Persönlichkeitsmerkmale: Die Big Five der Persönlichkeit
Jeder Mensch hat eine einzigartige Persönlichkeit. Dennoch gibt es einige übergeordnete Aspekte, die bei allen Menschen in einer gewissen Ausprägung vorhanden sind. Das besagt das berühmte Modell der Big Five der Persönlichkeitsmerkmale in der Psychologie. Was sind die Big Five? Und was bedeuten sie konkret? Hier finden Sie es heraus.
Was sind Persönlichkeitsmerkmale?
Jeder Mensch ist anders. Menschen sehen nicht nur unterschiedlich aus und haben unterschiedliche Vorstellungen und Vorlieben, sondern sie unterscheiden sich auch in ihrer Persönlichkeit, also in ihrem Charakter und in ihren Eigenschaften.
Ein Persönlichkeitsmerkmal ist eine Eigenschaft, die über eine relativ lange Zeit besteht und damit vergleichsweise beständig ist. Es gibt Merkmale, die gemeinhin als positiv empfunden werden, während andere negative Assoziationen wecken. Letztlich liegt es aber im Auge des Betrachters, was positiv ist und was negativ.
Die individuellen Persönlichkeitsmerkmale einer Person entscheiden darüber, wie jemand in bestimmten Situationen reagiert oder sich verhält, wie er auf andere Menschen wirkt und mit anderen interagiert.
Persönlichkeitsmerkmale: Beispiele
Hier eine beispielhafte Persönlichkeitsmerkmale-Liste:
- freundlich
- offen
- verschlossen
- redselig
- introvertiert
- gesellig
- nachdenklich
- sensibel
- schüchtern
- unsicher
- selbstbewusst
- empathisch
- anpassungsfähig
- durchsetzungsfähig
- entscheidungsfreudig
- verantwortungsbewusst
- belastbar
- charismatisch
- spontan
- widerstandsfähig
- taktvoll
- diszipliniert
- tolerant
- begeisterungsfähig
- kreativ
- hilfsbereit
- kritisch
- zuverlässig
Die Big Five der Persönlichkeit
Das wohl bekannteste Persönlichkeitsmodell in der Psychologie sind die Big Five der Persönlichkeit. Dabei handelt es sich um fünf grundlegende Faktoren, die in einer gewissen Ausprägung bei jedem Menschen vorhanden sind. Das Modell der 5 Persönlichkeitsmerkmale ist ein Standard in der Persönlichkeitsforschung. Man spricht synonym auch vom Fünf-Faktoren-Modell oder dem OCEAN-Modell, angelehnt an die englischen Abkürzungen der fünf zugehörigen Begriffe.
Das Modell der Big Five wurde in den 1980er Jahren in der Persönlichkeitsforschung entwickelt und stellt eine Eigenschaftstheorie in der Persönlichkeitspsychologie dar. Dabei geht man davon aus, dass Menschen distinkte Persönlichkeiten mit überdauernden Merkmalen haben, die sich für längere Zeit nicht wesentlich verändern.
Verschiedene Gruppen von Forschern haben unabhängig voneinander ein Big-Five-Persönlichkeitsmodell entwickelt, weshalb sich die konkreten Faktoren leicht voneinander unterscheiden. Das betraf die Wissenschaftler Paul Costa und Robert McCrae, Ernest Tupes und Raymond Cristal, Raymond Cattell sowie Lewis Goldberg. Durchgesetzt hat sich das Persönlichkeitsmodell von Costa und McCrae. Costa und McCrae stellten die folgenden Big Five heraus:
- Offenheit für Erfahrungen
- Gewissenhaftigkeit
- Extraversion
- Verträglichkeit
- Neurotizismus
In diesen fünf übergeordneten Aspekten können Menschen höhere oder niedrigere Ausprägungen haben. Durch die jeweiligen Eigenschaften ergibt sich ein individuelles Persönlichkeitsprofil.
Wofür ist das Big Five Persönlichkeitsmodell nützlich?
Die Big Five der Persönlichkeit ist ein gängiges und weithin akzeptiertes Persönlichkeitsmodell. Viele Studien haben die Existenz der 5 Persönlichkeitsmerkmale bestätigt und gezeigt, dass das Modell dazu geeignet ist, die Persönlichkeit eines Menschen zutreffend zu beschreiben.
Das Big Five Persönlichkeitsmodell liefert nicht nur einen theoretischen Hintergrund, sondern es wird auch in der Praxis verwendet. Zur Anwendung kommen daran angelehnte Persönlichkeitstests zum Beispiel in vielen Unternehmen bei der Auswahl von Bewerbern. Tests, die Persönlichkeits-Merkmale messen, können auch genutzt werden, wenn es darum geht, Menschen individuell zu beraten – zum Beispiel im Hinblick auf ihre Berufs- oder Studienwahl.
Nicht zuletzt kann es ganz grundsätzlich nützlich sein, die eigene Persönlichkeit gut zu kennen. Davon profitieren Sie zum Beispiel im Beruf: Wenn Ihnen Ihre Stärken und Schwächen bewusst sind und Sie wissen, wie Sie sind, können Sie sich dementsprechend verhalten. Sie können dadurch besser planen, wie Sie Ihre Ziele erreichen, und mögliche Hürden schon im Vorfeld antizipieren. Auch abseits vom Job ist eine gute Selbstkenntnis hilfreich. Sie können sich dadurch darauf einstellen, wer und wie Sie sind, und das in verschiedenen Umständen und Situationen berücksichtigen.
Die Big Five und was sie bedeuten
Die Big Five Persönlichkeitsfaktoren sind Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus. Was genau sich dahinter jeweils verbirgt, erfahren Sie hier.
