Achtsamkeit: Wie Sie lernen, im Moment zu leben

Achtsamkeit liegt voll im Trend. Wer sie praktiziert, erlebt die Momente seines Tages bewusster. Das, so haben es zahlreiche Studien gezeigt, kann dazu führen, dass man zufriedener und glücklicher ist. Wenn Sie achtsamer durchs Leben gehen, kann Ihnen das viele Vorteile im Privatleben und im Job bringen. Hier erfahren Sie, was Achtsamkeit eigentlich ist, wie Sie sie erlernen können und warum sie Ihr Leben bereichern kann.

Eine Frau macht eine Übung für mehr Achtsamkeit

Achtsamkeit: Was ist das?

Sicher haben Sie auch schon von der Achtsamkeit gehört, vom achtsamen Leben oder von Mindfulness, wie das Konzept auf Englisch heißt. Das Interesse an Achtsamkeit ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Anders gesagt: Achtsamkeit ist „in“.

Dabei handelt es sich bei Achtsamkeit keineswegs um ein neues Konzept. Oft wird die Entstehung von Achtsamkeit mit dem Buddhismus in Verbindung gebracht, allerdings sollen Hindus schon lange vor der Entstehung des Buddhismus Achtsamkeitsmeditationen praktiziert haben. Auch in anderen Religionen wie dem Christentum oder dem Islam findet man Elemente der Achtsamkeit. Die Begründung der modernen Achtsamkeitspraxis wird dem emeritierten US-amerikanischen Professor Jon Kabat-Zinn zugeschrieben.

Wer achtsam ist, ist ganz im Moment

Aber was ist Achtsamkeit überhaupt? Achtsamkeit ist ein Zustand. Wer achtsam ist, ist mit seinen Gedanken in der Gegenwart. Er erlebt Momente ganz bewusst mit allen Sinnen, ohne dass Gedanken oder Gefühle dieses bewusste Erleben trüben würden. Achtsamkeit bedeutet dabei nicht zwingend, keine Gedanken oder Gefühle zu haben. Man nimmt sie aber bewusst wahr, und zwar mit einer offenen, wertungsfreien Herangehensweise. Das gilt für positive ebenso wie für negative Gedanken und Emotionen. Sie alle werden mit Neugier wahrgenommen.

Zugleich findet eine gedankliche Entkoppelung zwischen Gedanken und Gefühlen und der eigenen Person statt. Wer Achtsamkeit erlernt, lernt, dass seine Gedanken und Gefühle ihn nicht definieren. Nur, weil wir etwas denken, heißt das schließlich nicht, dass es begründet oder objektiv wahr ist. Außerdem haben wir die Wahl, ob wir uns mit bestimmten Gedanken und Gefühlen näher beschäftigen oder ob wir sie lieber vorbeiziehen lassen.

Vorteile: Was bringt Achtsamkeit?

Dass Achtsamkeit im Trend liegt, ist sicher kein Zufall: Unsere heutige Zeit ist aus Sicht vieler Menschen geprägt von Stress, Hektik und chronischer Zeitnot. Viele Menschen hetzen durch den Alltag, den sie häufig als immer gleiche Abfolge bestimmter Aktivitäten und Aufgaben empfinden.

Dabei sind wir gedanklich oft überall, nur nicht im Hier und Jetzt: Wir grübeln über Dinge, die in der Vergangenheit liegen, und machen uns Sorgen über die Zukunft. Zugleich sind wir überflutet von einer Vielzahl äußerer Eindrücke, die von überallher auf uns einprasseln.

Achtsamkeit ist eine Art Gegen-Konzept hierzu. Sie kann uns dabei helfen, unsere Momente, Tage, Wochen und damit letztlich unser ganzes Leben ganz bewusst in all seinen Facetten wahrzunehmen. Wer achtsam ist, nimmt Dinge bewusster wahr, die sonst leicht untergehen – zum Beispiel, wie wohltuend es sein kann, zwitschernden Vögeln zuzuhören, statt ihren Gesang auszublenden, weil wir gedanklich anderswo sind. Wer achtsam durchs Leben geht, hat eher einen Blick für die kleinen Momente, die das Leben lebenswert machen.

Die Vorteile von Achtsamkeit, die viele Menschen bei einer Achtsamkeitspraxis subjektiv empfinden, sind durch zahlreiche Studien belegt worden. Achtsamkeit und Meditation, die fast unweigerlich mit Achtsamkeit verknüpft ist, wird etwa zugeschrieben, dass sie Sorgen und Ängste reduzieren können. Außerdem kann Achtsamkeit helfen, Depressionen zu mildern und der Entstehung einer Depression vorzubeugen.

