Beleidigung am Arbeitsplatz: Das geht zu weit

„Es war mir eine Lehre, Sie kennengelernt zu haben!“ – gilt das schon als Beleidigung am Arbeitsplatz? Vermutlich nicht, jedoch hängt die Auslegung, wie so häufig in der Rechtsprechung, vom Einzelfall ab. Was in der einen Firma noch zum derberen Umgangston gehört, kann in einem anderen Unternehmen schon ein Grund für eine Abmahnung sein. Wie die Beleidigung am Arbeitsplatz definiert ist, welche Konsequenzen drohen und wie sich Mitarbeiter, die beleidigt werden, verhalten können, erfahren Sie hier.

Ein Chef schreit seine Mitarbeiter an, es fallen Beleidigungen am Arbeitsplatz

Was gilt als Beleidigung am Arbeitsplatz?

Die Frage, was als Beleidigung am Arbeitsplatz gilt und was noch als böser Scherz durchgehen könnte, lässt sich gar nicht so leicht entscheiden. Schauen wir uns zunächst an, wie der Gesetzgeber „Beleidigungen“ definiert. Diese Regelung findet sich in § 185 Strafgesetzbuch (StGB).

Dort ist zu lesen, dass die Beleidigung eine Straftat ist, die die Ehre des Opfers verletzt oder darauf abzielt, diese zu verletzen. Es ist nicht maßgeblich, wie das Opfer die potenzielle Beleidigung auffasst. Vielmehr gilt eine Äußerung oder Handlung nur dann als Beleidigung, wenn eine auch dritte Person diese als Beleidigung bewertet.

Anders ausgedrückt: Es reicht nicht aus, dass Sie sich von einer Handlung oder einer Äußerung beleidigt fühlen. Auch eine andere, außenstehende Person muss den Vorfall so wie Sie bewerten, damit man von einer Beleidigung sprechen kann.

Aber auch das allein reicht häufig noch nicht aus, um eine Bemerkung unter der Gürtellinie von einer handfesten Beleidigung am Arbeitsplatz zu unterscheiden – jedenfalls juristisch betrachtet. Gerichte urteilen nämlich immer wieder unterschiedlich, wenn es um Beleidigungen am Arbeitsplatz geht. So wird in der Regel auch das Arbeitsumfeld berücksichtigt, wenn es um die jeweilige Äußerung oder Handlung geht.

Gerichtliche Überprüfung der Beleidigung

Das Gericht prüft bei einer Beleidigung – übrigens nicht nur am Arbeitsplatz – folgende Umstände:

  • Vorangehende Situation: Kam die Beleidigung vollkommen aus dem Blauen oder haben sich beide Mitarbeiter schon vorher gestritten? Hat vielleicht der eine Kollege den anderen provoziert? Zu dieser Frage gehört auch, ob sich die Kollegen schon früher gegenseitig beleidigt oder beschimpft haben.
  • Üblicher Umgangston: Ist es normal, dass sich die Kollegen scherzhaft abwertend ansprechen oder ist im Unternehmen ein höflicher Umgangston vorherrschend?
  • Beidseitiger Bildungsstand: Ebenfalls wichtig für die Entscheidung des Gerichts ist die Bildung der Beteiligten.
  • Sonstige Beweislage: Kann die Beleidigung am Arbeitsplatz nachgewiesen werden? Gibt es schriftliche Belege, zum Beispiel eine E-Mail oder SMS oder können andere Kollegen oder Vorgesetzte die Beleidigung bezeugen?

Wann mache ich mich mit einer Beleidigung strafbar?

Wann eine Beleidigung am Arbeitsplatz strafbar ist, hängt also vom Einzelfall ab. Pauschal lässt sich kaum sagen, wann eine Aussage noch als derbe Bemerkung durchgeht und wann die Grenze zur Beleidigung überschritten ist.

So ist es auch zu erklären, dass einige Gerichte die Aussage „Arschloch“ als Grund für eine fristlose Kündigung gelten lassen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.05.2016 – 4 Sa 350/15), während andere darin lediglich einen Grund für eine Abmahnung sehen.

Übrigens: Nicht nur Äußerungen können als Beleidigung gewertet werden. Es gibt auch immer wieder Gerichtsurteile, in denen der ausgestreckte Mittelfinger oder die ausgestreckte Zunge ausreichen, um dem Mitarbeiter zu kündigen (VG Ansbach, Beschluss vom 07.08.2012, Aktenzeichen: AN 8 P 12.00441).

Weitere Beispiele für Beleidigungen am Arbeitsplatz

In den verschiedenen Urteilen finden sich einige Beispiele für Beleidigungen am Arbeitsplatz. Eine Auswahl:

  • In einem sozialen Netzwerk bezeichnete ein Kollege den anderen als „Klugscheißer“, wurde jedoch nicht gekündigt.
  • Auch „Idiot“, „blöde Kuh“ oder gar die Entgegnung „Jawohl, mein Führer“ waren für Gerichte kein Grund, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses als rechtmäßig zu bewerten.
  • Ebenso verhielt es sich mit „Schwein“ und „Drecksau“. Auch nach diesen Äußerungen konnten Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz behalten.
  • Ein Azubi, der über dem Arbeitsplatz eines türkischstämmigen Kollegen ein Schild mit der Aufschrift „Arbeit macht frei – Türkei schönes Land“ hängte, verlor seinen Ausbildungsplatz fristlos.

