Scheinselbstständigkeit – darauf solltest du achten

Selbstständige, die hauptsächlich für einen Auftraggeber tätig sind, können sich der Scheinselbstständigkeit verdächtig machen. Was das ist, welche Folgen Scheinselbstständigkeit für die Beteiligten haben kann und wie man sie vermeiden kann – darum geht es in diesem Artikel.

Ein Mann arbeitet am Laptop, was ist Scheinselbstständigkeit?

Scheinselbstständigkeit Definition: Was ist damit gemeint?

Während die Mehrheit der Beschäftigten abhängig beschäftigt ist, also als Arbeitnehmer für einen bestimmten Arbeitgeber arbeitet, sind andere Beschäftigte selbstständig. Sie arbeiten zum Beispiel als Freiberufler oder Gewerbetreibende. In der Regel sind Selbstständige für verschiedene Auftraggeber tätig und gestalten ihre Arbeit nach eigenem Ermessen.

Manchmal handelt es sich aber nur auf dem Papier um ein Dasein als Selbstständiger, weil die Betroffenen hauptsächlich für einen Auftraggeber tätig sind, der sie wie einen regulären Mitarbeiter behandelt. Die „Selbstständigen“ sind dann häufig genau wie ihre angestellten Kollegen in die Organisation und Abläufe beim Arbeitgeber eingebunden. Wie der Rest der Belegschaft müssen sie zu bestimmten Zeiten vor Ort oder erreichbar sein, können nicht kommen und gehen, wie sie wollen, und sind gegenüber dem Unternehmen weisungsgebunden.

In diesem Fall ist ein Selbstständiger zwar offiziell selbstständig, aber de facto handelt es sich um eine Scheinselbstständigkeit. Es mag einen Werkvertrag über freie Mitarbeit geben, der die Selbstständigkeit unterstreichen soll. Dennoch hat ein solcher Scheinselbstständiger weder unternehmerische Freiheit noch trägt er bei seiner Arbeit ein unternehmerisches Risiko. Die Selbstständigkeit ist damit nur vorgetäuscht, was dem betroffenen Beschäftigten bewusst sein kann, aber nicht muss.

In manchen Bereichen kommt es besonders häufig zu scheinselbstständigen Beschäftigungsverhältnissen. Freiberufler und freie Mitarbeiter sind überdurchschnittlich oft davon betroffen, zum Beispiel als Beschäftigte im Journalismus, als Texter, Grafikdesigner, Berater oder IT-Spezialist. Ebenso betrifft Scheinselbstständigkeit häufig Beschäftigte in Film und Fernsehen, in Gesundheit und Pflege, der Baubranche, bei Paketdiensten, in der Logistik sowie Lehrkräfte.

Scheinselbstständigkeit: Diese Kriterien sprechen dafür

Ob jemand scheinselbstständig ist oder nicht lässt sich nur im Einzelfall eindeutig klären. Es gibt aber verschiedene Kriterien, die auf eine Scheinselbstständigkeit hindeuten. Das sind insbesondere die folgenden Aspekte:

  • Der Betroffene ist überwiegend für einen bestimmten Auftraggeber tätig oder erwirtschaftet rund 85 Prozent und mehr seiner Einnahmen über einen bestimmten Auftraggeber.
  • Scheinselbstständige sind stark in die Organisation bei ihrem Auftraggeber eingebunden.
  • Sie haben häufig einen eigenen Arbeitsplatz inklusive eigenem PC, eigener E-Mail-Adresse und Telefonnummer beim Unternehmen. Für ihre Arbeit nutzen sie Material von diesem Arbeitgeber.
  • Sie sind de facto gegenüber dem Auftraggeber weisungsgebunden – wenn sie entsprechende Anweisungen missachten würden, würden sie ihren Job riskieren.
  • Auf Scheinselbstständigkeit deutet auch hin, wenn jemand zu bestimmten Zeiten im Unternehmen sein muss.
  • Scheinselbstständige können ihren Arbeitsplatz nicht frei wählen.
  • Sie haben dieselben oder vergleichbare Aufgaben wie festangestellte Kollegen.
  • Sie nutzen Hardware und Software, die dem Arbeitgeber eine Kontrolle ihrer Arbeit ermöglicht.
  • Auf Scheinselbstständigkeit deutet hin, wenn jemand verpflichtet ist, dem Auftraggeber von seinen Leistungen zu berichten.
  • Scheinselbstständige treten öffentlich meist nicht als Selbstständige auf – sie haben zum Beispiel keine eigene Webseite oder Visitenkarten, vermarkten sich nicht und betreiben keine Akquise.
  • Sie beschäftigten typischerweise auch keine eigenen Mitarbeiter.
  • Ein Hinweis auf Scheinselbstständigkeit kann es auch sein, wenn jemand für einen Auftraggeber arbeitet, bei dem er zuvor angestellt beschäftigt war und dieselben Aufgaben erledigt hat.

