stunden am Tag arbeiten kann. Bei einer Erwerbsfähigkeit von drei bis sechs Stunden täglich ist eine teilweise Erwerbsminderung gegeben, während jemand, der maximal drei Stunden am Tag arbeiten kann, als voll erwerbsgemindert gilt.

Während es früher noch die Berufsunfähigkeitsrente gab, reicht es heute nicht mehr, nur den erlernten beziehungsweise ausgeübten Beruf nicht mehr in vollem Umfang ausüben zu können. Eine Erwerbsunfähigkeit ist erst dann gegeben, wenn auch kein anderer Job infrage kommt. Das kann dazu führen, dass Betroffene, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können, gezwungen sind, beruflich einen ganz anderen Weg einzuschlagen, soweit eine Arbeitsfähigkeit dann wieder gegeben wäre. Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente besteht in solchen Fällen nicht.

Erfolgsaussichten beim Antrag auf Erwerbsminderungsrente

Der Bezug einer Erwerbsminderungsrente ist mit hohen Hürden verbunden. Wer glaubt, Anspruch auf die Leistung zu haben, muss sie beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragen. Die anschließende Prüfung des Antrags kann Monate, in manchen Fällen sogar Jahre dauern. Die Erfolgsaussichten sind in vielen Fällen nicht allzu gut: Beinahe jeder zweite Antrag auf Erwerbsminderungsrente wird abgelehnt. Im Jahr 2022 betraf das 42 Prozent der Anträge. Sie wurden abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente gemäß der Versicherung nicht gegeben waren, weil die Versicherten ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sind oder sie den Antrag ihrerseits zurückgezogen haben.

Um Erwerbsminderungsrente bekommen zu können, müssen zahlreiche versicherungsrechtliche und medizinische Voraussetzungen erfüllt sein. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). So dürfen Versicherte etwa die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben. Sie müssen außerdem vor dem Beginn ihrer Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein und in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung geleistet haben.

Wenn Versicherte einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellen, wird umfassend geprüft, wie es tatsächlich um ihre Arbeitsfähigkeit bestellt ist. Dazu sind unter anderem die Krankengeschichte, erfolgte Therapien und die medikamentöse Behandlung relevant. Eine Erwerbsminderungsrente kommt zudem nur in Betracht, wenn medizinische Maßnahmen wie eine Reha nicht geeignet sind, um die Erwerbsfähigkeit ganz oder teilweise wiederherzustellen. 

Wenn es um die Erfolgsaussichten bei einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente geht, kommt es nicht nur darauf an, inwieweit die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Entscheidend ist auch, dass der Antrag mit der nötigen Sorgfalt gestellt wird. Es kann sinnvoll sein, sich dabei beraten zu lassen, um Fehler zu vermeiden.

Gutachtergespräch für die Erwerbsminderungsrente: Warum Sie sich darauf gut vorbereiten sollten

Wenn jemand einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente stellt, überprüft der zuständige Rentenversicherungsträger sehr genau, ob die Voraussetzungen dafür im Einzelfall tatsächlich gegeben sind. In diesem Zusammenhang kann ein Gespräch mit einem Gutachter vorgesehen sein. In der Mehrzahl der Fälle wird ein solcher Gutachtertermin vorgeschrieben, bevor über den Antrag auf Erwerbsminderungsrente entschieden werden kann.

Bei einem Gutachtertermin wird überprüft, inwieweit jemand tatsächlich erwerbsgemindert ist. Der Gutachter oder die Gutachterin soll herausfinden, wie es um die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers steht. Gibt es Zweifel an dessen Darstellung im Antrag auf Erwerbsminderungsrente, kann das beim Termin mit dem Gutachter ans Licht kommen.

Wenn Sie Erwerbsminderungsrente beantragt haben und ein Gutachtertermin vorgesehen ist, sollten Sie sich darauf gut vorbereiten. Sie müssen vor dem Gespräch mit dem Gutachter keine Angst haben, sollten es aber auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Gehen Sie unvorbereitet zu dem Termin, kann es sein, dass Ihnen vermeidbare Fehler unterlaufen, die ihren Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente gefährden. Deshalb ist es wichtig, sich im Vorfeld damit auseinanderzusetzen, was beim Gutachtertermin auf Sie zukommen kann.

