Interessenkonflikt im Unternehmen erkennen und vermeiden

Interessenkonflikte können sich in allen Lebenslagen ergeben. Für Unternehmen können sie gravierende Folgen haben, weshalb es wichtig ist, mögliche Interessenkonflikte frühzeitig zu erkennen und ihrer Entstehung vorzubeugen. Welche Möglichkeiten es dabei gibt, wie sich Interessenkonflikte manifestieren können und wie Sie selbst mit einem Interessenkonflikt am Arbeitsplatz umgehen können – das und mehr erfahren Sie hier.

Mitarbeitere unterhalten sich im Büro über einen potenziellen Interessenkonflikt

Interessenkonflikt Definition: Was ist ein Interessenkonflikt?

Was ist überhaupt ein Interessenkonflikt? Der Duden versteht unter einem Interessenkonflikt einen Konflikt, der aus einem Interessengegensatz resultiert. Dabei kann nach der Definition des Harvard-Professors und Politikwissenschaftlers Dennis F. Thompson ein primäres Interesse durch ein sekundäres Interesse beeinflusst werden. Es bestehen zum Beispiel mehrere Verpflichtungen, die im Gegensatz zu einander stehen, divergierende Ziele, Wünsche oder Vorstellungen. Dadurch wissen die Betroffenen oft nicht, wie sie handeln sollen. Eine rationale Entscheidungsfindung nach objektiven Kriterien ist meist nicht mehr möglich.

In welchen Fällen können sich Interessenkonflikte ergeben?

Wenn jemand in einem Interessenkonflikt steckt, ist das nichts Ungewöhnliches: Interessenkonflikte können sich im privaten und beruflichen Alltag an vielen Stellen ergeben. Manchmal haben diese Interessenkonflikte nur geringfügige Auswirkungen und schaden niemandem. In anderen Fällen sind die Folgen für die Betroffenen erheblich.

Zu einem Interessenkonflikt kann es immer dann kommen, wenn jemand sich zu bestimmten Dingen verpflichtet hat oder sich dazu verpflichtet fühlt, zum Beispiel aufgrund von persönlichen Beziehungen, Wertvorstellungen oder individuellen Wünschen. Parallel dazu existieren weitere Vorstellungen oder Verpflichtungen, die den anderen Interessen entgegenstehen. Beides lässt sich also nicht miteinander in Einklang bringen – an der einen oder anderen Stelle müssen Abstriche gemacht werden.

Nicht nur im Privatleben, sondern auch im Joballtag gibt es für Interessenkonflikte zahlreiche Beispiele. Wie Interessenkonflikte in Unternehmen sich manifestieren können, zeigt dir die folgende Liste von Beispielen für Fälle, in denen Entscheidungen trotz konträrer Verpflichtungen oder Ziele getroffen werden müssen.

Interessenkonflikt in Unternehmen: Beispiele

  • Beispiel Pharmaindustrie: Unternehmen der Pharmaindustrie stellen Medikamente her – ein Geschäft, bei dem es um viel Geld geht. Pharmaunternehmen sollen Produkte herstellen, die Menschen helfen. Zugleich haben sie naturgemäß ein Interesse daran, möglichst viel Gewinn zu machen. Das ist am ehesten der Fall, wenn mehr Menschen krank werden oder krank bleiben – eine Tatsache, die zu fragwürdigen Geschäftspraktiken führen kann.
  • Auch in der Medizin können sich Interessenkonflikte ergeben, zum Beispiel in Kliniken: Aufwendige Operationen sind lukrativ und oft mit einem gewissen persönlichen Prestige verbunden. Das kann dazu führen, dass Operationen durchgeführt werden, die unnötig oder zumindest von zweifelhaftem Nutzen sind.
  • Es kommt außerdem vor, dass Ärzte bestimmte Medikamente häufiger verschreiben als andere, weil es entsprechende Absprachen mit dem Hersteller gibt oder dieser Anreize setzt, seine Produkte zu bevorzugen. Für den Patienten könnte jedoch ein anderes Medikament besser sein, oder es ist eigentlich gar keine medikamentöse Behandlung nötig.
  • Auch beim Tierarzt kann es Interessenkonflikte geben. Beispiel Impfen: Viele Tierärzte drängen ihre Kunden nach wie vor jedes Jahr dazu, sämtliche Impfungen vorzunehmen. Das ist aber Untersuchungen zufolge in den meisten Fällen nicht zwingend nötig; manche Impfungen halten wohl viele Jahre oder gar ein Leben lang. Zugleich sind Impfungen eine wichtige Einnahmequelle von Tierarztpraxen.
  • Stellen wir uns vor, ein Planungsunternehmen hat einen lukrativen Auftrag zu vergeben. An wen geht er: den besten Bewerber oder die befreundete Firma?
  • Ein Interessenkonflikt könnte auch bestehen, wenn der Mitarbeiter einer Bank einem Kunden zu einer Form der Geldanlage rät, die risikoreich, aber im Interesse der Bank beziehungsweise des Beraters ist.
  • Viele gemeinnützige Organisationen kommen durch ihre (Groß-)Spender in Interessenkonflikte. Eine Organisation, bei der es um die Prävention und Behandlung von Diabetes geht, die aber zugleich von der Zuckerlobby gesponsert wird, ist beispielsweise wahrscheinlich nicht frei in ihren Empfehlungen.
  • In einem Unternehmen soll eine offene Stelle intern besetzt werden. Wer bekommt die Zusage? Der Mitarbeiter, den man persönlich sehr schätzt und mit dem man gut auskommt, der aber bestimmte Qualifikationen vermissen lässt, oder ein Mitarbeiter, mit dem man sich weniger gut versteht, der aber objektiv die bessere Arbeit leistet?
  • Eine Tierschutzorganisation sammelt Spenden für Tiere in Not, hat aber wenig Geld und zahlt ihren Mitarbeitern ein schlechtes Gehalt. In diesem Fall besteht der Interessenkonflikt für die Geschäftsführung darin, zu entscheiden, wie die vorhandenen Gelder bestmöglich eingesetzt werden können – zum Wohl der Tiere oder der Mitarbeiter, die sich für sie einsetzen.

