Zurückbehaltungsrecht: Wann Sie es geltend machen können

Zu vielen Leistungen sind Menschen gesetzlich oder vertraglich verpflichtet – zum Beispiel zur Arbeit in einem Beschäftigungsverhältnis. In manchen Fällen kann jedoch ein Zurückbehaltungsrecht gegeben sein, wenn der Vertragspartner seinerseits nicht die vorgesehene Gegenleistung erbringt. Wann ein Zurückbehaltungsrecht bestehen kann, an welche Voraussetzungen es geknüpft ist und wie Sie es geltend machen können.

Ein Mann liest einen Vertrag, was ist das Zurückbehaltungsrecht?

Zurückbehaltungsrecht: Was ist das?

Das Zurückbehaltungsrecht ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es ist in § 273 BGB geregelt, wobei je nach Fallkonstellation auch andere Regelungen relevant sein können, etwa bei gegenseitigen Verträgen oder bei Eigentümer-Besitzer-Verhältnissen.

Beim Zurückbehaltungsrecht handelt es sich um das Recht eines Schuldners, seine Leistung zu verweigern, bis der Gläubiger eine andere Leistung erbracht hat, die er dem Schuldner schuldet. Anders ausgedrückt: Wenn ein Vertragspartner oder eine andere Person, die aus anderen Gründen in der Situation beteiligt ist, nicht die vorgesehene Gegenleistung erbringt, kann man selbst Leistungen zurückbehalten. Somit ist das Zurückbehaltungsrecht ein Mittel, um Rechte durchzusetzen. Es soll verhindern, dass eine Seite benachteiligt wird.

In welchen Fällen kann ein Zurückbehaltungsrecht bestehen?

Das Zurückbehaltungsrecht gilt grundsätzlich bei allen Arten von Schuldverhältnissen. Es kann allerdings durch vertragliche Regelungen eingeschränkt werden: Es ist zulässig, wenn ein Zurückbehaltungsrecht in Verträgen umgangen oder ausgeschlossen wird. Dabei müssen allerdings §§ 307 ff. BGB zu der Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen beachtet werden.

Ein klassisches Beispiel dafür, wann ein Zurückbehaltungsrecht im Arbeitsrecht gegeben sein kann, wäre in einem Arbeitsverhältnis die folgende Konstellation: Ein Arbeitnehmer arbeitet so, wie es vertraglich vorgesehen ist. Dafür muss der Arbeitgeber ihm im Umkehrschluss den vereinbarten Lohn oder das Gehalt zahlen. Wenn er das nicht tut, indem er die Vergütung gar nicht, nicht in voller Höhe oder zu spät überweist, kann es zulässig sein, wenn Beschäftigte ihre Leistung verweigern. Umgekehrt könnte vom Zurückbehaltungsrecht auch der Arbeitgeber Gebrauch machen, wenn die Umstände es ermöglichen – zum Beispiel, indem er das Gehalt nicht (voll) zahlt, bis ein Mitarbeiter Firmeneigentum zurückgegeben hat.

Wann ein Zurückbehaltungsrecht für Arbeitnehmer gegeben sein kann

Es könnte ein Zurückbehaltungsrecht für Arbeitnehmer bestehen, wenn der Arbeitgeber seiner Pflicht nicht nachkommt, für Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen. Vielleicht gibt es eklatante Sicherheitsmängel, die der Arbeitgeber nicht behebt, obwohl er sie beeinflussen könnte. Oder es kommt zu Mobbing am Arbeitsplatz und der Arbeitgeber greift nicht ein, obwohl er von der Situation weiß. Auch in dieser Situation kann aufseiten des Arbeitnehmers ein Zurückbehaltungsrecht bestehen.

Ein anderes Beispiel für eine Situation, in der ein Zurückbehaltungsrecht gegeben sein kann, sind Mängel in Mietverhältnissen. Mitunter ist dann ein Zurückbehaltungsrecht bei der Miete gegeben. Wenn es etwa zu einem Schaden in der Wohnung kommt, kann der Mieter die Miete entsprechend mindern, bis der Vermieter den Schaden behoben hat. Auch in anderen Szenarien kann ein Zurückbehaltungsrecht bei Mängeln oder anderweitig nicht erbrachten Leistungen im beruflichen oder privaten Alltag bestehen. So könnte etwa das Zurückbehaltungsrecht eines Steuerberaters es rechtfertigen, dass dieser Unterlagen nicht an einen Mandanten aushändigt, der ihn noch nicht bezahlt hat.

Voraussetzungen: Wann kann ein Zurückbehaltungsrecht gegeben sein?

