Selbstbestimmungsgesetz: Was es aussagt & wann es in Kraft tritt

Das Geschlecht, das einem bei der Geburt zugewiesen wird, ist nicht immer das Geschlecht, mit dem man sich tatsächlich identifiziert. Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll eine Änderung des Geschlechtseintrags erleichtern. Was genau es beinhaltet, ab wann es gelten soll und warum es darum Diskussionen gab, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Mehrere Blöcke mit dem Wort Selbstbestimmungsgesetz

Selbstbestimmung: Definition

Wohl jeder Mensch wünscht sich, möglichst selbstbestimmt leben zu können. Aber was heißt das eigentlich, Selbstbestimmung? Es bedeutet, dass jemand nicht fremdbestimmt ist, sondern unabhängig handeln kann. Synonyme zu Selbstbestimmung sind Eigenständigkeit, Freiheit, Eigenverantwortlichkeit und Emanzipation. Ein selbstbestimmtes Leben kann man so gestalten, wie man selbst es für richtig hält. Man kann der Mensch sein, der man sein möchte – in allen Facetten.

Ob ein selbstbestimmtes Leben möglich ist, kann große Auswirkungen haben. Es kann zum Beispiel beeinflussen, wie zufrieden jemand mit sich und seinem Leben ist. Selbstbestimmung kann Menschen auch dazu antreiben, ihre Ziele zu erreichen, was wiederum ihre Zufriedenheit erhöhen kann. Hier kommt die bekannte Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan ins Spiel: Die beiden Psychologen Edward Deci und Richard Ryan haben eine Selbstbestimmungstheorie entwickelt, die erklärt, welche Faktoren sich auf die intrinsische Motivation eines Menschen auswirken. Drei Komponenten sind nach der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan essenziell: das Streben nach Kompetenz, nach sozialer Eingebundenheit und nach Autonomie. Wie motiviert jemand ist, hängt demnach davon ab, inwieweit diese Bedürfnisse befriedigt werden können.

Selbstbestimmungsrechte spielen in Deutschland eine wichtige Rolle. Dazu gehört auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dabei handelt es sich um das Recht jedes Menschen, selbst darüber zu bestimmen, wie seine personenbezogenen Daten verwendet werden und ob sie preisgegeben werden. Ebenso essenziell ist digitale Selbstbestimmung. Auch in Bezug auf die eigene Identität ist Selbstbestimmung wichtig. Hier setzt das neue Selbstbestimmungsgesetz an.

Selbstbestimmungsgesetz: Worum geht es dabei?

Zum Recht auf die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit gehört das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Die Selbstbestimmungsrechte des Einzelnen sollen gesetzlich gestärkt werden, und zwar mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz, das die Bundesregierung im August 2023 beschlossen hat. Das Selbstbestimmungsgesetz soll das bisherige Transsexuellengesetz ablösen, das seit dem Jahr 1981 gilt. Wie ist es beim Selbstbestimmungsgesetz: Wann tritt es in Kraft? Das neue Gesetz soll ab dem 1. November 2024 gelten. Gleichzeitig tritt damit das Transsexuellengesetz außer Kraft.

Im Kern geht es beim Selbstbestimmungsgesetz um eine Vereinfachung einer Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens im Personenstandsregister. Es wird dadurch leichter, die eigene offizielle Geschlechtsidentität damit in Einklang zu bringen, wie man sich selbst identifiziert. Das Geschlecht und der Vorname können künftig wesentlich einfacher als bisher auf eigenen Wunsch angepasst werden.

Bisher hat das Transsexuellengesetz geregelt, wie man Geschlecht und Vornamen ändern kann. Betroffene müssen bislang einen Antrag stellen; es folgt ein Gerichtsverfahren und es müssen zwei psychologische Gutachten durch Sachverständige erstellt werden. Das jetzige Verfahren ist teuer, aufwendig und langwierig und wird von vielen Betroffenen als entwürdigend empfunden. Nach dem neuen Selbstbestimmungsgesetz reicht es aus, zum Standesamt zu gehen und die entsprechenden Änderungen zu Protokoll zu geben. Das geschieht im Rahmen einer sogenannten „Erklärung mit Eigenversicherung“.

Hintergrund: Warum die Regierung das Selbstbestimmungsgesetz auf den Weg gebracht hat

Das neue Selbstbestimmungsgesetz dient dem Schutz aller Menschen ungeachtet ihrer geschlechtlichen Identität. Laut Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sollen alle Menschen in ihrer Geschlechtsidentität geachtet und respektvoll behandelt werden. Als Menschenrechtsgesetz soll das Selbstbestimmungsgesetz die Grundrechte der Betroffenen schützen. Das dient nicht zuletzt dem Schutz von Minderheiten, die im Alltag häufig diskriminiert werden.