Welche Folgen können Interessenkonflikte in Unternehmen haben?

Interessenkonflikte können unerwünschte negative Folgen haben – für diejenigen, die in einem Interessenkonflikt eine Entscheidung treffen müssen, ebenso wie für Unternehmen und Dritte, die die Auswirkungen einer bestimmten Entscheidung zu spüren bekommen.

Wer in einem Interessenkonflikt steckt, ist nicht frei in seinem Handeln. Er wird von seinen divergierenden Interessen beeinflusst. Eine rationale Entscheidung ist in vielen Fällen nicht mehr möglich. Das birgt die Gefahr, dass nicht das Vorgehen gewählt wird, welches objektiv für das Unternehmen am besten ist, sondern das, welches den individuellen Interessen des Entscheidungsträgers am ehesten entspricht.

Die Gefahr besteht, dass Entscheidungen getroffen werden, die dem Unternehmen sogar schaden oder die zulasten von Dritten gehen. Ein klassisches Beispiel ist Korruption. Der finanzielle Gewinn ist den Betroffenen dann wichtiger als ein ethisch einwandfreies Handeln.

Entscheidungen, die vor einem Interessenkonflikt getroffen wurden, können dem Unternehmen schaden. Das könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Bekannter des Chefs die Jobzusage erhält, weil der Chef sich ihm gegenüber dazu verpflichtet fühlt. Wenn diese Person nicht optimal qualifiziert für den Job ist, sinkt die Produktivität. Das Unternehmen schöpft sein volles Potenzial nicht aus. Kommen mehrere solcher Entscheidungen zusammen, kann das den Arbeitgeber in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen und Nachteile gegenüber der Konkurrenz bedeuten.

Entscheidungen, die auf persönlichen Befindlichkeiten beruhen, können zudem dem Ruf eines Unternehmens schaden. Sie können dessen Erfolg auf verschiedene Art und Weise behindern. Nicht zuletzt können Handlungen, die aus fragwürdigen Beweggründen erfolgen, ein juristisches Nachspiel für Unternehmen haben. Das kann dazu führen, dass Mitarbeiter ihren Job verlieren oder das Unternehmen eine hohe Geldstrafe zahlen muss.

Interessenkonflikt: Woran Sie ihn bemerken können

Interessenkonflikte können schädlich sein. Umso wichtig ist es, sie rechtzeitig zu bemerken und durchdacht mit der Situation umzugehen. Woran kann man erkennen, dass man selbst oder andere in einem Interessenkonflikt stecken?

Das ist oft gar nicht so einfach. Vielen Menschen fällt gar nicht auf, wenn sie sich von persönlichen Interessen leiten lassen, weil sie ihre Handlungen nicht ausreichend hinterfragen. Deshalb sollten Sie es sich zur Angewohnheit machen, ihre Motive zu analysieren, wenn wichtige Entscheidungen anstehen.

Fragen Sie sich, warum Sie so handeln, wie Sie handeln. Was beeinflusst Ihre Entscheidungen? Sind es objektive, moralisch „richtige“ Kriterien? Oder lassen Sie sich von Dingen beeinflussen, die Sie eigentlich in Ihrer Arbeit nicht beeinflussen sollten?

Dass Sie in einem Interessenkonflikt stecken, können Sie auch daran bemerken, dass Sie sich mit einer Entscheidung oder Vorgehensweise nicht wohl fühlen. Vielleicht haben Sie ein schlechtes Gewissen oder es fällt Ihnen schwer, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Wenn Sie mit Ihrem Handeln nicht glücklich sind, liegt es womöglich daran, dass Sie wissen, dass eine andere Vorgehensweise besser gewesen wäre. Ebenso ist es ein deutlicher Hinweis auf einen Interessenkonflikt, wenn Sie etwas vor Vorgesetzten oder Kollegen zu verbergen haben – aus Angst, sonst schlecht dazustehen.

