Arbeitszeugnis: Formulierungen entschlüsseln
Klingt doch eigentlich ganz gut? Das denken wohl die meisten Arbeitnehmer, wenn sie den ersten Blick auf ihr Arbeitszeugnis werfen – zumindest, wenn sie mit den gängigen Formulierungen und Geheimcodes nicht vertraut sind. Selbst ein schlechtes Zeugnis klingt dann oft positiv.
Mit den Formulierungen des Arbeitszeugnisses wird deutlich, ob der bisherige Chef mit der Leistung seines ehemaligen Mitarbeiters zufrieden war oder nicht. Weil ein Arbeitszeugnis grundsätzlich wohlwollend und positiv formuliert sein muss, offenbart sich dessen tatsächliche Stoßrichtung erst bei genauerem Hinsehen. Im folgenden Ratgebertext wird erklärt, wie typische Formulierungen entschlüsselt werden können – und warum das Fehlen bestimmter Informationen ein Alarmzeichen für mögliche Arbeitgeber ist.
Das Arbeitszeugnis: darauf kommt es an
Ein Arbeitszeugnis gibt nicht nur Aufschluss über typische Tätigkeiten und Erfolge eines Arbeitnehmers in einem bestimmten Job, sondern auch darüber, wie seine Leistung und sein Sozialverhalten insgesamt aus Sicht des Arbeitgebers waren. Seine Bedeutung ist entsprechend groß. Zwar wird ein Kandidat, der auf dem Papier ansonsten überzeugt, wohl in vielen Fällen auch mit einem weniger enthusiastischen Zeugnis zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Eine schlechte Beurteilung vom letzten Arbeitgeber kann jedoch auch dazu führen, dass einem anderen Bewerber der Vorzug gegeben wird – besonders, wenn die Konkurrenz um den Job groß ist.
Arbeitszeugnisse erleichtern die Personalauswahl
Während der Lebenslauf die beruflichen Stationen des Bewerbers vergleichsweise nüchtern wiedergibt, ist das Anschreiben ein Aushängeschild in eigener Sache. Der Bewerber erklärt hier, warum er der geeignete Kandidat für den Job ist. Zeugnisse von früheren Jobs und Praktika hingegen vermitteln dem potenziellen Arbeitgeber, ob der Kandidat auch hält, was er im Anschreiben verspricht.
Das Arbeitszeugnis besteht nicht nur aus den Eckdaten der beruflichen Zusammenarbeit und einer Tätigkeitsbeschreibung. Auch wichtige und positive Eigenschaften des ehemaligen Mitarbeiters werden darin erwähnt. Die Leistung wird insgesamt bewertet, und auch das Verhältnis zu anderen – dem Chef, Kollegen, Mitarbeitern oder Kunden – wird eingeordnet. Potenziellen Arbeitgebern fällt es so leichter, zu entscheiden, ob der Kandidat zu ihrer Firma passen könnte oder nicht.
Unterschiedliche Arten von Arbeitszeugnissen
Nicht jedes Zeugnis beinhaltet eine Leistungsbewertung. Dies ist nur bei detaillierteren, sogenannten qualifizierten Arbeitszeugnissen der Fall. Das Pendant dazu stellt ein einfaches Zeugnis dar. Hier werden nur die grundlegenden Daten der Zusammenarbeit aufgezählt. In einem einfachen Zeugnis zählen Fakten – zum Beispiel eine grobe Tätigkeitsbeschreibung und Informationen über den Arbeitgeber.
Ein einfaches Arbeitszeugnis umfasst in der Regel nur wenige Absätze. Ein qualifiziertes Zeugnis folgt einem strikteren Schema und ist wegen der zusätzlichen Informationen aus Sicht eines Arbeitgebers wesentlich aussagekräftiger. Sofern es sich nicht um ein kurzes Praktikum handelt, sollten Arbeitnehmer deshalb um ein qualifiziertes Zeugnis bitten.
Was im Zeugnis nicht fehlen darf
Personaler oder Chefs achten auf bestimmte Aspekte, wenn sie Arbeitszeugnisse in Augenschein nehmen. Einerseits betrifft das formale Kriterien, etwa, ob das Zeugnis auf offiziellem Firmenpapier gedruckt ist und auch sonst der üblichen Optik folgt. Dazu zählt auch ein Briefkopf der betreffenden Firma.