Erwerbsminderungsrente: So läuft das Gespräch mit dem Gutachter ab

Wie genau das Gespräch mit dem Gutachter für die Erwerbsminderungsrente abläuft, kann sich von Gutachter zu Gutachter leicht unterscheiden. Es kann sein, dass Sie im Vorfeld schon einen Fragebogen bekommen, den Sie ausgefüllt zum Termin mitbringen sollen. Der Gutachter oder die Gutachterin kann auch vor Ort einen Fragebogen mit Ihnen durchgehen. In vielen Fällen betrifft das Ja-Nein-Fragen.

Sie können sich darauf einstellen, dass eine Gutachterin oder ein Gutachter Ihnen Fragen zu Ihrer Person und Ihrem aktuellen und früheren familiären Hintergrund stellt. Natürlich geht es auch um Ihr Krankheitsbild beziehungsweise die Problematik, durch die Sie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt erwerbsfähig sind. Womöglich werden Sie nach Ihrem typischen Tagesablauf gefragt: Sie sollen dann schildern, wie Ihr Tag normalerweise vom Aufstehen bis zum Schlafengehen aussieht.

Manche Gutachter setzen stärker auf normierte Tests während andere ihr Urteil anhand von ausführlichen, freieren Gesprächen fällen. Auch eine körperliche Untersuchung kann im Rahmen eines Gutachtertermins für die Erwerbsminderungsrente erfolgen. Es geht bei dem Termin aber nicht primär darum, dass der Gutachter oder die Gutachterin eine eigene Diagnose stellt. Das Ziel ist vielmehr, mögliche Ungereimtheiten und Inkonsistenzen aufzudecken, durch die Zweifel an der Erwerbsunfähigkeit aufkommen. In der Regel dauern Gespräche mit Gutachtern für die Erwerbsminderungsrente zwischen 45 und 60 Minuten.

Vorsicht, Fangfragen: Warum Sie im Gutachtergespräch mit „fiesen“ Fragen rechnen müssen

Fangfragen sind ein beliebtes Instrument von Gutachtern zur Überprüfung der Erwerbsfähigkeit von Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente beantragt haben. Dabei handelt es sich um Fragen, die oft suggestiv sind und eine bestimmte Antwort nahelegen, mit der die Betroffenen jedoch in eine Falle tappen würden. Antworten die Betroffenen auf eine Fangfrage „falsch“, kann das ihren Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente gefährden.

Fangfragen mögen aus Sicht von Antragstellern fies sein, sie erfüllen für die Rentenversicherung jedoch einen wichtigen Zweck: Sie sollen Menschen enttarnen, die gar nicht wirklich erwerbsunfähig oder erwerbsgemindert sind. Solchen Menschen eine EM-Rente zu zahlen, würde die Versicherung – und damit auch die übrigen Beitragszahler – unnötig belasten.

Es kommt immer wieder vor, dass Versicherte im Antrag auf eine Erwerbsminderungsrente übertreiben. Das heißt nicht, dass ihr Job sie nicht belasten würde – häufig steckt dahinter eine grundlegende Unzufriedenheit mit der Arbeit, etwa wegen einem schlechten Betriebsklima oder einer hohen Arbeitsbelastung. Es ist der Job von Gutachterinnen und Gutachtern, die Wahrheit herauszufinden.

Erwerbsminderungsrente: Gutachter-Fangfragen – Beispiele

Dass Sie in einem Gutachtergespräch wegen einer Erwerbsminderungsrente Fangfragen erwarten, ist nicht gesagt – es kann aber gut sein. Umso wichtiger ist es, zu wissen, wie man Fangfragen erkennt und wie man souverän darauf reagieren kann. Achten Sie auf Fragen, bei denen eine bestimmte Antwort nahezuliegen scheint. Oder bei denen Sie damit rechnen müssen, dass es nur eine „richtige“ Antwort geben kann – wenn Sie nun etwas anderes sagen, kann das Zweifel an Ihrer Erwerbsminderung wecken.

Hier sind einige Beispiele dafür, wie Fangfragen vom Gutachter für die Erwerbsminderungsrente klingen könnten und aus welchem Zweck sie gestellt werden:

  • „Je depressiver ich bin, umso mehr möchte ich essen“ (Hintergrund: Viele Menschen mit Depressionen haben einen verringerten Appetit. Wer diese Frage mit „Ja“ beantwortet, kann damit nahelegen, dass er in Wahrheit nicht depressiv ist)
  • „Ich fühle mich morgens nach einem guten Schlaf am besten, obwohl ich depressiv bin“ (Hintergrund: Schlafstörungen sind ein typisches Symptom für Depressionen, weshalb ein guter Schlaf unwahrscheinlich ist. Viele depressive Menschen haben morgens nach dem Aufwachen ihre schlechteste Phase, weshalb bei dieser Frage eine „Ja“-Antwort problematisch für den Anspruch auf EM-Rente sein kann)
  • „Wenn ich Stimmen höre, fühlt es sich an, als würden meine Zähne aus dem Körper heraustreten“ (Hintergrund: Ein „Ja“ auf diese Frage kann auf eine Psychose hindeuten, was aber in dieser spezifischen Symptomatik nicht sonderlich glaubwürdig wäre – wer Stimmen hört, hat in der Regel nicht zugleich das Gefühl, seine Zähne würden aus seinem Körper heraustreten. Antwortet ein Versicherter mit „Ja“, kann das den Verdacht nahelegen, dass er seine Situation als möglichst schwerwiegend darstellen möchte)

Mitunter nutzen Gutachterinnen und Gutachter vorgefertigte Tests, die Fangfragen enthalten. Ein Beispiel ist der Strukturierte Fragebogen Simulierter Symptome, kurz SFSS, den manche Psychiater verwenden, um Patienten zu begutachten. Die Nutzung eines solchen Tests ist nicht verpflichtend und geschieht längst nicht in allen Fällen. Wird er verwendet, soll das den Versicherten als Simulanten überführen, indem er sich in Widersprüche verstrickt. Es gibt dabei Fragen, die in leicht abgewandelter Form mehr als einmal gestellt werden. Hier kommt es auf konsistente Antworten an.

Fangfragen vom Gutachter bei Erwerbsminderungsrente: Tipps zur Vorbereitung

Welchen Eindruck ein Gutachter oder eine Gutachterin von Ihnen hat, beeinflusst maßgeblich, ob Ihr Antrag auf EM-Rente bewilligt oder abgelehnt wird. Entsprechend wichtig ist eine gründliche Vorbereitung. Bereiten Sie sich gut darauf vor, welche Fragen im Gutachtergespräch auf Sie zukommen könnten. Überlegen Sie sich, was der Gutachter oder die Gutachterin mutmaßlich hören möchte, um eine Erwerbsunfähigkeit oder -minderung anzunehmen. Wenn Ihre wahrheitsgemäße Antwort mutmaßlich von dem abweicht, was der Gutachter im Sinn hat, sollten Sie besonders vorsichtig sein. Bleiben Sie nichtsdestotrotz unbedingt sachlich und ehrlich – Übertreibungen sind in vielen Fällen unglaubwürdig und helfen Ihnen nicht weiter.

Fangfragen können die Form von Ja-Nein-Fragen annehmen. Bei einem solchen Frageschema sollten Sie sich Zeit für Ihre Antwort nehmen, denn was von den Erwartungen des Gutachters abweicht, macht verdächtig. Lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen, indem Sie impulsive Antworten geben und damit in eine Falle tappen.

Warum Sie auf der Hut sein sollten, wenn der Gutachter verständnisvoll wirkt

Im Vorfeld eines Gutachtertermins sollten Sie sich nicht nur mit möglichen Fangfragen befassen, sondern auch mit den weiteren Bestandteilen eines solchen Gesprächs. Wichtig ist auch, dass Sie Ihre Erkrankung möglichst gut dokumentieren können. Haben Sie seit Ihrem Antrag weitere relevante medizinische Unterlagen erhalten, nehmen Sie diese zum Termin mit der Gutachterin oder dem Gutachter mit. Das kann zum Beispiel Kopien von Röntgenbildern, MRT-Bildern oder aktuellen Befunden betreffen.

Lassen Sie sich nicht davon einlullen, wenn der Gutachter freundlich und verständnisvoll wirkt. Das kann eine Taktik sein, um eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen, in der sich Antragsteller eher verplappern. Ihre Chancen auf eine positive Beurteilung durch den Gutachter sind am besten, wenn Sie sich authentisch verhalten und entspannt bleiben. Achten Sie auch darauf, wie Sie sich rund um den Termin verhalten – der Gutachter könnte Sie zum Beispiel schon beobachten, bevor Sie ihm gegenübersitzen, und daraus gegebenenfalls Schlüsse ziehen, die nicht in Ihrem Sinne sind.

Es hängt viel davon ab, wie der Gutachter Sie beurteilt. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich im Vorfeld Unterstützung bei Fachleuten und Beratern zu suchen, die Ihnen bei der Vorbereitung auf den Gutachtertermin helfen. Das kann einen positiven Ausgang wahrscheinlicher machen.

Bildnachweis: Drazen Zigic / Shutterstock.com

Nach oben scrollen