Vorurteile: Definition, Ursachen & was man dagegen tun kann
Vorurteile spielen im Miteinander in Job und Privatleben in vielen Fällen eine Rolle. Selbst die offensten und tolerantesten Menschen neigen meist zu gewissen Vorurteilen über andere Menschen, gegen die sie sich kaum erwehren können. Das kann Folgen haben – für diejenigen, auf die sich die Vorurteile beziehen, aber auch für diejenigen, die zu Vorurteilen neigen. Was ist ein Vorurteil? Wie sehen typische Vorurteile aus? Wie kommt es dazu und wie kann man Vorurteile abbauen? Hier erfahren Sie mehr zum Thema.
Vorurteile Definition: Was sind Vorurteile?
Was hat der Begriff Vorurteile für eine Bedeutung? Was bedeutet es, ein Vorurteil zu haben?
Fangen wir mit einer Definition des Vorurteils an. Laut Duden handelt es sich dabei um eine voreilig gefasste oder übernommene Meinung über etwas oder jemanden, die meist von feindseligen Gefühlen geprägt ist. Die objektiven Tatsachen werden dabei außer Acht gelassen. Ein Mensch glaubt also etwas zumeist Negatives über etwas oder jemanden, ohne zu wissen, wie sich die Situation wirklich gestaltet.
Theoretisch können Vorurteile auch einen positiven Charakter haben. Man könnte schließlich auch positiv von etwas oder jemandem voreingenommen sein, ohne dass sich diese Haltung auf objektive Tatsachen stützt. Im Sprachgebraucht ist der Begriff Vorurteile aber klar negativ behaftet. Auch in der Psychologie und Sozialpsychologie gibt es unterschiedliche Meinungen dazu, ob ein positiver Charakter von Vorurteilen mit der Begriffsdefinition vereinbar ist.
Vorurteile entstehen in einem Kontext, der über eine einzelne Person hinausgeht. Es ist vielmehr die – tatsächliche oder zugeschriebene – Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gruppe, die dazu führt, dass andere Menschen ihnen mit Vorurteilen begegnen. Wer Vorurteile hat, besitzt meist stabile negative Einstellungen gegenüber der jeweiligen Gruppe. Das wird auf den Einzelnen projiziert, der zu der Gruppe gezählt wird.
Was Vorurteile von anderen Einstellungen unterscheidet
In der Wissenschaft wird der normative Charakter von Vorurteilen hervorgehoben, um sie von anderen Einstelllungen und Urteilen abzugrenzen. Demnach spielt die soziale Unerwünschtheit einer bestimmten Einstellung die entscheidende Rolle dafür, ob etwas als Vorurteil eingestuft werden kann oder nicht. Somit sind Vorurteile soziale Urteile, die allgemeinen Wertvorstellungen zuwiderlaufen und damit sozial unerwünscht sind.
Eine Einstellung kann nach dieser Deutung dann als Vorurteil aufgefasst werden, wenn sich jemand über jemand anderen ein Urteil bildet, ohne dass er verlässliche Fakten zur Verfügung hätte, die dieses Urteil rechtfertigen würden. Ebenso kann ein Vorurteil damit zusammenhängen, dass jemand bei der Beurteilung und Behandlung von Menschen oder Personengruppen unterschiedliche Maßstäbe ansetzt. Es kann jemandem auch an Toleranz oder Einfühlungsvermögen mangeln, so dass es zu vorurteilsbehafteten Einstellungen kommt.