Verbesserter Fokus dank Achtsamkeit

Ein weiterer wissenschaftlich nachgewiesener Nutzen von Achtsamkeitsmeditationen ist eine verbesserte Wahrnehmung. Wer sich in Achtsamkeit übt, kann sich demnach häufig besser konzentrieren und lässt sich weniger leicht ablenken. Das ist ein entscheidender Vorteil in einer Welt, in der wir überall auf Dinge treffen, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen – etwa aufpoppende E-Mails, ein endloser Feed in sozialen Netzwerken oder ständig wechselnde Schlagzeilen in den Nachrichten. Wer achtsam ist, dem fällt es leichter, fokussiert bei einer Sache zu bleiben.

Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass Achtsamkeit die Zeit verringern kann, die Menschen mit Grübeln verbringen. Viele Studien haben gezeigt, dass Mindfulness Stress reduzieren kann. Außerdem reagieren Menschen, die achtsam leben, tendenziell weniger stark auf Emotionen. Achtsamkeit kann also zu mehr Gelassenheit verhelfen. Achtsame Menschen sind zudem eher zufrieden mit ihren Beziehungen und gehen oft unvoreingenommener auf andere Menschen zu.

Auch auf körperlicher Ebene werden Achtsamkeit viele Vorzüge zugeschrieben. So haben Studien gezeigt, dass Achtsamkeit das Wohlbefinden insgesamt verbessern kann. Es kann auch die Immunabwehr steigern, den Blutdruck senken und Übergewicht reduzieren. Wer an einer Krankheit leidet, kann damit oft besser umgehen, wenn er Achtsamkeit praktiziert.

Wie kann man Achtsamkeit erlernen?

Achtsamkeit ist kein natürlicher Zustand. Im Gegenteil: Die meiste Zeit gehen wir im Autopiloten durchs Leben. Wir tun Dinge, ohne gedanklich wirklich dabei zu sein. Statt Momente bewusst zu erleben, planen wir die Zukunft oder hängen Erlebnissen gedanklich nach. Wir leben dann nicht so sehr im Jetzt, sondern in der Vergangenheit und Zukunft.

Achtsamkeit kann jeder Mensch erlernen. Dabei können viele Wege zum Ziel führen. Sie können zum Beispiel eine App herunterladen und sich dem Konzept der Achtsamkeit so nähern. Sie können auch Bücher zum Thema lesen oder einen (Online-)Kurs machen. Ebenso können Sie sich vornehmen, täglich einige Momente ganz bewusst zu erleben. Wenn Sie das zur Gewohnheit machen, integrieren Sie die Achtsamkeit nach und nach in Ihr Leben.

Egal, wie Sie Achtsamkeit erlernen: Es ist wichtig, dass Sie dranbleiben. Im besten Fall trainieren Sie Ihre Achtsamkeit jeden Tag. Dabei müssen Sie nicht zwingend viel Zeit für Meditation und andere Übungen aufwenden. Schon zehn Minuten am Tag können einen Unterschied machen.

Zu Beginn Ihres Achtsamkeitstrainings sollten Sie nicht zu viel erwarten. Es dauert oft eine ganze Weile, bis Sie die Vorteile von Achtsamkeit wirklich spüren. Vor allem, Gedanken im Alltag – auch abseits gezielter Übungsphasen – bewusst wahrzunehmen, ist eine Herausforderung. Schließlich haben Sie das wahrscheinlich Ihr Leben lang nicht getan. Wenn Sie sich dem Achtsamkeitstraining widmen, wird es Ihnen aber schon bald leichter fallen.

Achtsamkeit im Alltag trainieren: Das können Sie tun

Eine regelmäßige Achtsamkeitspraxis kann dazu führen, dass Sie zufriedener und entspannter sind. In diesem Abschnitt stellen wir Ihnen einige Achtsamkeitsübungen vor, die Ihnen dabei helfen können, Achtsamkeit in Ihren Alltag zu integrieren.

Achtsamkeitsmeditation

Achtsamkeit ist mit Meditation eng verbunden. Falls Sie sich bisher noch nicht mit Meditation beschäftigt haben, ist jetzt ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen. Meditation kann Ihnen Ihr Achtsamkeitstraining erleichtern.

Eine einfache Übung, die Sie jeden Tag zu einem bestimmten Zeitpunkt oder einfach zwischendurch machen können, geht so: Setzen Sie sich bequem hin und atmen Sie einige Male tief ein und wieder aus. Schließen Sie dann die Augen und konzentrieren Sie sich auf Ihre natürliche Atmung. Merken Sie, wie der Atem Ihren Körper füllt und wieder verlässt? Wo spüren Sie ihn am meisten?