Wie wird Scheinselbstständigkeit festgestellt?

Wer stellt fest, ob jemand scheinselbstständig ist – und wie? Das geht über ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren gemäß § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Ein Statusfeststellungsverfahren kann zum Beispiel von den Beteiligten selbst angestoßen werden, also etwa dem Auftraggeber oder dem Selbstständigen. Das kann der Fall sein, weil ein Scheinselbstständiger Privilegien einklagen möchte, die ihm als De-facto-Arbeitnehmer zustehen. Oder weil der Status bei einer neuen Zusammenarbeit frühzeitig geklärt werden soll, um mögliche teure Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen zu vermeiden.

Auch bestimmte Behörden können ein Statusfeststellungsverfahren anstoßen. Wenn Anhaltspunkte auf Scheinselbstständigkeit zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung auffallen, kann etwa die Krankenkasse ein solches Verfahren in die Wege leiten. Dazu sind auch andere Behörden wie zum Beispiel die Deutsche Rentenversicherung Bund, der Zoll, das Finanzamt, Sozialversicherungen und Gerichte berechtigt.

Kommt es zu einem Statusfeststellungsverfahren, wird umfassend geprüft, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt oder nicht. Dabei wird zum Beispiel ein möglicher Dienst- oder Werkvertrag genau unter die Lupe genommen. Außerdem geht es im Detail um die Bedingungen der Zusammenarbeit. Scheinselbstständige müssen dabei unter anderem anhand eines ausführlichen Fragebogens Auskünfte geben, die bei der Beurteilung des Status herangezogen werden.

Welche Folgen kann Scheinselbstständigkeit haben?

Viele Unternehmen arbeiten mit Freiberuflern zusammen, zum Beispiel in Form von freien Mitarbeitern. Für Firmen ist das Modell interessant, weil sie keine Sozialversicherungsabgaben für die Auftragnehmer zahlen müssen und Lohnsteuer sparen. Außerdem müssen sie Selbstständigen bestimmte Vorteile nicht gewähren, auf die festangestellte Mitarbeiter Anspruch haben. Für einen freien Mitarbeiter, der offiziell selbstständig ist, müssen Arbeitgeber zum Beispiel keine Krankenkassenbeiträge zahlen. Falls er krank wird, sind Auftraggeber nicht zu einer Lohnfortzahlung verpflichtet. Außerdem sind Selbstständige oft günstigere Arbeitskräfte.

Nun ist nicht jeder Selbstständige, der von einem Unternehmen beauftragt wird, automatisch ein Scheinselbstständiger. Es wird aber viel Missbrauch betrieben, was meist auf wirtschaftliche Interessen des Auftraggebers zurückgeht. Fällt die Scheinselbstständigkeit auf, kann das gravierende Folgen haben, und zwar für beide Seiten. Die möglichen Konsequenzen reichen von finanziellen Folgen bis hin zu strafrechtlichen Verurteilungen.

Kommt ein Statusfeststellungsverfahrung zu dem Schluss, dass bei einem Freelancer eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, wird sein Status als Selbstständiger aberkannt. Er wird stattdessen zum Arbeitnehmer, und zwar rückwirkend für die Zeit der Zusammenarbeit. Wer freiberuflich und scheinselbstständig ist, hat anschließend als Arbeitnehmer alle Privilegien eines Arbeitnehmers. Das umfasst zum Beispiel Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und den gesetzlichen Urlaubsanspruch.