Vorurteile: Beispiele dafür, wie sie aussehen können
Es gibt viele Beispiele für Vorurteile. Weit verbreitete, typische Vorurteile sind zum Beispiel die folgenden Annahmen, zu denen manche Menschen neigen:
- Arbeitslose sind faul
- Ausländer, die nach Deutschland kommen, sind Sozialschmarotzer
- Obdachlose sind alle Trinker
- Ausländer, die nach Deutschland kommen, wollen sich nicht integrieren
- Osteuropäer neigen häufiger zu Diebstahl als Deutsche oder Menschen aus anderen Ländern
- Ausländer nehmen Deutschen die Arbeitsplätze weg
- Jüngere Menschen sind fauler als Menschen es früher waren
- Frauen, die Kopftuch tragen, sind unterdrückt und haben rückständige Ansichten
- Frauen sind emotionaler als Männer
Es gibt auch für positive Vorurteile Beispiele:
- Kinder mit Brille sind besonders intelligent
- Gut gekleidete Personen sind erfolgreich
- Männer können besser Autofahren als Frauen
Gemein ist Vorurteilen, dass sie im Kontext einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit entstehen, die zugeschrieben oder tatsächlich vorhanden sein kann. Das kann zum Beispiel das Geschlecht einer Person betreffen, ihre Religionszugehörigkeit oder ihren ethnischen Hintergrund. Auch mit dem Alter einer Person oder ihrer Staatszugehörigkeit können Vorurteile verknüpft sein. So gibt es zum Beispiel gängige Vorurteile über Deutsche (pünktlich), Engländer (höflich) oder Schweizer (reich). Es gibt Vorurteile, die Frauen betreffen, ebenso wie Vorurteile gegenüber Männern. Ebenso kann das Äußere eine Rolle spielen.
Wie entstehen Vorurteile?
Jeder Mensch hat Vorurteile – manche mehr, andere weniger. Dass Menschen grundsätzlich zu Vorurteilen neigen, hängt mit verschiedenen Ursachen und Faktoren zusammen. So spielt zum Beispiel die soziale Gruppe eine Rolle, der sich jemand zugehörig fühlt. Das kann zum Beispiel eine bestimmte Schicht, Ethnizität oder Religionsgemeinschaft sein. In dieser übergeordneten Gruppe können bestimmte Haltungen gegenüber anderen Gruppen bestehen, die die Gruppenmitglieder übernehmen.
Jemand kann von sich aus Vorurteile entwickeln, man geht aber in der Psychologie davon aus, dass Vorurteile häufiger von anderen übernommen werden. In der Lernpsychologie wird angenommen, dass solche sozialen Wertungen insbesondere durch Einflüsse wie die Familie und Freunde entstehen. Mit anderen Worten: Die Einstellungen von engen Bezugspersonen können die eigenen Sichtweisen prägen.
Besonders stark ist dabei oft der Einfluss der elterlichen Ansichten im Laufe des Heranwachsens. Die Eltern fungieren als Vorbilder, mit denen sich Kinder vor allem in jüngeren Jahren häufig identifizieren. Kinder beobachten ihre Eltern genau und neigen zu einer Imitation von ihrem Verhalten; ihre Einstellungen werden oft zumindest im Ansatz übernommen. So haben zum Beispiel ausländerfeindliche Einstellungen der Eltern einen relativ großen Einfluss auf die Ansichten der Kinder, und das oft noch im Erwachsenenalter. Der Erziehungsstil der Eltern spielt bei der Ausbildung von Vorurteilen ebenfalls eine Rolle.
Einen Einfluss hat auch, was jemand als Mehrheitsmeinung wahrnimmt. In der Schule zum Beispiel können bestimmte Meinungen (scheinbar) vorherrschen. Wer dazugehören will, übernimmt solche Haltungen tendenziell. Auch Medien spielen bei der Entstehung von Vorurteilen eine Rolle, indem sie bestimmte Personengruppen mit bestimmten Eigenschaften in Verbindung bringen. Vorhandene Vorurteile können auf diese Weise verstärkt werden.
Warum Menschen andere Menschen in Schubladen stecken
Vorurteile setzen voraus, dass Menschen einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden, die für die betreffende Person mit bestimmten Merkmalen verknüpft ist. Dabei ist die Wahrnehmung häufig verzerrt: Es wird oft angenommen, dass sich die Mitglieder der jeweiligen Gruppe ähnlicher sind, als das tatsächlich der Fall ist. Zugleich wird oft angenommen, dass es zwischen verschiedenen Gruppen größere Unterschiede gibt, als es der Realität entspricht.
