Selbstkritik: So gelingt der Umgang mit dem inneren Kritiker
Selbstkritik kann Ansporn sein, uns zum Positiven zu verändern. Wer es aber mit der kritischen Betrachtung seines eigenen Verhaltens übertreibt, der hindert sich eher daran, erfolgreich zu sein. Es ist also ein schmaler Grat zwischen guter und schlechter Selbstkritik. Wie Sie ihn in Zukunft nicht mehr verlassen, erfahren Sie hier.
Selbstkritik: Was ist das?
Selbstkritik an dem eigenen Verhalten oder den eigenen Errungenschaften zu üben, bedeutet sich selbst kritisch zu reflektieren. Menschen, die selbstkritisch sind, gehen also nicht automatisch davon aus, dass das, was sie geleistet haben, die beste Leistung überhaupt ist. Menschen, die zu ebensolchem Verhalten neigen, würde man in der Psychologie als Narzissten bezeichnen. Sie sind der felsenfesten Überzeugung, dass kein Mensch bessere Leistung bringt als sie selbst. Vielleicht erinnert Sie dieses Verhalten an einen ehemaligen amerikanischen Präsidenten.
Gewissermaßen das Gegenteil zu den Narzissten sind die Menschen, die unter dem Hochstapler-Syndrom, auch bekannt als Imposter-Syndrom, leiden. Diese Menschen übertreiben es ein wenig mit der Selbstkritik und den Selbstzweifeln – mit dem Ergebnis, dass sie ihre eigenen Leistungen, auch wenn sie eigentlich wirklich gut waren, nicht anerkennen können. Sie haben das Gefühl, dass sie im Grunde nur bluffen und völlig zu Unrecht in der Position sind, die sie im Job haben. Personen, die von dem Hochstapler-Syndrom betroffen sind, leiden darunter und leben in ständiger Angst. Sie befürchten, dass ihr Umfeld bald merken wird, dass sie vermeintlich zu Unrecht an ihren Job gekommen sind.
Zwischen diesen beiden Extremen bewegt sich die gesunde Selbstkritik, die uns im Job weiterhelfen kann. Diese Form der Selbstkritik hilft Arbeitnehmern dabei, Fehler einzugestehen und im nächsten Schritt daraus zu lernen. Selbstkritik ist damit eine wichtige Kompetenz, die Arbeitgeber schätzen. Ein Grund dafür ist, dass Arbeitnehmer, die bei sich selbst Verbesserungspotenzial sehen, dieses Potenzial häufig ausschöpfen wollen. Sie arbeiten aus innerem Antrieb daran, besser zu werden. Dieser innere Antrieb, auch als intrinsische Motivation bezeichnet, ist häufig erfolgversprechender als der Antrieb von außen.
Zu viel Selbstkritik: Wann ist man zu selbstkritisch?
Gesunde, konstruktive Selbstkritik ist also durchaus wünschenswert und kann uns dabei helfen, im Beruf und auch im Privaten erfolgreich zu sein. Die meisten von uns umgeben sich lieber mit Menschen, die eigene Fehler einsehen und in der Lage sind, sich dafür zu entschuldigen.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch Personen, die ihr eigenes Verhalten und ihre eigene Leistung viel zu selbstkritisch betrachten. Das sogenannte Hochstapler-Syndrom haben wir oben bereits angesprochen. Es gibt aber noch weitere Ausprägungen davon, wenn Personen es mit Kritik und Selbstkritik übertreiben. Bei ihnen ist die innere Stimme kein hilfreicher Begleiter. Sie wird eher zu einem konstanten Kritiker. Zu viel Selbstkritik verleitet diese Menschen dazu, sich nichts mehr zuzutrauen. Sie scheuen die Risiken neuer Aufgaben und bleiben lieber bei dem, was sie schon wissen und können. Fortschritt und Weiterentwicklung sind dann nicht mehr möglich.
Eine weitere Folge von zu viel Selbstkritik ist außerdem, dass diese Personen die Meinung und Kritik anderer Menschen viel zu hoch einschätzen und sich davon aus der Bahn werfen lassen. Sie können Lob und positive Kritik nicht annehmen, sondern hören nur die negative Kritik, die Personen äußern, wenn etwas nicht so funktioniert hat, wie geplant.
Studie: Frauen sind selbstkritischer
Frauen scheinen häufiger unter ihrem inneren Kritiker zu leiden. Zumindest deuten die Ergebnisse einer Studie der Internationalen Hochschule Bad Honnef (IUBH) in Bonn darauf hin. In dieser Studie wurden mehr als 1000 Beschäftigte aus ganz unterschiedlichen Branchen befragt. Das Ergebnis: Frauen tendieren eher dazu, ihre eigenen Leistungen zu selbstkritisch zu bewerten.
Natürlich zeigen auch Männer Selbstkritik, jedoch ist das Verhalten bei Frauen ausgeprägter – womit auch die Gefahr höher ist, dass die negativen Effekte der Selbstkritik sich eher bei Frauen als bei Männern zeigen. Frauen bewerten ihre Leistung im Schnitt daher schlechter, als es ihr Umfeld tut.
