Hinweisgeberschutzgesetz: Aktueller Stand und mögliche Inhalte

Im Job kommen Arbeitnehmer mit vielen Informationen in Kontakt. Manchmal erfahren sie dabei Dinge über ihren Arbeitgeber, die auf Straftaten oder andere fragwürdige Verhaltensweisen hindeuten. Wenden sie sich damit an Strafverfolgungsbehörden oder die Öffentlichkeit, sind Whistleblower bislang unzureichend geschützt. Mit dem neuen Hinweisgeberschutzgesetz soll sich das ändern. Was Sie darüber wissen müssen.

Ein Mensch übergibt einen Brief, was ist das Hinweisgeberschutzgesetz?

Hinweisgeber: In Deutschland oft Repressalien ausgesetzt

Whistleblower decken Missstände auf, indem sie geheime Informationen nach außen weitergeben. Oft handelt es sich bei den Hinweisgebern um Personen, die im Rahmen ihres Jobs mit den entsprechenden Informationen in Kontakt gekommen sind. Sie haben zum Beispiel von illegalen Praktiken oder eklatanten Versäumnissen ihres Arbeitgebers oder von einer Firma erfahren.

Wenn sie ihre Beobachtungen an Strafverfolgungsbehörden wie Polizei oder Staatsanwaltschaft weitergeben, um dem Tun ihres Arbeitgebers ein Ende zu setzen, kann das juristische Konsequenzen für Whistleblower haben. Dasselbe gilt, wenn Hinweisgeber sich an Medien wenden. Bislang drohen Whistleblowern in Deutschland erhebliche Repressalien, die vom Jobverlust über juristische Prozesse bis zum Rufmord reichen können. Verbände wie Transparency International oder das Whistleblower-Netzwerk kritisieren schon lange, dass Hinweisgeber in Deutschland ihre berufliche Existenz aufs Spiel setzen müssen, wenn sie ihre Informationen weitergeben möchten.

Dass auf gesetzlicher Ebene Handlungsbedarf besteht, ist dabei schon länger klar. So beschloss die Europäische Union im Jahr 2019 eine Richtlinie, die als „Whistleblower-Richtlinie“ bekannt geworden ist. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen sie in nationales Recht umsetzen, um Whistleblower besser zu schützen. Das soll hierzulande mit dem Hinweisgeberschutzgesetz, kurz HinSchG, geschehen.

Hinweisgeberschutzgesetz: Neues Gesetz soll Whistleblower schützen

Die EU-Richtlinie zum besseren Schutz für Hinweisgeber („Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“) muss von den Mitgliedsländern der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Die Frist hierfür hat Deutschland verstreichen lassen – sie lief im Dezember 2021 aus. Dass in Deutschland schon seit Jahren über den Inhalt des geplanten Hinweisgeberschutzgesetzes gestritten wird, führt dazu, dass das Gesetz noch immer nicht in Sicht ist. Schon in der vorherigen Regierung gab es einen entsprechenden Hinweisgeberschutzgesetz-Entwurf im März 2021, der jedoch keine Mehrheit fand.

Zuletzt gab es beim Hinweisgeberschutzgesetz entscheidende Fortschritte: Der Bundestag hat es Mitte Dezember 2022 beschlossen. Zustimmen musste dem Hinweisgeberschutzgesetz neben dem Bundestag allerdings auch noch der Bundesrat, und genau hier scheiterte das Vorhaben erneut: Das Gremium lehnte den Gesetzesentwurf Mitte Februar 2023 ab. Die CDU- und CSU-regierten Bundesländer kritisieren, dass das geplante Hinweisgeberschutzgesetz über die Vorgaben der EU-Whistleblower-Richtlinie hinausgeht. Nun ist beim Hinweisgeberschutz der aktuelle Stand, dass die EU-Kommission Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hat, weil es immer noch kein Whistleblower-Gesetz gibt. Deutschland drohen nun Bußgeld-Zahlungen. Wann das Hinweisgeberschutzgesetz beschlossen wird und in Kraft treten kann, ist also weiterhin unklar. Im aktuellen Verfahren könnte der Vermittlungsausschuss angerufen werden, um einen Kompromiss zu finden.

Die möglichen Bestandteile des Hinweisgeberschutzgesetzes

Mit dem geplanten Hinweisgeberschutzgesetz des Bundesjustizministeriums sollen Whistleblower umfassend geschützt werden. Das soll durch verschiedene Regelungen gesichert werden. Ein Bestandteil des Hinweisgeberschutzgesetz-Entwurfs ist die Vorschrift für Unternehmen und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten, interne Hinweisgebersysteme zu etablieren. Darüber können Beschäftigte (oder Dritte) entsprechende Meldungen abgeben, denen die Unternehmen innerhalb einer bestimmten Frist nachgehen müssen.

Vorgesehen ist die Option, diese Hinweise mündlich, schriftlich oder persönlich abzugeben. Denkbar sind zum Beispiel Online-Formulare, über die Informationen anonym weitergegeben werden können. Wenn eine Meldung über ein Hinweisgebersystem eingegangen ist, müssen die Verantwortlichen im Unternehmen dem Hinweis nachgehen. Anschließend muss die Meldestelle den Hinweisgeber darüber unterrichten, welche Maßnahmen ergriffen wurden – zum Beispiel, dass Informationen an zuständige Behörden weitergeleitet oder dass interne Untersuchungen in die Wege geleitet wurden.