Nach der Überschrift („Zeugnis“, „Arbeitszeugnis“, „vorläufiges Arbeitszeugnis“) folgen einige Eckdaten des Bewerbers. Es wird erklärt, in welcher Position und Abteilung und wie lange dieser für das Unternehmen tätig war.
Nach einigen Informationen über den Arbeitgeber folgt eine Beschreibung der Aufgaben des ehemaligen Mitarbeiters. Besonders verantwortungsvolle oder anderweitig wichtige Aufgaben werden ebenso erwähnt wie herausstechende Erfolge. Wichtige Persönlichkeitsmerkmale des Arbeitnehmers, die für den Job relevant sind, werden genannt.
Die Bedeutung des Ausstellungsdatums
In einem qualifizierten Arbeitszeugnis folgt nun zwangsläufig die Bewertung der Leistung des früheren Mitarbeiters. Auch das Verhalten gegenüber anderen wird hier erwähnt. Es folgt die Schlussformel, in der der ehemalige Arbeitgeber idealerweise seinen Dank für die Unterstützung des Beschäftigten zum Ausdruck bringt und diesem viel Erfolg wünscht.
Auch Feinheiten, die dem Bewerber selbst leicht entgehen können, spielen aus Sicht eines Entscheidungsträgers bei der Auswahl von Bewerbern eine Rolle. So ist das Datum wichtig, an dem das Zeugnis ausgestellt wurde. Es sollte unbedingt mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses übereinstimmen. Weicht das Ausstellungsdatum hingegen wesentlich hiervon ab, deutet das aus Sicht von Dritten auf Streitigkeiten mit dem früheren Arbeitgeber hin.
Die Bedeutung der Schlussformel
Wenn es darum geht, wie positiv ein Zeugnis ausfällt, wissen die meisten Bewerber um die Bedeutung ihrer Leistungsbewertung. Weniger im Fokus steht meist die Schlussformel. Dabei sagt der letzte Abschnitt des Schreibens ebenfalls einiges darüber aus, wie zufrieden der ehemalige Arbeitgeber war.
Es liegt am Arbeitgeber, ob er am Ende des Zeugnisses das Ausscheiden seines früheren Mitarbeiters bedauert oder er diesem eine erfolgreiche Zukunft wünscht. Eingeklagt werden kann ein entsprechender Passus nicht. Hier zeigt sich jedoch, wie groß das Bedauern auf Arbeitgeberseite wirklich ist.
Die Leistungsbeurteilung
Dass Arbeitszeugnisse Geheimcodes enthalten, ist längst den meisten Arbeitnehmern – und Arbeitgebern – bewusst. Das macht es jedoch mitunter für den betroffenen Ex-Mitarbeiter schwer, einzuschätzen, ob sein Zeugnis nun ein gutes Aushängeschild für ihn ist oder eher ein Hindernis auf dem Weg zum nächsten Job.
In jedem qualifizierten Zeugnis findet sich eine zusammenfassende Leistungsbewertung. Diese kann in Schulnoten von 1 bis 6 umgewandelt werden. Selbst, wenn andere Formulierungen den Arbeitnehmer ratlos zurücklassen, zeigt sich hier, wie positiv das Zeugnis wirklich ist.
Der entscheidende Satz lautet so oder so ähnlich: „[Name] erfüllte die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“. Üblich sind die folgenden Abstufungen:
– „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = Note 1
– „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ / „zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = Note 2
– „zu unserer vollen Zufriedenheit“ / „stets zu unserer Zufriedenheit“ = Note 3
– „zu unserer Zufriedenheit“ = Note 4
– „insgesamt zu unserer Zufriedenheit“ = Note 5
Eine schlechtere Bewertung, als sie der Schulnote 5 entspricht, findet sich in Arbeitszeugnissen selten. Hinweise auf große Unzufriedenheit seitens des Arbeitgebers können jedoch Formulierungen wie „er/sie hat sich insgesamt bemüht“ liefern.
Sprachliche Feinheiten machen den Unterschied
Über den Verlauf eines Arbeitszeugnisses liegt der Teufel im Detail. Welche Adjektive in welcher Steigerung verwendet werden, macht oft den entscheidenden Unterschied. Ein Beispiel: „Er hat uns tatkräftig unterstützt“ klingt anders als „Er hat uns jederzeit mit größtem Engagement unterstützt“. Positiv klingt jedoch zunächst beides.