Durch die Vorgaben des bisher geltenden Transsexuellengesetzes sind die Hürden für eine Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens hoch. Das wirkt auf viele Betroffene abschreckend, außerdem kann es als diskriminierend empfunden werden, welcher Aufwand für eine Änderung nötig ist. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz werden diese Hürden deutlich gesenkt: Es ist künftig nur ein Gang zum Standesamt nötig. Es braucht in Zukunft weder Gutachten noch juristische Prozesse, deren Ausgang für die Betroffenen im Vorfeld ungewiss ist.

An wen richtet sich das Selbstbestimmungsgesetz?

Das Selbstbestimmungsgesetz richtet sich an trans- und intergeschlechtliche Personen und nicht binäre Personen. Was genau bedeutet das?

  • Transpersonen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Sie sind etwa offiziell männlich, fühlen sich aber weiblich.
  • Intergeschlechtliche Personen sind Menschen, die bestimmte physische Merkmale aufweisen, die nicht klar weiblich oder klar männlich sind. Das kann zum Beispiel Besonderheiten bei den Geschlechtsorganen, dem Hormonhaushalt oder den Chromosomen betreffen.
  • Nicht binär bedeutet, dass sich eine Person weder als Mann noch als Frau identifiziert.

Grundsätzlich kann nach dem Selbstbestimmungsgesetz jeder Mensch, der volljährig ist, selbst über sein Geschlecht und seinen Vornamen entscheiden. Das heißt jedoch nicht, dass eine Änderung nicht schon vorher möglich wäre. Dazu braucht es dann allerdings die Zustimmung der Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigten. Minderjährige ab 14 Jahren können die Erklärung mit Zustimmung der Sorgeberechtigten selbst abgeben, während Minderjährige unter 14 Jahren dies nicht selbst tun können. Ihre Sorgeberechtigten können die gewünschten Veränderungen jedoch für sie in die Wege leiten.

So kann man sein Geschlecht nach dem Selbstbestimmungsgesetz ändern lassen

Wer sein Geschlecht und seinen Vornamen ändern lassen möchte, kann das künftig dank des Selbstbestimmungsgesetzes relativ einfach tun. So ist der geplante Ablauf: Drei Monate vor der gewünschten Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens geben Betroffene eine Erklärung über die Änderung ab. Diese Anmeldung erfolgt mündlich beim zuständigen Standesamt. Die Dreimonatsfrist soll verhindern, dass Betroffene überstürzte Entscheidungen treffen, die nicht durchdacht sind und die sie deshalb später bereuen.

Wer nach dem Ablauf der Frist doch keine Erklärung über eine Geschlechts- und Namensänderung abgibt, für den ändert sich nichts. Nach sechs Monaten wird die Anmeldung der Änderungserklärung gegenstandslos, wenn der Antragsteller zwischenzeitlich nicht aktiv geworden ist.

Eine einmal abgegebene Änderungserklärung ist nicht unabänderlich: An das gewählte Geschlecht und den Vornamen ist man nicht zwangsläufig für immer gebunden. Für eine erneute Änderungserklärung gilt jedoch eine Sperrfrist von einem Jahr. Erst danach kann man wieder eine Änderung beim Standesamt beantragen.

Selbstbestimmungsgesetz: Diskussionen und Kritik

Am neuen Selbstbestimmungsgesetz gab und gibt es viel Kritik; der Beschluss der Bundesregierung über die Gesetzesänderung war von vielen Debatten begleitet. Am Projekt der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP gab es etwa Kritik vonseiten der CDU. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte, man dürfe nicht „einfach mal so“ entscheiden, sein Geschlecht zu ändern, „und dies möglicherweise fast jedes Jahr“.

Merz fügte an, das Geschlecht sei kein rein soziales Konstrukt und „auch nicht beliebig frei wählbar“. Der CDU-Politiker befürwortet nach eigener Aussage zwar niedrigere Hürden für eine Geschlechtsänderung als es bisher gesetzlich vorgesehen sind, das neue Selbstbestimmungsgesetz ist ihm jedoch zu simpel. Er kritisierte außerdem, dass junge Menschen, die über eine Änderung ihres Geschlechts nachdenken, künftig nicht genügend unterstützt würden.

Kritik am neuen Gesetz gibt es nicht nur von Gegnern des Selbstbestimmungsgesetzes, sondern auch von Befürwortern. So kritisieren einige Befürworter die lange Wartezeit, bis das Gesetz im November 2024 in Kraft treten soll. Nicht jedem gefällt zudem, was für bestimmte geschützte Räume wie etwa Saunen, Umkleiden und Frauenhäuser gilt: Hier soll wie gehabt das Hausrecht gelten. Der Betreiber darf also entscheiden, ob etwa Transfrauen Zutritt haben dürfen. Willkürliche Entscheidungen sollen aber verboten sein.

Bildnachweis: FrankHH / Shutterstock.com

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