Mit Interessenkonflikten umgehen: Regelungen in Unternehmen

In vielen Unternehmen gibt es Regelungen zur Prävention von und zum Umgang mit Interessenkonflikten, an die sich die Mitarbeiter halten müssen. Häufig ist für Interessenkonflikte eine Compliance-Stelle zuständig, die die zugehörigen Richtlinien erlässt, ihre Einhaltung kontrolliert sowie als Ansprechpartner bei Regelbrüchen oder Fragen fungiert.

Um Interessenkonflikten vorzubeugen, ist es sinnvoll, wenn Unternehmen Handlungsnormen in bestimmten Situationen vorgeben. Dadurch wissen die Mitarbeiter, was von ihnen erwartet wird. Es ist unbedingt empfehlenswert für Arbeitgeber, Gefahren zu definieren, die zu Interessenkonflikten führen können. Wenn die Beschäftigten wissen, in welchen Umständen Interessenkonflikte besonders wahrscheinlich sind, können sie diese eher bemerken und rechtzeitig gegensteuern. Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern dabei auch Vorschläge machen, wie sie sich verhalten können.

Um Mitarbeiter für Interessenkonflikte zu sensibilisieren, können sich auch Schulungen anbieten. Je besser die Beschäftigten wissen, auf welche Anzeichen sie achten sollten, desto effektiver kann die Entstehung von Interessenkonflikten in Unternehmen verhindert werden.

Führungskräfte als Vorbilder

Für Unternehmen ist es zur Vorbeugung von Interessenkonflikten auch hilfreich, bestimmte Dinge offenzulegen und bei bestimmten Vorgängen auf Transparenz zu setzen. Auch von den Mitarbeitern sollte das erwartet werden. Um Interessenkonflikte im Job zu vermeiden, können schon Bewerber vor einer Neueinstellung um eine Offenlegung möglicher Konflikte gebeten werden. Ebenso sollten die Mitarbeiter wissen, was zu tun ist, wenn sich im laufenden Arbeitsverhältnis ein Interessenkonflikt ergibt.

Es ist grundsätzlich hilfreich zur Prävention von Interessenkonflikten, wenn die Entscheidungsgewalt auf viele Schultern verteilt wird. Wenn es zum Beispiel mehrere Entscheidungsträger gibt, die sich auf ein Vorgehen einigen müssen, wird es unwahrscheinlicher, dass ein Beteiligter seine persönlichen Interessen zulasten des Arbeitgebers durchsetzen kann.

Ebenso ist es wichtig, dass Führungskräfte sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sind. Sie müssen den Mitarbeitern vorleben, wie diese sich verhalten sollen. Wichtige Tugenden sind in diesem Sinne zum Beispiel Offenheit, Transparenz, Kritikfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Interessenkonflikt im Unternehmen: Was tun?

Was können Sie selbst tun, wenn Sie im Job einen Interessenkonflikt haben – oder bemerken, dass andere wegen gegensätzlicher Interessen befangen in ihren Entscheidungen sind? Wie verhält man sich in einer solchen Situation am besten?

Angenommen, der Interessenkonflikt betrifft Sie selbst. Dass Sie den Interessenkonflikt bemerkt haben ist ein wichtiger erster Schritt. Nun können Sie überlegen, wie Sie damit am besten umgehen. Vielleicht nehmen Sie sich die nötige Zeit, Ihre Beweggründe und Impulse genauer unter die Lupe zu nehmen, bevor Sie sich für eine Vorgehensweise entscheiden. Im besten Fall können Sie sich von Ihrem Interessenkonflikt freimachen und so handeln, wie es objektiv am besten ist. Vielleicht sehen Sie sich dazu aber auch nicht in der Lage. Dann kann es besser sein, die Verantwortung für bestimmte Dinge in andere Hände zu legen. Sprechen Sie in diesem Fall mit Ihrem Vorgesetzten.

Vielleicht haben Sie aber auch mitbekommen, dass jemand anderes einen Interessenkonflikt hat. Wie man darauf am besten reagiert, hängt vom Sachverhalt und den Umständen ab. Wenn es zum Beispiel einen Kollegen betrifft, zu dem Sie einen guten Draht haben, können Sie versuchen, mit ihm zu sprechen. Vielleicht war ihm gar nicht bewusst, dass er in seiner Entscheidung voreingenommen ist oder Entscheidungen trifft, die nicht im Sinne des Arbeitgebers sind.

Wenn ein Gespräch mit dem Betroffenen nicht den gewünschten Effekt hat, sollten Sie überlegen, ob Sie mit dem Vorgesetzten sprechen. Geben Sie Ihrem Kollegen zuvor die Gelegenheit, sich anders zu verhalten oder es dem Chef selbst zu beichten. Wenn das nicht geschieht, kann es nötig sein, den Chef über die Situation zu informieren. Er entscheidet dann, wie er damit umgeht.

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