Perfektionismus ablegen und überwinden: So kann es gelingen

Perfektionismus kann in einigen Bereichen ein Vorteil sein – die Betonung liegt auf dem Wort „kann“. Denn Perfektionismus kann dazu führen, dass wir Dinge nicht erreichen, obwohl wir uns eigentlich besonders anstrengen. Beispielsweise wenn wir die Abgabe der Seminararbeit immer weiter nach hinten schieben, weil das Ergebnis noch nicht perfekt erscheint. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass die Arbeit zu spät oder gar nicht abgegeben wird. Wie man das verhindern und übertriebenen Perfektionismus ablegen und überwinden kann, lesen Sie hier.

Eine Frau legt Bleistifte exakt zusammen, wie kann man mit Perfektionismus umgehen?

Perfektionismus: Was versteht man darunter?

Eine genaue Definition des Begriffs Perfektionismus gibt es nicht. Das liegt daran, dass Perfektionismus in verschiedenen Varianten vorkommt und ausgeprägter oder weniger ausgeprägt sein kann.

Trotzdem gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die alle Menschen, die perfektionistisch veranlagt sind, an den Tag legen. Je nach Ausprägung des Perfektionismus überwiegt die eine oder die andere Seite.

  1. Sie wollen das bestmögliche Ziel erreichen: Denken wir an Perfektionisten, haben wir das Bild einer Person im Kopf, die nicht ruht, bis ein Arbeitsergebnis die in ihren Augen nötige Vollkommenheit erreicht hat. Perfektionismus ist dadurch gekennzeichnet, dass betroffene Personen regelrecht rastlos danach streben, immer mehr zu erreichen, noch besser zu werden. Perfektionismus ist dort leicht erkennbar, wo Erfolge messbar sind, zum Beispiel im Sport.
  2. Sie zweifeln an ihrem Können: Obwohl perfektionistische Menschen nach außen selbstsicher und kompetent auftreten können, zweifeln viele im Inneren an ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen. Der Perfektionismus ist bei ihnen ein Ausdruck dafür, mit den eigenen Selbstzweifeln umzugehen. Sie versuchen Dinge immer weiter zu optimieren, weil sie sich nicht sicher sind, ob ihre Arbeit gut genug ist.

Synonyme für Perfektionismus sind zum Beispiel:

  • Pedanterie
  • Detailversessenheit
  • Pingeligkeit
  • Äußert penibel sein
  • Eine Sache minutiös verfolgen

Die Grenzen des gesunden Perfektionismus

In gewissem Maße kann Perfektionismus gut sein. Wer beruflich erfolgreich sein möchte oder zum Beispiel im Sport ein bestimmtes Ziel verfolgt, kann davon profitieren, dass er bereit ist, die Extra-Meile zu gehen und sich immer ein bisschen mehr als andere ins Zeug zu legen.

In ausgeprägter Form kann Perfektionismus aber auch krankhaft sein und mehr Nach- als Vorteile haben. In der Psychologie unterscheidet man daher zwischen dem funktionalen und dem dysfunktionalen Perfektionismus.

  1. Funktionaler Perfektionismus: Personen, die zu den funktionalen Perfektionisten gehören, verfolgen eine Sache nachhaltig und sind immer bereit, ihr Bestes zu geben – und im Notfall auch ihre Grenzen zu überschreiten. Sie verfolgen ihr Ziel jedoch nicht verbissen. Wenn sie erkennen, dass sie ein bestimmtes Ziel aktuell nicht erreichen können, akzeptieren sie dies, ohne in eine depressive Verstimmung zu fallen. Sie sehen ein, dass es momentan nicht klappt und sind gewillt, zu einem späteren Zeitpunkt einen neuen Versuch zu starten. Bei dieser gesunden Form des Perfektionismus überwiegt das Streben, immer besser werden zu wollen.
  2. Dysfunktionaler Perfektionismus: Dysfunktionale Perfektionisten hingegen können oft nicht von einem Vorhaben ablassen. Sie spüren einen inneren Zwang, ein gesetztes Ziel um jeden Preis zu erreichen. Für betroffene Menschen ist der Perfektionismus häufig ein Ersatz für fehlendes Selbstwertgefühl. Sie haben häufig zu wenig Selbstvertrauen und koppeln ihren Selbstwert an sichtbare oder messbare Erfolge. Diese Perfektionisten sind getrieben von der Angst zu versagen oder nicht gut genug zu sein.

Test: Leide ich an negativem Perfektionismus?