In der Beurteilung von Mitgliedern fremder Gruppen neigen Menschen dazu, diese in Form von Stereotypen zu beurteilen. Zugleich fällt die Bewertung extremer aus: Angenommene negative Eigenschaften werden ebenso verstärkt wahrgenommen wie positive. Das hängt mit mangelnden Erfahrungswerten zusammen: Die Betroffenen wissen über die fremde Gruppe weniger als über die Gruppe, zu der sie sich selbst zugehörig fühlen.
Dass Menschen andere Menschen überhaupt in Schubladen stecken, ist ein automatischer Mechanismus, der mit der Funktionsweise des Gehirns zusammenhängt. Für das Gehirn ist es essenziell, neue Informationen möglichst rasch einzuordnen. Dazu werden Kategorien gebildet. Diese Kategorien können im Fall von Vorurteilen zum Beispiel das Geschlecht, die Herkunft oder das Alter einer Person betreffen, aber auch ihre sexuelle Orientierung, ihre Hautfarbe oder bestimmte politische Ansichten. Mit solchen Kategorien kommen schon Kinder in Berührung, die die damit verbundenen Wertungen oft bis ins Erwachsenenalter beibehalten.
Darum ist es so wichtig, Vorurteile abzubauen
Man kann sich darüber streiten, ob Vorurteile auch positiv sein können. Fakt ist: Es gibt pauschale Annahmen über Mitglieder bestimmter Gruppen, die positiv konnotiert sind. In den meisten Fällen aber sind Vorurteile negativ – ebenso wie die Auswirkungen, die sie haben können. In vielerlei Hinsicht können Vorurteile Nachteile mit sich bringen.
Vorurteile gegenüber bestimmten Personen(gruppen) können dazu führen, dass Menschen andere Menschen ausgrenzen. Sie können den Kontakt meiden, schlecht über diese Personen sprechen oder aktiv darauf hinwirken, dass diese Menschen Nachteile haben. Für diejenigen, die sich mit Vorurteilen konfrontiert sehen, können schlechtere Chancen im Leben die Folge sein. Eine Bewerberin mit Kopftuch hat es oft schwerer als eine Bewerberin ohne Kopftuch, und ein Bewerber mit ausländisch klingendem Namen wird tendenziell seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen als ein „deutscher“ Kandidat.
Vorurteile können Gefühle verletzen, aber nicht immer treffen sie nur denjenigen, auf den sie sich beziehen. Auch für diejenigen, die Vorurteile haben, kann das nachteilig sein. Sagen wir, ein Arbeitgeber lässt sich bei der Bewerberauswahl von Vorurteilen leiten. Das kann dazu führen, dass fähige Kandidaten wegen oberflächlicher Merkmale von vornherein ausgeschlossen werden – ein Verlust für das Unternehmen.
Unterschiede als Gewinn
In einem beruflichen Umfeld können Vorurteile einem guten Miteinander im Weg stehen. Wenn es in einem Team Personen geben, die Kollegen wegen bestimmter Merkmale vorverurteilen, kommt es womöglich gar nicht zu einem engeren Austausch, der jedoch für beide Seiten – und das Team im weiteren Sinne – sehr bereichernd sein könnte. Auch Konflikte können die Folge von Vorurteilen am Arbeitsplatz sein, ebenso kann das Betriebsklima leiden, was die Arbeitsatmosphäre verschlechtert.