Offenheit für Erfahrungen
Der Aspekt Offenheit für Erfahrungen (openness to experience) beschreibt, wie aufgeschlossen jemand für neue Erlebnisse und Erfahrungen ist. Jemand könnte zum Beispiel sehr offen sein: Solche Menschen sind meist automatisch sehr interessiert, sie sind aufmerksam und stehen Veränderungen häufig positiv gegenüber. Wer hingegen weniger offen ist, neigt eher zu Desinteresse. Er kann konservative Ansichten haben und ist womöglich ein Freund von Routinen. Ungewohntem und Veränderungen kann er skeptisch gegenüberstehen.
Gewissenhaftigkeit
Gewissenhaftigkeit (conscientiousness) beeinflusst, wie kontrolliert und genau jemand ist. Sehr gewissenhafte Menschen haben ein hohes Verantwortungsbewusstsein und zeigen das im Alltag immer wieder. Sie stehen zu dem, was sie zugesagt haben, und können sich häufig gut organisieren. In ihrer Arbeit sind sie präzise und zuverlässig. Menschen, die nicht sonderlich gewissenhaft sind, nehmen es mit Absprachen hingegen oft nicht so genau. Sie können zu Nachlässigkeit an der Arbeit neigen, sind tendenziell ungenau und wenig sorgfältig. Es kann auch an Aufmerksamkeit mangeln, wenn sie sich einer Aufgabe widmen.
Extraversion
Extraversion (extraversion) bedeutet, wie stark die Aufmerksamkeit eines Menschen auf äußere Eindrücke gerichtet ist, zum Beispiel auf andere Menschen. Wer hier hohe Werte hat, kann sehr gesellig, aktiv und vielleicht auch dominant sein. Solche Menschen sind oft energisch und ziehen Energie aus dem Kontakt mit anderen. Niedrige Werte im Bereich Extraversion deuten hingegen auf einen introvertierten Charakter hin. Solche Menschen sind oft zurückhaltend und beobachten eher, als dass sie voranpreschen. Auch Schüchternheit und Verschlossenheit können damit einhergehen, manchmal auch Passivität. Für introvertierte Menschen ist es wichtig, einen Rückzugsort zu haben, an dem sie ihre Batterien wieder aufladen können. Zu viele Menschen und Eindrücke um sie herum rauben ihnen Energie.
Verträglichkeit
Der Aspekt Verträglichkeit (agreeableness) der Big Five bezieht sich auf die sozialen Eigenschaften eines Menschen. Wer sehr verträglich ist, ist tendenziell freundlich, empathisch und kompromissbereit. Er ist umgänglich und kommt meist gut mit anderen Menschen aus. Anders sieht es aus, wenn jemand sich am unteren Ende des Spektrums der Verträglichkeit befindet. Er kann zu Egoismus neigen, ist vielleicht kritisch und misstrauisch oder hat ein stark ausgeprägtes Konkurrenzdenken. Im Umgang mit anderen Menschen kann er schwierig sein, was gute Beziehungen zu anderen erschwert.
Neurotizismus
Das fünfte der 5 Persönlichkeitsmerkmale ist Neurotizismus (neuroticism). Dieser Faktor bezieht sich auf die emotionale Stabilität eines Menschen. Hohe Werte deuten auf eine emotionale Instabilität hin. Das kann mit Eigenschaften wie Nervosität, Unsicherheit, Sensibilität, Reizbarkeit oder Ängsten einhergehen. Niedrige Werte deuten hingegen darauf hin, dass jemand emotional gefestigt und widerstandsfähig ist. Damit verbunden sind zum Beispiel Merkmale wie Belastbarkeit und eine gewisse Robustheit.
Was sind Ihre Persönlichkeitsmerkmale?
Wie gut kennen Sie sich? Wissen Sie, wohin Sie im Spektrum der Big Five der Persönlichkeitsmerkmale jeweils fallen? Reflektieren Sie doch mal, wo Sie sich bei den verschiedenen Punkten sehen. Sind Sie eher verträglich oder weniger verträglich? Neigen Sie zu Neurotizismus oder sind Sie ein ausgeglichener Mensch? Sie können natürlich auch nahestehende Menschen nach einer Einschätzung fragen. Oder Sie machen einen Big-Five-Test – im Internet finden Sie solche Tests vielfach kostenlos.
Es gibt verschiedene Fragebögen, die mehr oder weniger Zeit in Anspruch nehmen können. Der Klassiker ist der sogenannte NEO-PI-R-Test:
- NEO steht für Neurotizismus, Extraversion und Offenheit, obwohl alle Faktoren der Big Five gemessen werden
- PI ist die Abkürzung für Persönlichkeits-Inventar im Sinne einer Bestandsaufnahme der Persönlichkeit
- R steht für die revidierte, also überarbeitete, Fassung des Tests
Der NEO-PI-R-Test wurde von Paul Costa und Robert McCrae entwickelt und enthält 240 Fragen, die knapp eine halbe Stunde Zeit in Anspruch nehmen. Es gibt auch eine Kurzversion mit nur 60 Fragen, den sogenannten NEO-FFI-Test. Hierfür brauchen Sie nur zehn Minuten. Diese Tests gelten als sehr zuverlässig und können Ihnen dabei helfen, sich selbst besser kennenzulernen. Aber Vorsicht: Im Internet gibt es zahlreiche Tests, deren Qualität stark schwanken kann. Nicht alles, was unter dem Schlagwort „Big Five“ läuft, nutzt auch die offiziellen wissenschaftlichen Tests. Sie erhalten die verlässlichsten Ergebnisse, wenn Sie sich für Testversionen entscheiden, die offiziell zur Beurteilung der Big Five genutzt werden.
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