Nehmen Sie Gedanken während der Meditation wahr, aber verfolgen Sie sie nicht weiter. Sie können sich dazu etwa vorstellen, dass Ihre Gedanken wie Blätter im Wind sind, die weggetragen werden, wenn Sie sie nicht einfangen. Sie können sich auch vorstellen, wie die Blätter von einem kleinen Bach weggetragen werden. Wenn Sie merken, dass Sie abgelenkt sind, richten Sie Ihre Konzentration wieder auf das Hier und Jetzt. Probieren Sie aus, wie lange Sie auf diese Weise ruhig sitzen können. Zehn Minuten sind ein guter Anfang.

Alltägliche Momente ganz bewusst erleben

Mehr Achtsamkeit können Sie auch erfahren, indem Sie Momente des Alltags bewusster erleben. Dazu eignet sich grundsätzlich alles, was Sie am Tag machen. Sie können zum Beispiel die folgenden Dinge tun:

  • Essen Sie eine Mahlzeit, einen Snack oder ein Stück Schokolade ohne Ablenkung. Setzen Sie sich hin, betrachten Sie Ihr Essen und riechen Sie daran. Genießen Sie es Bissen für Bissen. Was schmecken Sie? Wie ist die Konsistenz?
  • Wenn Sie duschen, konzentrieren Sie sich darauf, wie sich das warme Wasser auf Ihrem Körper anfühlt. Denken Sie nicht daran, was Sie gleich machen müssen oder was Sie davor gemacht haben.
  • Gehen Sie spazieren, ohne dabei auf Ihr Handy zu starren. Laufen Sie ganz bewusst, Schritt für Schritt. Ist es nicht wunderbar, wie sich Ihr Körper bewegen kann?
  • Lauschen Sie den Geräuschen in Ihrer Umgebung. Was hören Sie?
  • Putzen Sie konzentriert Ihre Zähne. Spüren Sie, wie die Zahnbürste über alle Stellen Ihres Gebisses gleitet, Ihre Zähne säubert und Ihr Zahnfleisch sanft massiert.
  • Kümmern Sie sich um Ihre Pflanzen im Garten oder auf dem Balkon. Zupfen Sie Unkraut heraus, fühlen Sie die Erde an Ihren Fingern und spüren Sie, wie sich der Boden unter Ihren Händen anfühlt.
  • Machen Sie Dehnübungen oder leichte Gymnastik. Wie fühlt sich das an verschiedenen Stellen Ihres Körpers an?
  • Heben Sie einen kleinen Kieselstein auf und betrachten Sie ihn von allen Seiten. Wie sieht er aus? Wie fühlt er sich an? Ist er eher spitz oder rund?

Alles, was Sie machen, können Sie mit mehr Achtsamkeit tun. Das bedeutet aber auch, zu lernen, andere Dinge vorübergehend auszublenden. Widerstehen Sie dem Drang, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun oder sofort etwas zu tun, wenn Sie eine Aktivität beendet haben.

Achtsame Bewegung

Eine weitere Achtsamkeitsübung ist die achtsame Bewegung. Hierfür eignet sich grundsätzlich jede Art der Bewegung. Sie können sich bei einem Spaziergang auf Ihre Bewegungen konzentrieren oder voll fokussiert beim Fußballspielen sein.

Anbieten können sich insbesondere Richtungen, die ohnehin mit Achtsamkeit verbunden sind. Das betrifft zum Beispiel Yoga, Tai Chi und Qi Gong. Probieren Sie aus, was Ihnen Spaß macht, und achten Sie auf Ihre Atmung und Ihren Körper, während Sie sich bewegen. Durch Yoga und Co können Sie Ihr Körpergefühl verbessern und Körper und Geist in Einklang bringen.

Auf die Atmung konzentrieren

Der Atem ist ein wichtiger Ankerpunkt für die Fokussierung auf den Moment. Achten Sie deshalb immer mal wieder eine gewisse Zeit lang auf Ihren Atem – für einige Minuten oder auch nur für einige Sekunden. Sie können Ihre Augen dabei schließen oder sie geöffnet lassen. Dadurch eignet sich diese Achtsamkeitsübung auch für Autofahrten, Spaziergänge oder andere Aktivitäten, bei denen Sie Ihre Umgebung noch im Blick behalten müssen.

Sie können auch einen Körperscan machen, bei dem Sie die Augen schließen und ihren Körper vom Kopf bis zu den Zehen langsam, aber kontinuierlich scannen. Dadurch bekommen Sie ein besseres Gefühl dafür, wie Sie sich gerade fühlen, und kehren die Aufmerksamkeit automatisch nach innen.

Bildnachweis: Yulia Grigoryeva / Shutterstock.com

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