Für Betroffene ist schwer einzuschätzen, ob die positiven oder die negativen Aspekte des Perfektionismus überwiegen. Es gibt jedoch Indizien dafür, welche Form des Perfektionismus bei Ihnen überwiegt:

  1. Sie sind kein Teamplayer: Ihnen fällt es schwer, sich in bestehende Teams zu integrieren? Sie sind eher Einzelgänger, weil Sie dann das Ergebnis zu einem großen Teil selbst in der Hand haben? Eine Scheu vor der Zusammenarbeit mit Kollegen kann ein Indiz für negativen Perfektionismus sein.
  2. Niederlagen kratzen an Ihrem Selbstwertgefühl: Für den dysfunktionalen Perfektionismus ist kennzeichnend, dass der eigene Selbstwert an das Erreichen des anvisierten Ziels gekoppelt ist. Sollten Sie also feststellen, dass Niederlagen und Misserfolge übermäßig auf Ihr Gemüt schlagen, könnten die negativen Aspekte des Perfektionismus bei Ihnen überwiegen.
  3. Sie können schlecht mit Feedback umgehen: Auch bei diesem Punkt spielt das mangelnde Selbstwertgefühl der dysfunktionalen Perfektionisten eine Rolle. Äußert eine andere Person Kritik an ihrem Handeln, kommen sie damit nur schlecht zurecht. Sie empfinden Kritik beinah als Angriff auf die eigene Person und reagieren eher schroff darauf – selbst, wenn die Kritik konstruktiv formuliert ist und sie daran wachsen könnten.
  4. Sie gönnen sich nur selten Ruhe: Das Erreichen des gesteckten Ziels ist das Wichtigste für dysfunktionale Perfektionisten. Sie zögern daher nicht, sich selbst immer weiter anzutreiben, um das Ziel zu realisieren – auch wenn das kaum möglich ist. Das führt dazu, dass sich dysfunktionale Perfektionisten häufig selbst ausbeuten und nicht selten einen Burn-out erleiden.

Je stärker diese Punkte auf sie zutreffen, umso wahrscheinlicher ist es, dass Sie an einer nicht mehr gesunden Form des Perfektionismus leiden. In diesem Fall kann es helfen, mit einem Psychologen oder Psychotherapeuten Rücksprache zu halten und den Umgang mit einem potenziell dysfunktionalen Perfektionismus zu erlernen.

Tipps und Beispiele: Übertriebenen Perfektionismus ablegen und überwinden

Dysfunktionaler Perfektionismus lässt sich nicht so einfach ablegen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass unsere Tipps nicht helfen, sollten Sie sich in jedem Fall professionelle Hilfe suchen. Sollte Ihr Streben nach Perfektionismus kontrollierbar sein, können Sie selbst daran arbeiten, ihr Verhalten anzupassen.

  1. Nicht perfekte Dinge aushalten: Versuchen Sie, Ihre Toleranz für nicht perfekte Dinge zu stärken. Ein Beispiel: Sie haben einen alten Freund zum Abendessen eingeladen. Normalerweise würden Sie schon einige Tage vorher mit der Vorbereitung beginnen: Menüplan erstellen, einkaufen, Wohnung putzen und ein Outfit für den Abend zurechtlegen. Versuchen Sie dieses Mal bewusst, nicht das komplette Programm zu absolvieren. Denn damit setzen Sie sich unter Druck. Statt des frisch gebügelten Hemds tut es bei diesem Besuch auch ein sauberes T-Shirt. Auch die Wohnung muss nicht glänzen und klinisch rein sein. So lernen Sie nach und nach, mit Ergebnissen umzugehen, die objektiv gut sind, aber eigentlich nicht Ihren Ansprüchen genügen.
  2. Vergleich mit anderen vermeiden: Übertriebener Perfektionismus hat viel damit zu tun, dass sich Betroffene beinah zwanghaft mit anderen vergleichen. Doch selbst Perfektionisten können nicht auf jedem Gebiet besser sein als andere Menschen. Ein Beispiel: Wer sich als Referenzwert für den nächsten Marathonlauf die Zeit des deutschen Meisters aussucht, kann nur scheitern. Diese Zeit stammt von einem Profiathleten, der die meiste Zeit des Tages trainiert. Ein Hobbysportler kann diese Zeit einfach nicht erreichen. Strebt man als Perfektionist jedoch genau dieses Ziel an, ist das ein sicherer Weg, unglücklich zu werden.
  3. Realistische Ziele setzen: Wer einen übertriebenen Perfektionismus ablegen möchte, sollte sich Ziele setzen, die objektiv zu erreichen sind. Es bringt nichts, wenn Sie sich Dinge vornehmen, an denen Sie nur scheitern können. Das schädigt das vermutlich ohnehin schon angeknackste Selbstwertgefühl nur zusätzlich. Versuchen Sie stattdessen, einen vernünftigen Umgang mit Ihren Zielen und Wünschen zu erlernen. Wenn Sie diese dann aus eigener Kraft erreichen, können Sie stolz auf sich sein!

Bildnachweis: Antonio Guillem / Shutterstock.com

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