Externe Meldestelle als alternative Option für Hinweisgeber

Neben diesen internen Hinweisgebersystemen soll es nach dem Hinweisgeberschutzgesetz eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz geben. Denkbar sind ergänzend weitere Meldestellen auf Länderebene. Hinweisgeber sollen selbst entscheiden können, ob sie das interne Hinweisgebersystem ihres Arbeitgebers nutzen (sofern vorhanden) oder ob sie sich direkt an die externe Meldestelle wenden, was auch anonym möglich ist.

Diese Regelung stellt eine Abkehr von der bislang geltenden Vorgabe dar, dass Whistleblower dazu verpflichtet sind, mit ihren Hinweisen zuerst auf den Arbeitgeber zuzugehen. Das ist oft wenig zielführend oder sogar kontraproduktiv, weil viele Missstände System haben oder Straftaten ganz bewusst begangen werden. Arbeitgeber hätten unter diesen Umständen kein Interesse an Aufklärung; es könnte eine Verschleierung drohen.

Der Referentenentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes sieht außerdem vor, dass die Stellung von Whistleblowern gestärkt wird. Zum Schutz vor Repressalien aufgrund ihrer Meldung ist eine Beweislastumkehr geplant. Kommt es zu Benachteiligungen von Hinweisgebern durch den Arbeitgeber, wird unterstellt, dass es sich dabei um eine Reaktion auf das Whistleblowing handelt. Es liegt dann an Unternehmen, zu beweisen, dass das nicht der Fall ist. Außerdem sind Schadensersatzansprüche für Whistleblower denkbar, falls es zu Repressalien kommt.

Was das Hinweisgeberschutzgesetz für Unternehmen bedeutet

Noch ist das geplante Hinweisgeberschutzgesetz nicht in Kraft getreten, und nach dem jüngsten Scheitern im Bundesrat könnte es wohl auch noch eine Weile dauern, bis das der Fall sein wird. Trotzdem: Das Hinweisgeberschutzgesetz wird kommen, und Unternehmen sind gut beraten, sich heute schon darauf einzustellen und nötige Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Viele Unternehmen haben bereits auf freiwilliger Basis ein Hinweisgebersystem eingeführt. Es kann zum Beispiel Whistleblowing-Hotlines geben oder Hinweisgeber können auf digitalem Weg Meldungen abgeben. Ebenso können sich Beschäftigte in vielen Firmen an Ombudsleute oder Compliance-Abteilungen wenden, wenn sie entsprechende sensible Hinweise weitergeben möchten.

In Unternehmen, in denen es noch kein solches Meldesystem gibt, besteht Handlungsbedarf. Das gilt ganz besonders für Firmen mit mindestens 50 Mitarbeitern, für die das neue Hinweisgeberschutzgesetz gelten wird. Besonders dringend ist die Lage für große Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten: Für sie wird es – anders als bei kleineren Unternehmen – wohl keine Übergangsfrist geben, sondern das HinSchG soll für sie sofort mit dem Inkrafttreten gelten.

Ein Hinweisgebersystem einführen: Was Arbeitgeber beachten sollten

Vor allem größere Firmen, die noch kein Hinweisgebersystem haben, sollten das möglichst bald nachholen. Dabei sollten sich Verantwortliche gut überlegen, welche Art von Meldesystem sich am besten eignet. Den Mitarbeitern sollten verschiedene Kanäle zur Verfügung stehen, um Meldungen abzugeben – zum Beispiel digitale, telefonische oder persönliche. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Hinweisgebersystem tatsächlich genutzt wird. Zugleich müssen die Daten auch bei digitalen Hinweisgebersystemen ausreichend geschützt werden.

Wenn Hinweise über ein Meldesystem oder auf anderem Wege eingehen, sollten die Verantwortlichen aktiv werden. Transparente Aufklärung, nicht Verschleierung, sollte das Ziel sein. Wenn interne Hinweisgeber das Gefühl haben, dass ihr Input geschätzt und ernstgenommen wird, ermutigt das andere, entsprechende Beobachtungen zu melden. Das gibt Arbeitgebern die Gelegenheit, solche Angelegenheiten intern zu klären. Strafverfolgungsbehörden oder Medien sind zu diesem Zeitpunkt nicht involviert – und müssen das auch nie sein, wenn Unternehmen verantwortungsbewusst mit Hinweisen von Mitarbeitern umgehen.

Wichtig ist nicht nur, dass es ein internes Meldesystem für Hinweise auf Straftaten und Missstände gibt. Es kommt auch darauf an, wie die Unternehmensführung zu entsprechenden Hinweisen steht. Wenn Hinweisgeber als Denunzianten gesehen werden, die das „Nest beschmutzen“, kann sich wahrscheinlich keine offene, selbstkritische Kultur in Firmen entwickeln. Dasselbe gilt, wenn Mitarbeiter sich vor Repressalien fürchten müssen. Sie werden sich dann eher an externe Meldestellen oder Medien wenden, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Hinweise intern unerwünscht sind oder mit Argwohn betrachtet werden. Es ist Aufgabe der Verantwortlichen in Unternehmen, den Mitarbeitern deutlich zu machen, dass mögliche Meldungen positiv und nicht negativ gesehen werden.

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