Sozialversicherungsbeiträge müssen nachgezahlt werden

Der Arbeitgeber muss rückwirkend für seinen scheinselbstständigen Mitarbeiter Sozialversicherungsbeiträge zahlen, auf die Säumniszuschläge anfallen. Er muss außerdem nachträglich Lohnsteuer für sie abführen. Wichtig zu wissen: Der Arbeitgeber muss bei den Sozialversicherungsabgaben nur den Arbeitgeberanteil zahlen. Für den Rest muss der Scheinselbstständige aufkommen. Das kann für Scheinselbstständige hohe Summen bedeuten, die vor allem bei einer langen Zusammenarbeit durchaus existenzbedrohend sein können. Der Anspruch von Sozialversicherungsträgern auf eine Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge kann nach vier Jahren verjähren – es sei denn, die Scheinselbstständigkeit war nachweislich Vorsatz. Dann verlängert sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre.

Scheinselbstständigkeit kann auch strafrechtliche Folgen haben. Arbeitgeber können gegebenenfalls wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung (AO) belangt werden. Nach § 266a Strafgesetzbuch (StGB) droht auch eine Strafe für das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, was eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren zur Folge haben kann. Das setzt voraus, dass ein vorsätzliches Handeln nachgewiesen werden kann.

Für Scheinselbstständige bedeutet eine Aberkennung ihres Status als Selbstständige, dass sie nicht dazu berechtigt waren, Umsatzsteuer auf ihren Rechnungen auszuweisen. Auch mögliche Vorsteuerabzüge sind damit unzulässig. Vorsteuerbeträge müssen entsprechend korrigiert und zurückgezahlt werden.

Scheinselbstständigkeit vermeiden: Tipps

Wenn eine Scheinselbstständigkeit festgestellt wird, kann das für alle Beteiligten unangenehme Folgen haben. Umso wichtiger ist es, sie von vornherein zu vermeiden und keine Hinweise darauf zu liefern, dass es sich um ein scheinselbstständiges Beschäftigungsverhältnis handeln könnte. Dabei sind Arbeitgeber und Selbstständige gleichermaßen gefragt.

Unternehmen stellen im besten Fall gar nicht erst freie Mitarbeiter ein, die durch die Umstände ihrer Beschäftigung in Wahrheit scheinselbstständig sind. Ansonsten sollten Arbeitgeber darauf achten, dass die Kriterien für Scheinselbstständigkeit nicht erfüllt sind. Es sollte zum Beispiel keinen festen Arbeitsplatz für Selbstständige geben, keine Vorgaben zur Arbeitszeit oder zum Arbeitsort und keine Visitenkarten. Falls es einen Vertrag über die freie Mitarbeit gibt, sollte er entsprechend rechtssicher gestaltet werden, wobei sich Unternehmen anwaltlich beraten lassen sollten.

Für Selbstständige gilt: Unwissenheit schützt nicht vor einer Strafe. Sie sollten sich also genau informieren, wann eine Scheinselbstständigkeit gegeben sein kann und immer überlegen, wie eine bestimmte Beschäftigung nach außen wirken kann. Um den Eindruck einer Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, können sie zum Beispiel eine eigene Webseite betreiben, (mehr) Werbung für sich machen und Visitenkarten drucken. Grundsätzlich ist es auch wichtig, mehrere Auftraggeber zu haben und die Grundlage der eigenen Arbeit damit zu diversifizieren. Bei der Arbeit sollten Selbstständige zudem eigene Arbeitsmittel nutzen.

Falls ein Freelancer eine Scheinselbstständigkeit befürchtet, kann es eine gute Idee sein, mit dem Auftraggeber darüber zu sprechen. Es kann auch sinnvoll sein, ein Statusfeststellungsverfahren anzustoßen, um über den eigenen Status Klarheit zu bekommen und sich vor möglichen hohen Beitragsnachforderungen zu schützen. Das kann man bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen. Im Zweifel kann es sinnvoll sein, sich Rat bei einem Anwalt zu suchen. Anwaltlicher Beistand kann auch hilfreich sein, wenn bereits ein Statusfeststellungsverfahren läuft oder die Scheinselbstständigkeit sogar schon festgestellt wurde. Auch der Betriebsrat ist in solchen Fällen ein Ansprechpartner.

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