Das Zurückbehaltungsrecht ist eine Einrede, also eine rechtshindernde Einwendung, die geltend gemacht werden muss, damit das Recht greift. Die konkreten Voraussetzungen dafür, dass das möglich ist, sind in §§ 273 und 274 BGB geregelt. Daraus ergeben sich die folgenden Voraussetzungen:

  • Es muss sich um ein Schuldverhältnis handeln
  • Es muss um gegenseitige Ansprüche gehen – der Schuldner der betreffenden Leistung muss auch Gläubiger eines Gegenanspruchs sein und umgekehrt. Gegebenenfalls sind Ausnahmen denkbar, wenn etwa Ansprüche an Dritte abgetreten wurden
  • Der Anspruch des Schuldners muss tatsächlich gegeben sein; er muss fällig und durchsetzbar sein. Der Gläubiger darf nicht selbst Einreden erhoben haben
  • Konnexität: Es muss zwischen den beiden Ansprüchen einen inneren natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang geben, wodurch es ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben wäre, wenn ein Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte
  • Der Schuldner muss die Einrede geltend gemacht haben
  • Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeschlossen worden sein, zum Beispiel vertraglich oder durch gesetzliche Regelungen. In diesem Fall muss deutlich gemacht worden und unmissverständlich klar gewesen sein, dass das Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen wird. Es ist nicht zulässig, das Zurückbehaltungsrecht im „Kleingedruckten“ der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auszuschließen.

So können Sie von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen

Sie möchten von Ihrem Zurückbehaltungsrecht bei einem Werkvertrag, in einem Arbeitsverhältnis oder bei Mängeln in einem Mietverhältnis geltend machen – wie macht man das? Wie genau Sie vorgehen müssen, hängt von den Umständen im Einzelfall ab und davon, um welche Leistungen es konkret geht. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie sind Arbeitnehmer und haben das Problem, dass Ihr Arbeitgeber immer wieder zu spät den Lohn zahlt. Dürfen Sie dann einfach der Arbeit fernbleiben, weil der Chef nicht pünktlich überweist? Nicht unbedingt. Die Zurückbehaltung der Leistung Arbeit muss verhältnismäßig sein.

Sie sollten dem Schuldner außerdem die Gelegenheit geben, nachzubessern – in diesem Fall, indem Sie Ihren Arbeitgeber schriftlich dazu auffordern, Ihnen die offene Vergütung zu überwiesen. Im selben Zuge kündigen Sie an, dass Sie sich vorbehalten, bestimmte Leistungen zurückzubehalten, falls der Arbeitgeber Ihrer Aufforderung nicht nachkommt. Es ist grundsätzlich empfehlenswert, sich in solchen Fällen an einen Fachanwalt zu wenden. Ein Anwalt kann Ihnen Ihre Optionen aufzeigen, Sie individuell beraten und Ihnen zu einem juristisch wasserdichten Vorgehen verhelfen. So riskieren Sie keine Formfehler oder unzulässigen Schritte, die nachteilig für Sie sein können.

Auch in anderen Fällen kann es sinnvoll sein, sich von einem Anwalt unterstützen zu lassen, vor allem bei komplexeren Sachverhalten. Es hängt auch davon ab, wie viele Informationen Sie zum korrekten Vorgehen in vergleichbaren Situationen finden können. Wenn Sie zum Beispiel die Miete wegen Mängeln mindern wollen, dürfen Sie Ihre Zahlungen nicht einfach ganz einstellen – in den allermeisten Fällen wäre das unverhältnismäßig. Stattdessen können Sie die Miete eigenständig um einen angemessenen Betrag mindern. Für viele Mängel finden Sie im Internet Angaben dazu, welche Mietminderung angemessen ist. Auch hier ist ein Schreiben nötig, in dem Sie den Mangel darlegen, den Vermieter zur Behebung des Mangels auffordern und erklären, dass Sie die Miete mindern, bis die Sache behoben ist. 

Vom Zurückbehaltungsrecht im Job Gebrauch gemacht: Droht nun die Kündigung?

So mancher Arbeitnehmer könnte im Job theoretisch von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, zögert aber – was, wenn der Arbeitgeber darauf sauer reagiert? Greift er vielleicht sogar zur Kündigung oder mahnt er einen ab? Grundsätzlich müssen Sie sich darüber keine Sorgen machen. Wenn Sie tatsächlich ein Zurückbehaltungsrecht haben und es korrekt nutzen, darf der Arbeitgeber Ihnen dafür nicht aus Rache kündigen oder Sie abmahnen.

Anders sieht es natürlich aus, wenn Sie sich außerhalb des rechtlich Zulässigen bewegen. Vielleicht verweigern Sie die Arbeit, obwohl Sie das gar nicht dürften, oder Sie nutzen anderweitig ein Zurückbehaltungsrecht, das Sie gar nicht haben. In solchen Fällen kann eine Abmahnung oder gar Kündigung durchaus die Folge Ihres Vorgehens sein. Möglicherweise fordert der Arbeitgeber auch Schadensersatz von Ihnen. Um solche unerwünschten Folgen zu vermeiden, sollten Sie sich im Zweifel besser von einem Anwalt beraten lassen.

Neben handfesten arbeitsrechtlichen Folgen wie einer Abmahnung oder Kündigung, die oft nicht zulässig wären, könnte der Arbeitgeber auch persönlich beleidigt reagieren. Das Verhältnis zu Ihrem Arbeitgeber kann Schaden nehmen, wenn Sie Ihr Zurückbehaltungsrecht nutzen. Das sollten Sie bedenken. Wenn Arbeitnehmer von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen, ist die Beziehung zum Arbeitgeber aber oft ohnehin schon so beschädigt, dass diese Erwägung eine untergeordnete Rolle spielt.

Bildnachweis: Joao Serafim / Shutterstock.com

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