Auch die Verwendung von Aktiv oder Passiv wirkt sich auf den Eindruck aus, der beim Leser des Zeugnisses entsteht. Wer „die ihm anvertrauten Aufgaben“ gewissenhaft erledigt hat, wirkt dadurch weniger engagiert und eigeninitiativ als jemand, der „das Team mit zielführenden Ideen bereichert“ hat. Es kommt jedoch vor, dass der Zeugnisaussteller sich selbst die Wirkung von Passivsätzen nicht bewusst macht.
Ein sehr gutes Zeugnis ist gespickt mit offensichtlichem Lob. Es können Worte wie „exzellent“, „herausragend“, „über alle Maße“ oder „außergewöhnlich“ fallen. Je weniger überschwänglich sich das Zeugnis liest, desto weniger positiv ist es in der Regel auch gemeint.
Weniger gut in Erinnerung geblieben ist wohl hingegen ein ehemaliger Mitarbeiter, der „für seine Aufgaben Interesse“ oder „Verständnis“ zeigte. Dies suggeriert, dass er im Job nicht erfolgreich war. Auch, wenn Selbstverständliches erwähnt wird – etwa Pünktlichkeit –, ist das wenig förderlich. Es liegt nahe, dass sonst nicht viel Positives zu sagen war.
Beispiele für Formulierungen im Arbeitszeugnis
Die folgenden Beispiele geben einen Einblick in die Bedeutung bestimmter Formulierungen im Arbeitszeugnis. Zur Beurteilung, ob das Zeugnis wirklich gut ist oder nicht, spielt jedoch der gesamte Kontext eine Rolle.
Beispiele für Abstufungen innerhalb der Dankesformel:
– „Wir danken [Name] für seine stets sehr gute Mitarbeit“ = Note 1
– „Wir danken [Name] für seine gute Mitarbeit“ = Note 3
– Kein Dank deutet darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht zufrieden war
Beispiele für die Beurteilung des Arbeitnehmers:
– „Für seine Aufgaben zeigte er großes Interesse“ = aber zustande gebracht hat er nicht viel
– „Sie war bemüht, ihren Aufgaben nachzukommen“ = aber hat das nicht (immer) geschafft
– „Die ihr übertragenen Aufgaben führte [Name] stets selbständig und gewissenhaft aus“ = Note 2
– „[Name] war stets fleißig und engagiert“ = Note 2
Beispiele für das Sozialverhalten:
– „Gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden verhielt sich [Name] stets einwandfrei“ = Note 2
– „Gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten verhielt sich [Name] einwandfrei“ = Note 3, deutet auf Probleme mit dem Chef hin, weil dieser üblicherweise zuerst genannt wird
Wie Arbeitnehmer sich gegen ein schlechtes Zeugnis wehren können
Ein Arbeitszeugnis muss wohlwollend formuliert sein. Es soll dem Betroffenen keine Steine in den Weg legen. Durch Geheimcodes, die längst nicht mehr geheim sind, wird diese Vorgabe jedoch nicht selten umgangen. Nicht immer bedeutet das, dass der Arbeitgeber tatsächlich unzufrieden war. Gerade in kleineren Firmen kann es vorkommen, dass das Zeugnis ungewollt negativ ausfällt. Das kann der Fall sein, wenn der Aussteller mit den Gepflogenheiten nicht ausreichend vertraut ist. Auch fehlende Informationen zu bestimmten Aspekten, die enthalten sein sollten, können dem geschuldet sein.
Wenn Arbeitnehmer ein schlechtes Zeugnis ausgestellt bekommen, sollten sie zunächst das Gespräch mit dem Aussteller suchen. Falls diesem die negative Konnotation gar nicht bewusst war, klärt sich das spätestens jetzt. Eine Änderung ist dann meist unproblematisch möglich.
Erklärt sich der Vorgesetzte hingegen nicht bereit, entsprechende Formulierungen abzuändern, stehen Betroffenen auch Rechtsmittel zur Verfügung. Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er mit seiner Formulierung richtig lag. Auch können Arbeitnehmer so einklagen, dass ihr Zeugnis den üblichen Gepflogenheiten in Bezug auf Aufbau und Inhalt entspricht.