Im Rahmen der Studie wurde außerdem deutlich, dass sich Frauen und Männer im Hinblick auf die Bereiche voneinander unterscheiden, die sie zu selbstkritisch bewerten. Frauen schreiben sich besonders in den Bereichen, die strategisches Vorgehen verlangen, schlechte Leistungen zu. Das führt dazu, dass die in der Studie untersuchten Frauen ihr Verhandlungsgeschick und die Fähigkeiten der Gesprächsführung deutlich schlechter beurteilten, als andere Personen das taten. Ihre Selbstwahrnehmung war damit vor allem in diesen Bereichen deutlich schlechter als die Fremdwahrnehmung.
Männer dagegen schätzen sich in kommunikativen Bereichen eher falsch ein. Allerdings zeigt sich bei dieser Form der Fehleinschätzung ein interessanter Unterschied zu den Frauen: Während Frauen bestimmte Kompetenzen deutlicher schlechter beurteilen, als sie tatsächlich sind, schätzen sich Männer tendenziell zu positiv ein. In der Studie beurteilten Männer ihr Einfühlungsvermögen und ihre Dienstleistungsorientierung viel besser, als das die Menschen in ihrem Umfeld taten.
Ist Selbstkritik gut oder schlecht?
Ob es nun gut oder schlecht ist, selbstkritisch zu sein, lässt sich pauschal nicht sagen. Auf der einen Seite kann man argumentieren, dass Personen, die ihr Verhalten besser einschätzen, als es tatsächlich ist, sich auch mehr zutrauen. Menschen, die davon überzeugt sind, dass sie eine gute Dienstleistungsorientierung aufweisen, werden eher Aufgaben in diesem Feld übernehmen wollen. In diesem Sinne kann es für den beruflichen Weg förderlich sein, über „falsche“ Selbstkritik zu verfügen. Denn man selbst schätzt dadurch Verhaltensweisen positiver ein als sie sind und traut sich daher mehr zu.
Auf der anderen Seite kann falsche oder übertriebene Selbstkritik das Gegenteil bewirken. In der Studie zeigte sich, dass Frauen gerade ihre positiven Leistungen nicht deutlich genug sehen. Sie sind in einigen Bereichen zu selbstkritisch, was dazu führen kann, dass sie sich vor diesen Aufgaben drücken. Das jedoch kann Frauen daran hindern, ihr gesamtes Potenzial zu entfalten und beruflich erfolgreich zu sein.
Somit gilt auch für die Selbstkritik das berühmte Zitat von Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei.“ Wohldosiert ist Selbstkritik ein wichtiger Begleiter in unserem täglichen Leben. Nimmt sie jedoch Überhand, kann sie uns lähmen.
Die richtige Dosis Selbstkritik: So finden Sie sie
Unsere Tipps können Ihnen helfen, das richtige Maß zu finden und es mit der Selbstkritik weder zu über- noch zu untertreiben:
- Möglichst objektiv sein: Versuchen Sie, soweit es geht, Ihr Verhalten und ihre Leistung objektiv zu betrachten. Fragen Sie dazu auch nach der Einschätzung anderer Personen. Je häufiger Sie Ihre Eindrücke mit der Wahrnehmung anderer Personen abgleichen, desto objektiver wird ihre Einschätzung mit der Zeit.
- Konkrete Punkte reflektieren: Außerdem wichtig, um ein gutes Maß an Selbstkritik zu finden, ist die Konzentration auf zentrale Punkte. Personen, die dazu neigen, ihr Verhalten pauschal zu kritisieren, können ihre Erfolge nicht sehen. Versuchen Sie daher, sich anzutrainieren, dass Sie nur diejenigen Dinge kritisch betrachten und hinterfragen, die tatsächlich nicht gut gelaufen sind. Alle anderen Leistungen und Errungenschaften blenden Sie aus. Die gezielte Kritik deckt Verbesserungspotenzial auf, das Sie für Ihr berufliches und privates Fortkommen nutzen können. Auf der anderen Seite bewahrt Sie die konkrete Kritik davor, Ihre Leistung pauschal zu kritisieren. Das wiederum schützt Ihr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.
- Erst wenig, dann viel Selbstkritik: Wenn Sie sich einen neuen Umgang mit Selbstkritik antrainieren möchten, sollten Sie bei null starten – vor allem wenn Sie zu denjenigen Personen gehören, die eher zu viel Selbstkritik üben. Aber auch Menschen, die einige Verhaltensweisen ruhig selbstkritischer betrachten dürften, sollten lieber behutsam anfangen. Gehen Sie nicht zu hart mit sich ins Gericht, sondern starten Sie zunächst mit denjenigen Dingen, die Ihnen am meisten Kummer bereiten. Wenn Sie zum wiederholten Mal die Präsentation in den Sand gesetzt haben, starten Sie zunächst hier mit Ihrer Analyse. Nach und nach widmen Sie sich dann Themen, die nicht ganz so wichtig und weniger kritisch sind. Wenn Sie nicht wissen, wie Sie in Bezug auf die Selbstkritik Prioritäten festlegen können, empfehlen wir Ihnen die Eisenhower-Matrix, die zu den Klassikern des Zeitmanagements gehört.
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