Das Gegenteil von Vorurteilen sind Offenheit, Toleranz und Diversität. Je stärker Menschen sich von anderen so akzeptiert fühlen, wie sie sind, und je mehr es um den Menschen und nicht um eine (vermeintliche) Gruppenzugehörigkeit geht, desto besser ist das für das Miteinander. Diversität bedeutet, Unterschiede anzuerkennen, und zwar ohne sie zu bewerten. Unterschiede sind nicht nur unvermeidbar, sie können auch ein Gewinn sein, der aus der Vielfältigkeit resultiert. In einem Team im Job kann Diversität zum Beispiel dazu führen, dass die Beteiligten bessere Ideen entwickeln, als es in einer homogeneren Gruppe der Fall gewesen wäre. Das kann unmittelbar zum Erfolg von Unternehmen beitragen.
Wie kann man Vorurteile bekämpfen?
Vorurteile sind in Deutschland und auf der ganzen Welt weit verbreitet. Dass sie entstehen, lässt sich nicht immer gänzlich verhindern. Dennoch ist es wichtig, Vorurteile einzudämmen und bestehende Vorurteile abzubauen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten, aber es kann ein schwieriger und langwieriger Prozess sein, sich von hartnäckigen Vorstellungen zu lösen.
In erster Linie müssen Betroffene erkennen, dass sie Vorurteile haben können oder tatsächlich haben. Nicht wenige Menschen, die sich für offen und tolerant halten, glauben, dass sie selbst keine Vorurteile haben. Das ist bei genauerer Betrachtung aber oft falsch, zumal es sehr schwer ist, sich jeglicher Vorurteile zu erwehren. Jeder Mensch neigt zu Vorurteilen, egal, wie gut seine Vorsätze diesbezüglich sind. Das Bewusstsein dafür ist ein essenzieller erster Schritt, um Vorurteile abbauen zu können.
Im nächsten Schritt ist es wichtig, sich im Denken und Handeln möglichst nicht von Vorurteilen lenken zu lassen. Menschen sollten andere nicht in Schubladen stecken oder sie wegen bestehender Vorurteile anders behandeln als es bei einer unvoreingenommenen Herangehensweise der Fall wäre. Zugleich ist es wichtig, nicht dazu beizutragen, dass Vorurteile verbreitet werden. Das kann zum Beispiel bedeuten, die eigenen Worte im Gespräch mit anderen mit Bedacht zu wählen, um nicht Stereotype oder Klischees zu nähren.
Durch Rückfragen zum Nachdenken anregen
Ebenso wichtig ist es, nicht wegzuschauen, wenn man mit Vorurteilen anderer konfrontiert wird. Angenommen, jemand bekommt mit, wie ein anderer vorverurteilt, beleidigt oder diskriminiert wird – zum Beispiel im Bekanntenkreis, an der Arbeit oder auf offener Straße. Dann kann es sinnvoll sein, den Austausch mit denjenigen zu suchen, die Vorurteile haben und ausleben. Das muss (und sollte) nicht in einer konfrontativen Art und Weise geschehen.
Ein sachliches Gespräch, in dem man sich in die andere Person hineinversetzt, bringt oft weit mehr als eine hitzige Diskussion, bei der sich die Fronten nur weiter verhärten. Es kann hilfreich sein, der anderen Person Fragen zu stellen, um sie zum Nachdenken anzuregen. Gegenbeispiele zu bringen, um Vorurteile abzubauen, ist hingegen oft nicht besonders nützlich – die andere Person stuft solche Schilderungen womöglich als Ausnahmen ein.
Wenn es um Vorurteile am Arbeitsplatz geht, sind auch Arbeitgeber gefragt, etwas dagegen zu tun. Sie können ihre Mitarbeiter zum Beispiel für das Thema sensibilisieren, etwa durch Schulungen, aber auch die gelebten Werte des Unternehmens. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Arbeitgeber und Führungskräfte innerhalb des Unternehmens ihrer Vorbildfunktion gerecht werden. Sie können auf faire Einstellungsprozesse ebenso achten wie auf Diversität und Inklusion im Arbeitsalltag. Wenn Führungskräfte mitbekommen, dass Vorurteile bei Mitarbeitern bestehen, kann ein offenes Gespräch unter vier Augen eine gute Idee sein.
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