Die Konsequenzen: Das droht bei Beleidigungen am Arbeitsplatz

Bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, haben Arbeitgeber natürlich noch andere Mittel, mit denen sie einer Beleidigung am Arbeitsplatz begegnen können:

  1. Die Abmahnung: Das wohl mildeste Mittel bei einer Beleidigung ist die Abmahnung. Damit gibt der Vorgesetzte seinem Mitarbeiter zu verstehen, dass er das abgemahnte Verhalten nicht duldet und möchte, dass er es abstellt. Sollte der Mitarbeiter sich jedoch weiterhin und trotz Abmahnung uneinsichtig zeigen, droht ihm die Kündigung.
  2. Die verhaltensbedingte Kündigung: Stellt der Mitarbeiter sein beleidigendes Verhalten nicht ab, kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Achtung: Auch wenn es häufig anders berichtet wird, muss der Mitarbeiter dazu nicht erst drei Abmahnungen sammeln. Abhängig von der Schwere der Pflichtverletzung reicht auch eine einzige Abmahnung aus. In einzelnen Fällen kann sogar auch diese unterbleiben.
  3. Die fristlose Kündigung: Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann der Arbeitgeber auch fristlos kündigen. Dazu muss es ihm durch die Beleidigung unzumutbar geworden sein, das Arbeitsverhältnis weiter aufrecht zu erhalten.

Wie wir gesehen haben, entscheidet der Einzelfall, wie mit einer Beleidigung am Arbeitsplatz umzugehen ist. Arbeitgeber, die ihrem Mitarbeiter kündigen wollen, sind daher gut beraten, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren.

Arbeitnehmer, die eine Kündigung wegen einer Beleidigung am Arbeitsplatz erhalten haben, sollten ebenso vorgehen. Unter Umständen ist die Kündigung nicht ohne Weiteres gerechtfertigt und eine Kündigungsschutzklage hat Aussicht auf Erfolg.

Mein Kollege beleidigt mich: Was kann ich tun?

Arbeitnehmer, die sich immer wieder die Anfeindungen ihrer Kollegen gefallen lassen müssen, fragen sich irgendwann, was sie dagegen tun können. Die ständigen Sticheleien nagen irgendwann am Selbstwertgefühl und können den Spaß an der Arbeit verderben.

Noch schlimmer wird es, wenn die Beleidigungen nicht nur von Kollegen kommen, sondern der Chef selbst sich auch beteiligt. Dann kommt zu dem Ärger über die Äußerungen auch noch die Angst dazu, den Job zu verlieren.

In beiden Fällen können Arbeitnehmer aktiv werden und Beweise gegen den Übeltäter sammeln. Das können Sie tun:

  1. Kommunikation starten: Solange die Situation noch nicht ganz verfahren ist, hilft vielleicht ein offenes Gespräch unter vier Augen. Unter Umständen haben Sie einfach nur etwas falsch verstanden und die Äußerung war gar nicht so gemeint, wie Sie sie aufgefasst haben. Eine offene und ehrliche Rückfrage kann in diesem Fall helfen, die Situation zu klären, bevor sich die Fronten verhärten. Achtung: Nutzen Sie dabei am besten die Feedback-Regeln und formulieren Sie so, dass sich Ihr Gesprächspartner nicht angegriffen fühlt. Dazu schildern Sie, wie die Äußerung auf Sie gewirkt und was sie bei Ihnen ausgelöst hat. Ihr Gegenüber hat dann die Chance, sich zu erklären und im günstigsten Fall den Konflikt aus der Welt zu schaffen, bevor er eskaliert.
  2. Auf Entfernung gehen: War das Gespräch nicht erfolgreich, können Sie zum betreffenden Kollegen auf Abstand gehen. Bieten Sie ihm erst gar keine Angriffsfläche und halten Sie sich – wenn möglich – im Hintergrund. Wenn die Beleidigungen vom Chef ausgehen, sollten Sie natürlich trotzdem darauf achten, dass Sie Arbeitsaufträge schnell und korrekt ausführen. Wenn Sie sich zu sehr zurückziehen, könnte Ihnen das noch zusätzlich als Faulheit ausgelegt werden.
  3. Verhalten spiegeln: „Wie du mir, so ich dir“ – vielleicht hilft auch das, um den Beleidigungen ein Ende zu setzen. Wenn Sie sich genauso verhalten wie der Kollege, merkt er hoffentlich, wie verletzend seine Äußerungen sind. Selbstverständlich ist das keine Strategie, die Sie auch bei Ihrem Vorgesetzten anwenden sollten.
  4. Beweise sammeln: Dieses Vorgehen lohnt sich hingegen sowohl bei Kollegen als auch beim Chef. Wenn Sie beleidigt werden, führen Sie genau Buch darüber: Wer hat was in welcher Situation zu Ihnen gesagt? Gibt es Zeugen, die den Vorfall bestätigen können, oder haben Sie sogar schriftliche Beweise für die Beleidigung am Arbeitsplatz? So haben Sie im Fall der Fälle etwas in der Hand, um die Beleidigungen am Arbeitsplatz belegen zu können.

Bildnachweis: Pressmaster / Shutterstock.com

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